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Billigkleidung: den Preis für unseren Konsum bezahlen andere mit ihrem Leben

Die Modebranche ist so menschenverachtend und antifeministisch wie kaum eine andere. Warum uns das alle etwas angeht und wie wir einen Unterschied machen können.

 

Was Mode für die Menschen am anderen Ende der Welt bedeutet

“Es ist ja nur ein neues Shirt”, “die machen doch sicher keine Kinderarbeit”, “Mindestlöhne müssen auch in anderen Ländern eingehalten werden” und überhaupt, es gibt ja wohl Schlimmeres als an einer Nähmaschine zu sitzen, oder? Die Ausreden sind vielfältig, von Halbwissen geprägt und bewirken vor allem eines: das schlechte Gewissen zu beruhigen. Nur eines tun sie leider nicht: ändern, dass Menschen für unsere Kleidung sterben.

Beim Textilfabrikeinsturz 2013 in Bangladesch sind 1.138 Menschen gestorben, mehr als 2.500 wurden verletzt, nachdem am Tag zuvor Risse im Gebäude entdeckt worden waren und die Beschäftigten trotzdem zur Arbeit gezwungen wurden. Jährlich sterben ungefähr 20.000 Menschen in der Baumwollproduktion, durch Unfälle mit Pestiziden. Täglich riskieren unzählige Arbeiter und Arbeiterinnen ihr Leben, die mit nackten Beinen in den Chemikalien stehen, die man braucht, um Leder zu gerben, aber auch zu schweren Krebserkrankungen führen. Immer wieder gibt es Skandale um die Textilfabriken der Welt, die selten Sicherheitsstandards und menschenwürdige Arbeitszeiten einhalten oder einen Existenzlohn bezahlen. 85 Prozent der Arbeitskräfte in solchen Fabriken sind Frauen. Im Herbst letzten Jahres wurde bekannt, dass in der Türkei syrische Flüchtlingskinder in Textilfabriken ausgebeutet wurden, die für Zara und Mango Kleidung herstellen. Die Liste an Horrorgeschichten, die die Textilindustire verbricht, ist endlos.

Und das sind keine unglücklichen Zufälle, das sind Opfer der Textilindustrie, die für das 5-Euro-Shirt, das vielleicht noch mit Preisschild bei uns im Schrank liegt, mit dem Leben bezahlt haben. Das ist eine unbequeme Wahrheit. Nur macht sie das eben nicht weniger wahr.

Wer trägt eigentlich die Verantwortung?

“Liebe Politiker, macht doch mal was!” “Oder müssen vielleicht Unternehmen endlich mal ein Gewissen etablieren?” “Wieso berichten die Medien eigentlich so wenig darüber?” Bei der Frage nach der Verantwortung schauen alle lieber nach links und rechts, statt auf sich selbst. Am Ende will es keiner gewesen sein und eigentlich dürfte allen trotzdem klar sein: Wir alle, die auch nur im entferntesten mit der Modeindustrie zu tun haben, sind Teil davon und machen die unglaubliche Ausbeutung aktiv oder passiv überhaupt erst möglich. Es sind nicht nur die Konsumenten, die Fast Fashion kaufen, ohne darüber nachzudenken, sondern auch Unternehmen, die oft selbst nicht genau wissen, wo und wie sie eigentlich produzieren, die Politik, die die Gesetzeslücken nicht schließt und Medien, die lieber über andere Themen berichten – es geht uns ausnahmslos alle etwas an, an den aktuellen Umständen etwas zu ändern, weil es hier schlichtweg um Menschenrechte geht. Und die sollten überall auf der Welt gleich geachtet werden.

Was wir jetzt sofort tun können

Wir, die am Ende das Shirt von der Stange kaufen, sind nicht alleine für die Umstände in der Textilbranche verantwortlich und nicht jeder ist in der privilegierten Situation dauernd Fair Fashion Labels zu unterstützen. Realistisch betrachtet werden Konsumenten allein die Probleme auch nicht lösen können – zumindest nicht von heute auf morgen. Eines ist aber sicher: Wir alle haben eine Stimme, die wir nutzen sollten. Was wir tun können:  

1. Sich informieren

Wissen ist Macht! Nur wer weiß, was eigentlich genau vor sich geht, kann sich eine Meinung bilden, Wissen weitergeben, sich kritisch mit dem ganzen Thema auseinander setzen und zum Beispiel auch Greenwashing bei Marken erkennen. Es gibt einige Dokumentationen zum Thema, einen besonders guten Überblick bekommt man durch „The True Cost“, die auch auf Netflix verfügbar ist.

