Sventja Franzen und Daria Lewandowska haben ihre finanzielle Ahnungslosigkeit überwunden und ein eigenes Vermögen aufgebaut – hier berichten sie von ihrem Weg in die finanzielle Freiheit.
„Mein Mann hat sich um alles gekümmert, Versicherungen, Finanzen, so richtig klischeehaft.“ In Mathe war Daria Lewandowska eh nie gut, und Geld, dachte sie, das hat ja auch mit Zahlen zu tun. Um sie herum redeten nur Männer über Finanzen. „Es gab Situationen, da fühlte ich mich dumm“, sagt sie, „zum Beispiel, wenn mein Mann mit dem Versicherungsvertreter geredet hat.“
Damals hätte Daria nie im Leben geglaubt, dass sie einmal eine Online-Plattform gründen würde, auf der sich Frauen gegenseitig dabei unterstützen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen. Zwischen ihrer eigenen finanziellen Ahnungslosigkeit und der Gründung der „Moneysisters“ lagen die Trennung von ihrem Mann, eine Gehaltserhöhung, die an der Leere auf ihrem Konto nicht wirklich etwas änderte, der feste Entschluss, dagegen endlich etwas zu tun – und viele kleine Schritte in Richtung finanzielle Unabhängigkeit. Das Buch „Madame Moneypenny“ von Natascha Wegelin war für Daria der Auslöser. „Das war das erste Mal, dass eine Frau mich direkt angesprochen hat“, sagt Daria, „und dass ich mich nicht so klein gefühlt habe.“
Im Vergleich zu Daria hatte Sventja Franzen ordentlich Vorsprung. Als sie zwölf war, stellte ihre Mutter sie vor die Wahl: Wollte sie lieber ein kleines Taschengeld bekommen als reines Spaßgeld? Oder ein richtig ordentliches, mit dem sie dann aber alle persönlichen Dinge selbst kaufen sollte, auch Klamotten? Sventja wählte Letzteres, bekam fortan 80 Mark im Monat. „Ein kleines Vermögen als Kind“, sagt sie.
So lernte sie früh, das Geld einzuteilen. Mit 16 zog sie aus, ihr Germanistik-Studium finanzierte sie mit BAföG und Nebenjobs. Noch bevor das Studium fertig war, hatte sie eine Festanstellung im Marketing. Dann: Lifestyle-Inflation, wie sie viele mit dem ersten Job ereilt: größere Wohnung, eigenes Auto, häufige Restaurantbesuche. Mit ihrem ersten Gehalt ging sie erst mal mit einer Freundin shoppen: „Es war eine mega Gaudi!“ Vor Kurzem hat sie beim Ausmisten Kleidung von damals gefunden. „Mit Preisschild dran“, sagt sie, „das war schon ein bisschen tragisch.“ Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie damals noch 10.000 Euro BAföG-Schulden hatte.
Schritt eins: Money-Mindset
Obwohl Daria und Sventja ganz unterschiedlich gestartet waren, treffen sich an diesem Punkt ihre Reisen in Richtung finanzielle Unabhängigkeit: Bevor sie anfangen konnten, wirklich zu investieren, mussten sie sich erst mal vom Konsumdruck befreien und ihre Einstellung zu Geld ändern. Daria nennt das ihr „Money Mindset“, ein Begriff, der wesentlich von Robert T. Kiyosakis Buch „Rich Dad, Poor Dad“ geprägt wurde. Sventjas Tipp für alle, die finanziell unabhängiger werden wollen: „Zuerst muss man sich freimachen von ‚das geht nicht‘ und ‚das ist schwierig‘.“
Schritt zwei: Die eigenen Finanzen genau unter die Lupe nehmen
„Ich habe mich gefragt: Wenn das Geld nicht bei mir auf dem Konto ist, wo ist es dann?“, sagt Daria. Ein entscheidender Schritt auch für Sventja, denn: „Niemand würde backen, backen, backen, ohne sich zu fragen: Wo ist eigentlich der ganze Kuchen hin?“ Mit einem Haushaltstagebuch überprüften die beiden Frauen, wo das ganze Geld hinfloss. Und bald schon gab Daria nicht mehr jeden Monat mehrere Hundert Euro für Klamotten aus, sondern investierte das Geld, um ein finanzielles Polster für Notfälle anzusparen.
