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Manuela Rabener: Warum der Finanzmarkt sich für Frauen öffnen muss

Immer noch trauen sich nur sehr wenige Frauen, ihr Geld am Finanzmarkt anzulegen. Das ist ein großes Problem angesichts von Altersarmut und sinkenden Zinsen. Manuela Rabener will mehr Frauen an den Markt holen – aus gutem Grund.

 

Frauen und Geldanlagen

Der Finanzmarkt ist nur was für abgezockte Männer? Diese Haltung ist weit verbreitet. Die wenigsten Frauen setzen sich überhaupt mit dem Thema auseinander. Als ich das Interview mit Manuela Rabener vorbereitet habe, habe auch ich mich gefragt, warum gerade ich mich als Studentin überhaupt für Finanzanlagen interessieren sollte. Meine Ersparnisse spielen sich schließlich momentan eher im vierstelligen Centbereich ab. Und auch Frauen, die in einem festen Job sind und vielleicht sogar gut bis sehr gut verdienen, sehen oft keinen Grund, sich mit Finanzanlagen zu beschäftigen. Das sollten sie aber, findet Manuela Rabener – und hat sehr gute Argumente dafür, warum es wichtig ist, dass ganz normale  Frauen sich mehr mit Finanzanlagen auseinandersetzen. Mit ihrem vor einem Jahr gegründeten Unternehmen Scalable will sie gezielt Frauen mit „normalem Gehalt“ ansprechen. Mit uns hat sie über die Öffnung des Anlagenmarktes, die Gefahr der Altersarmut und Frauen in der Finanzwelt gesprochen. 

Du hast ein Unternehmen mitbegründet, das digitale Vermögensverwaltung anbietet. Für die meisten Frauen sind solche Anlageformen ein rotes Tuch. Warum ist das so?

„Dafür gibt es in meinen Augen mehrere Gründe. Die meisten Frauen interessieren sich auf den ersten Blick einfach nicht für das Thema Geldanlage. Frauen sind generell sehr viel vorsichtiger als Männer und misstrauen ihrem eigenen Finanzwissen. Wo sich Männer oft überschätzen, fehlt Frauen der Mut, ihr Geld selbst anzulegen. Auch die Banken und Fondshäuser tragen
ihre Mitschuld an dieser Situation. Sie haben den gesamten Anlageprozess in den letzten Jahrzehnten unnötig verkompliziert und extrem intransparent und teuer gemacht. Heute leidet die gesamte Branche unter einer Vertrauenskrise.

Ich bin aber überzeugt davon, dass sich das notwendige Interesse,Wissen und Vertrauen aufbauen lässt. Dafür braucht es aber nicht nur neue Angebote, dafür müssen wir Frauen auch für das brisante Thema Geldanlage und Altersvorsorge
sensibilisieren.

Vielen Frauen ist schlicht nicht bewusst, dass sie ein großes Risiko eingehen, wenn sie das Thema einfach ignorieren. Aufgrund des Gender Pay Gaps ist die Rentensituation für Frauen sowieso schon prekär. Frauen erhielten
2014 eine gesetzliche Altersrente von durchschnittlich 618 Euro, Männer dagegen 1.037 Euro. Bei den Betriebsrenten sieht es noch schlimmer aus: Dort bekommen Frauen nur ein Drittel dessen, was Männer bekommen – noch nicht einmal 200 Euro. Hinzu kommt, dass Frauen ihr Geld aus den eben genannten Gründen nicht besonders gewinnbringend anlegen. Damit ist Altersarmut für Frauen eine noch realere Gefahr als für Männer. Das ist vielen jungen Frauen aber gar nicht bewusst. Und dagegen müssen wir etwas tun.“

Wie, glaubst du, kann man Frauen für das Thema Geldanlage interessieren?

„Erst einmal muss das Thema, fernab einiger Fachmedien, überhaupt diskutiert werden. Die meisten Frauenmagazine zum Beispiel weigern sich, das Thema auch nur am Rande anzusprechen. Deshalb finde ich neue Formate und Magazine wie EDITION F auch so wichtig. Zudem muss eine Vermittlung von Finanzwissen früher stattfinden, damit die Hemmschwelle sinkt, sich damit zu beschäftigen. Da sehe ich auch unser Bildungssystem in der Pflicht. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen, wenn sie sich erst mal mit dem Thema auseinandersetzen, durchaus Interesse für das Thema Geldanlage entwickeln und sich aktiv damit befassen. Die Schwierigkeit besteht oft darin, überhaupt erst ins Gespräch zu diesem Thema zu kommen.“

Bei euch liegt die Mindestanlagesumme nur bei 10.000 Euro. Vermögensverwaltung ist aber eigentlich etwas, das man nur mit den Wohlhabenden in unserer Gesellschaft in Verbindung bringt. 