„The True Cost“ beantwortet die Frage, wer den Preis für unsere Kleidung bezahlt. Quelle: The True Cost

2. Darüber sprechen

Was man immer tun kann: mit der Familie, mit Freunden und mit Kollegen darüber sprechen, sie für das Thema sensibilisieren und sich generell austauschen. Oft sind wir sehr beschäftigt und obwohl wir spätestens seit dem „Slavery Footprint“ wissen, dass irgendetwas ganz gewaltig schief läuft in der Modewelt, wissen wir oftmals nicht so genau, was die Probleme sind und was man dagegen tun könnte.

3. Initiativen wie die Fashion Revolution unterstützen

Nach dem katastrophalen Textilfabrikeinsturz 2013 in Bangladesh wurde die „Fashion Revolution“ ins Leben gerufen – eine Bewegung, die mehr Transparenz in der Mode fordert, in dem sie uns alle dazu aufruft, bei Marken mit dem Hashtag #whomademyclothes nachzuhaken, wo die Kleidung herkommt und wer sie gemacht hat, also zum Beispiel „Hey @hm, I care about the conditions under which my clothes are made, so #whomademyclothes?“

Labels sind oft wenig transparent und enthalten nur Informationen über das Herstellungsland, die verwendeten Materialien und Pflegeinformationen. Bei der Aktion #insideout drehen Konsumentinnen und Konsumenten das Label nach außen und fordern so auch mehr Transparenz:


Label nach außen drehen, Foto machen und bei der Marke fragen: #whomademyclothes? Quelle: Fashion Revolution

4. Fair Fashion unterstützen

Einen ganz konkreten Einfluss können wir haben, indem wir die Marken unterstützen, die auf eine faire Produktion setzen. Das sind mittlerweile schon ziemlich viele: Jan ‘n June, Kings Of Indigo, Armedangels, Nudie Jeans, People Tree, Filippa K, Lanius – um nur einige wenige unserer Favoriten zu nennen. Online ist die Auswahl an fairen Marken schon sehr groß. In größeren Städten findet man außerdem immer mehr faire Shops in den Einkaufsstraßen. Zur Orientierung, welche Marken wirklich unter fairen Bedingungen produzieren, kann man vor allem auf das Fair-Trade-Siegel achten und darauf, dass die Kleidung aus GOTS-zertifizierter Baumwolle besteht. Und die Liste der Unternehmen, die Teil der Fair Wear Foundation sind, wird auch immer länger.

5. Oder einfach mal nichts kaufen

Die aktuellen Umstände in der Modeindustrie sind zu großen Teilen dem Fast-Fashion-Trend geschuldet, also der Tatsache, dass wir Kleidung mit einer so hohen Durchlaufgeschwindigkeit konsumieren, wie noch niemals zuvor in der Geschichte. Das führt häufig zur billigen Massenproduktion, die sich auf die Ausbeutung von Menschen stützt. Dem Ganzen entgegenwirken können wir also auch, indem wir einfach mal nichts kaufen oder auf schon Bestehendes, wie Vintage- oder Second-Hand-Kleidung setzen. Wer weniger Kleidung kauft und seinen Konsum allgemein einschränkt, kann dann beim nächsten Jeanskauf vielleicht auch zur öko-fairen Alternative greifen.

6. Kritisch sein und bleiben

Das vielleicht Wichtigste, das wir tun können, ist aber folgendes: kritisch zu sein und Fragen zu stellen, selbst wenn sie manchmal unbequem sind. Ganz konkret kann das bedeuten, in Shops nachzufragen, ob sie eigentlich auch Marken führen, die fair produzieren oder immer wieder zu fragen, ob sie wissen, woher genau die Kleidung kommt, die da auf den Stangen hängt. Und es heißt auch, sich nicht beweihräuchern zu lassen, sprich: Wie conscious ist die Conscious Collection von H&M eigentlich wirklich? Was ist gerade nur geschicktes Marketing, was ist Greenwashing und was ist echtes Engagement? Ein bisschen Biobaumwolle im Kleidungsstück macht noch keine faire Produktion und „made in Europe“ sagt nichts darüber aus, unter welchen Bedingungen das passiert ist.

Uns alle geht dieses Thema etwas an und das Gute ist ja: wir alle können auch etwas tun. Oder wie die unermüdlich engagierten Menschen der Fashion Revolution es sagen: 

„Be curious. Find out. Do something.“

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