Allein diese Rücklage macht frei, wie sie bald feststellte: „Innerhalb von sechs Monaten gingen meine Waschmaschine, Spülmaschine, der Staubsauger und der Fernseher kaputt. Da war ich so froh, dass ich alles einfach ersetzen konnte, ohne Schulden zu machen. Das erste Mal in meinem Leben – mit 36 Jahren – habe ich all diese Geräte selbst gekauft.“ Früher war der Blick auf ihr Konto mit Bauchschmerzen verbunden. Wenn sie jetzt in die Banking-App geht, denkt sie: „Yes, Notgroschen steht, läuft.“
Schritt drei: Investieren, aber diversifiziert
Inzwischen hat Daria angefangen, mit einem monatlichen Sparplan in ETFs („Exchange Traded Funds“, auf Deutsch „börsengehandelter Fonds“) zu investieren, fast zeitgleich mit einer Freundin. „Als sie ihren ersten ETF gekauft hat, haben wir mit Champagner angestoßen“, sagt Daria. ETFs sind eine passive Anlageform, bei der sich der Wert des angelegten Geldes parallel zum Index entwickelt, den der ETF abbildet. Das kann der deutsche DAX sein oder gleich eine Vielzahl an Unternehmen aus Industrieländern weltweit. Insbesondere diese „MSCI World“-ETFs sind eine sehr diversifizierte Anlageform: Wenn ein Unternehmen pleitegeht, fällt das kaum ins Gewicht.
Historisch betrachtet hat ein MSCI World ETF seit der Erstauflage 1970 pro Jahr fünf Prozent Rendite erwirtschaftet – netto, also abzüglich aller Gebühren und Steuern. Die Vergangenheit ist natürlich keine Garantie für die Zukunft, aber ein ETF-Sparplan gilt als sinnvolle Anlagestrategie, die man auch mit kleinen Summen ab 25 Euro pro Monat starten kann.
Wie wichtig eine breit diversifizierte Anlage ist, realisierte Sventja vor einigen Jahren. Da besaß sie schon Aktien, aber nur von deutschen Unternehmen (und war damit dem sogenannten „Home Bias“ aufgesessen). Die Aktien hatte sie zusammen mit ihrem Opa gekauft. 2018 wetteten mehrere populäre Investor*innen auf den Absturz des DAX. „In dem Moment habe ich mich wahnsinnig unmündig gefühlt“, sagt Sventja. Da ist es wieder, das Gefühl der Unmündigkeit, das auch Teil von Darias Geschichte ist.
Sich finanzielle Bildung selbst zu erarbeiten, ist ein Akt der Rebellion. Denn von Altersarmut sind immer noch vornehmlich Frauen betroffen. Wer für die Kinder zu Hause bleibt und auf das Einkommen und später die Rente des Ehemanns vertraut, ist bei einer Scheidung finanziell nicht abgesichert. Unsere Großmütter haben dafür gekämpft, ein eigenes Konto eröffnen zu dürfen – dazu sind Frauen in Deutschland seit 1958 berechtigt. Jetzt müssen wir auch was draus machen.
Wachgerüttelt durch das DAX-Klumpenrisiko fing Sventja an, alles zu lesen, was sie in die Finger bekam, zu Aktien, ETFs und passivem Einkommen. Sie diversifizierte ihr Portfolio. Ihr Ziel: finanziell frei werden. Und dieses Ziel schlägt Wellen in allen Lebensbereichen.
Schritt vier: Ein neues Leben
Sventja bezeichnet sich selbst als „Frugalistin“. Das Lebensmodell Frugalismus kombiniert bewussten Konsum mit einer hohen Sparquote (zum Beispiel die Hälfte des Einkommens), um möglichst früh von passiven Einkünften – also zum Beispiel von den Zinsen eines ETFs – leben zu können. Sventja wird dieses Ziel mit 49 erreichen, das prognostiziert zumindest derzeit ihre Excel-Tabelle. „Die Aussicht, mein Leben freier bestimmen zu können, finde ich wahnsinnig spannend“, sagt sie.
Ihren Fortschritt dokumentiert sie auf dem Blog „Rich Bitch Project“. Reichtum, sagt sie, definiert sie für sich dabei selbst. Ihr geht es um Selbstbestimmung. In ihrem Umfeld sieht sie oft das Gegenteil: „Da hängen viele im Burnout fest, aber haben grade eine Wohnung gekauft und müssen ihren Lebensstil finanzieren. Sie sind auf ihr Gehalt angewiesen und werden krank davon.“ Um sich aus diesem Hamsterrad zu befreien, müsse man hinterfragen, was eine*n glücklich macht, sagt Sventja, und dann so konsequent sein, sich auf genau das zu konzentrieren.
Auch bei Daria hat das Streben nach finanzieller Unabhängigkeit vieles in ihrem Leben geändert. Es hat ihr mehr Selbstbewusstsein gegeben und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Sie hat die Plattform „Moneysisters“ gegründet, um noch mehr Frauen zu ermutigen, ihre Finanzen in die eigene Hand zu nehmen. Sie findet: Jede Frau sollte eine Money Sister haben, mit der sie jeden Schritt in die finanzielle Unabhängigkeit feiern kann, ganz egal an welchem Punkt der Reise sie gerade steht. Daria selbst möchte in den kommenden zehn Jahren ein sechsstelliges Vermögen aufbauen. Und bald ETF-Sparpläne für ihre Töchter einrichten. Die sollen nie glauben, dass Finanzen Männersache sind.