„Zum Glück ist das nicht mehr überall so. Die klassische Vermögensverwaltung im Privatkundenbereich fängt tatsächlich erst bei 500.000 Euro Vermögen an, bei manchen Privatbanken sogar ab einer Million Euro. Wir konnten unsere Kosten durch die konsequente Digitalisierung aller Prozesse und Services enorm senken und so die Mindestanlagesumme auf 10.000 Euro reduzieren. Die Digitalisierung ist also ein echter ,Game-Changer’ in der Vermögensverwaltung und macht den Markt für eine viel breitere Gruppe zugänglich. Das kommt vor allem Frauen zu Gute, die sich nicht selbst um ihre Geldanlage kümmern, aber gleichzeitig sicherstellen wollen, dass ihr Geld mit einem intelligenten Anlagekonzept verwaltet wird.“



Manuela Rabener will mit ihren Team Frauen Mut zum Investieren machen (Quelle: Manuela Rabener)

Wenn sich die Ersparnisse auf eine verhältnismäßig kleine Summe belaufen, ist eine Finanzanlage dann nicht ein zu großes Risiko?

„Das ist für sehr kleine Ersparnissen absolut richtig. Wer mit seinen Ersparnissen keine drei Monate ohne Einkommen überbrücken könnte, sollte nicht am Kapitalmarkt investieren und würde bei uns zum Beispiel auch nicht als Klient angenommen. Das entspricht unserer Sorgfaltspflicht als regulierter Finanzdienstleister.

Für alle anderen Sparer ist eine Anlage am Kapitalmarkt absolut sinnvoll.
Allerdings sollte man darauf achten, dass man nur so viel Risiko einsetzt, wie man mit dem eigenen Risikoempfinden vereinbaren kann. Viele klassische
Vermögensverwalter arbeiten mit nichtssagenden Bezeichnungen wie ,moderat’ oder ,chancenreich’. Da weiß am Ende kein Mensch, welches Risiko er wirklich eingeht und wie viel Geld er potenziell verlieren kann. Die Risikomanagement-Technologie, die zum Beispiel wir in unserem Unternehmen verwenden, sorgt dafür, dass das Risiko konstant bleibt und nicht mit dem Marktrisiko schwankt.

Ich glaube, gerade dieses Angebot kommt vielen Frauen entgegen, denn eine
solche Risikosteuerung gab es bisher nicht auf dem Markt für Privatanleger. Finanzanlagen müssen keine Zockerei sein. Diese Vorstellung schreckt viele Frauen nämlich bisher ab.“

Wie viele weiblicher Kunden habt ihr in eurem Unternehmen momentan?

„Momentan sind noch circa 70 Prozent unserer Kunden männlich. Damit sind wir bereits besser als ein Großteil anderer Finanzdienstleister im Bereich
der Geldanlage. Aber natürlich wollen wir noch mehr Frauen von unserem Produkt zu überzeugen. Deshalb suchen wir nach Wegen, Frauen das Thema Geldanlage näherzubringen.“

Du setzt dich ja sehr stark dafür ein, Frauen das Thema näherzubringen. Momentan bist du aber als Frau oft noch allein auf weiter Flur. Welche Erfahrungen hast du als Frau in diesem sehr männergeprägten Business gemacht?

„Ich kann glücklicherweise berichten, dass ich bisher nie benachteiligt
oder unterschätzt wurde. Aber ich begegne leider einfach sehr wenigen Frauen in meinem Umfeld. Zu meiner Zeit bei McKinsey waren wir in etwa 25 Prozent Frauen. Und das ist schon viel.

Ich kann aber Männern, zumindest auf Basis meines eigenen Erlebens, diesbezüglich keinen Vorwurf machen. Es gibt, meiner Meinung nach, eben kaum Bewerberinnen. Frauen unterschätzen sich immer noch viel zu sehr. Sie verkaufen sich oft unter Wert und trauen sich zu wenig zu. Frauen würden zum Beispiel nicht behaupten, dass sie etwas können, was sie eigentlich gar nicht beherrschen. Ich habe aber schon zig Männer getroffen, die in ihrem CV perfekte Französischkenntnisse angegeben haben, dann aber kaum einen Satz herausbrachten, als ich sie auf Französisch angesprochen habe. Männer sind einfach deutlich abgebrühter. Das ist das gleiche Muster wie bei Finanzanlagen. Und ich möchte Frauen gerne in beiden Bereichen die Augen öffnen und sagen: ,Traut euch! Die Türen stehen offen, ihr müsst nur durchgehen!’.“

Glaubst du, dass das Interesse von Frauen an Finanzanlagen in der Zukunft wachsen wird?

„Ich hoffe sehr, dass Frauen begreifen, wie brisant die Lage
der Altersversorge momentan ist und wünsche mir, dass das Interesse für das
Thema wächst. Der Niedrigzins liegt mit null bis 0,25 Prozent auf einem
historischen Tiefpunkt. Das heißt nichts anderes, als dass das Geld auf dem
klassischen Tagesgeld- oder Sparkonto nicht mehr für einen arbeitet und
faktisch weniger wird, wenn man den Wertverlust durch Inflation mit
einberechnet. Wenn Frauen für ihre eigene Altersvorsorge aufkommen und nicht von Männern abhängig sein wollen, müssen sie aktiv werden. Das ist unabdingbar. Und dafür mache ich mich stark.“

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