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Equal Pay: Wieso die Entrüstung über die abgewiesene Klage einer ZDF-Journalistin nicht weiterhilft

Anfang Februar wurde die Klage einer Journalistin gegen das ZDF auf Basis des Entgelttransparenzgesetzes in zweiter Instanz abgewiesen. Das Gesetz ist dennoch besser als sein Ruf, kommentiert Henrike von Platen.

 

Wo greift das Entgelttransparenzgesetz? 

„Kein Recht auf gleichen Lohn“, „eine Lücke im Gesetz“, „ein Schlag ins Gesicht aller Frauen“ – die Kommentare zur Urteilsverkündung in Sachen Meier ./. ZDF lassen in Sachen Lohngerechtigkeit wenig Hoffnung. Aber steht es in Deutschland wirklich so schlecht um faire Bezahlung? Was wurde letzte Woche vor dem Berliner Landesarbeitsgericht eigentlich genau verhandelt?

Eine ZDF-Redakteurin findet heraus, dass ihre männlichen Kollegen mehr für ihre Arbeit bekommen und klagt. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin geht in Berufung. Am 5. Februar wird ihre Klage vom Landesarbeitsgericht erneut abgewiesen. Der Aufschrei ist groß: In Deutschland gäbe es „kein Recht auf gleichen Lohn“.

Was ist da eigentlich los? Kann es sein, dass in Deutschland so viel Ungerechtigkeit möglich ist? Ausgerechnet hier, wo die Gleichbehandlung von Männern und Frauen längst im Grundgesetz verankert ist? Wo eigens ein Entgelttransparenzgesetz geschaffen wurde, um Lohndiskriminierung auszumerzen?

Die Antwort ist ein klares Jein.

Leben wir in einem Land der Dinosaurier?

Es ist kein Zufall, dass die Klägerin seit der zweiten Instanz von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt wird: Die GFF sieht den Fall Meier ./. ZDF als Präzedenzfall. Dass die Klage auch in zweiter Instanz abgewiesen wurde, sei „ein Schlag ins Gesicht aller Frauen“.

Sofort entsteht der Eindruck: Wir leben in einem Land der Dinosaurier und Ewiggestrigen, selbst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts und 40 Jahre nach der Familienrechtsnovelle ist in Deutschland noch immer keine Entgeltgleichheit möglich! Doch ein genauer Blick lohnt: Die Klägerin ist eine sogenannte fest-freie Mitarbeiterin. Als solche wird sie zwar nach Tarif bezahlt, gilt aber nicht als Festangestellte. Mit Auswirkungen auf die Diskriminierungsklage: Denn das Entgelttransparenzgesetz greift in diesem – besonderen – Fall (noch) nicht. Es gilt explizit für „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“. Für diese sieht es in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten seit Januar 2017 einen Auskunftsanspruch vor. Da das Gesetz Europarecht umsetzt, hätte hier der weite europarechtliche Arbeitnehmenden-Begriff angewendet werden können. Das sah das Gericht anders.

Und ab hier wird es noch komplizierter, beziehungsweise die Hürde höher: Ein Auskunftsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besteht – anders als beim Entgelttransparenzgesetz – nur, wenn der Verdacht einer Diskriminierung belegt wird. Die Indizien: Zwölf (!) Männer, viele im selben Tarifvertrag, verdienten bei gleicher Tätigkeit mehr, außerdem chauvinistische Äußerungen des Redaktionsleiters und anderes mehr. Vom Gericht wurde das nicht als ausreichend angesehen. Hier setzt die Kritik an: Die Schwelle liege viel zu hoch. Aber: Bei der Frage, ab wann ein Diskriminierungsverdacht vorliegt, ging es nicht um das Entgelttransparenzgesetz.

Das Entgelttransparenzgesetz – besser als sein Ruf!

Das sogenannte „EntgTranspG“ kann sich nämlich durchaus sehen lassen – derzeit findet es in der internationalen Politik und weltweit auf Kongressen viel Beachtung. Noch ist das Gesetz jung und die Evaluation in vollem Gange. Doch es lässt sich bereits ablesen, dass nicht die Anzahl der Auskunftsverlangen erfolgsentscheidend ist, sondern die Tatsache, dass sich aufgrund des neues Gesetzes immer mehr Unternehmen mit ihren Entgeltstrukturen auseinandersetzen. Der vor Inkrafttreten befürchtete Aufwand ist ausgebelieben. Dafür wirkt es sich offenbar sehr positiv auf die die Unternehmenskultur aus, für Transparenz zu sorgen. Das Offenlegen von Vergleichsgehältern und die Definition von Gehaltskriterien wirken der Entlohnung „nach Nasenfaktor“ wirksam entgegen. Noch nie war das Thema Lohngerechtigkeit so weit oben auf der Agenda der Unternehmen. Wirken und verbessert werden kann das Gesetz allerdings nur, wenn der Auskunftsanspruch möglichst oft genutzt wird.

Ja, es ist eine Katastrophe, dass Frauen – nicht nur in Deutschland – noch immer signifikant weniger verdienen als Männer. Ja, es ist ein Missstand, dass in Sachen freie und fest-freie Mitarbeit quasi Wilder Westen herrscht. Aber die Berichterstattung in Sachen Meier ./. ZDF ist ebenfalls eine Katastrophe: Wie viele Beschäftigte werden sich angesichts der gescheiterten Klage noch trauen, den Auskunftsanspruch geltend zu machen? Dabei trägt das viel gescholtene Entgelttransparenzgesetz an dem Urteil gar keine Schuld. Immerhin schafft es für 14 Millionen Beschäftigte in Deutschland erstmals die rechtliche Basis, um gleiche Bezahlung auch tatsächlich durchzusetzen – ein absolutes Novum in der Lohngerechtigkeitsgeschichte.

Das Entgelttransparenzgesetz greift nicht immer 

Der Fall Meier ./. ZDF ist vor allem eines: denkbar atypisch. Die Klägerin ist eben „nur“ arbeitnehmerähnliche Beschäftigte. Damit entgeht ihr einer der großen Vorteile des Entgelttransparenzgesetzes: Es braucht keinerlei Indizien mehr für Diskriminierung, um den Auskunftsanspruch durchzusetzen – und damit die Prüfung der Entgeltstrukturen in den Unternehmen in Gang setzen.

Die Diskussion, die es zu führen gilt, geht weit über den Einzelfall Meier ./. ZDF hinaus: Es geht um die Strukturen. Die gilt es zu ändern! Denn hinter der ungleichen Bezahlung im Einzelfall steht meist ein strukturelles Problem.

Auch im Fall Edeltraud Walla ging es 2015 bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil ein schlechter qualifizierter Kollege für die gleiche Arbeit höher eingruppiert und damit besser bezahlt wurde. Doch wie sich herausstellte war die Schreinermeisterin ganz richtig, ihr Kollege hingegen falsch eingruppiert, nämlich viel zu hoch. Die Klage war damit gegenstandslos – was die Strukturen kein bisschen besser macht.

Lohngerechtigkeit ohne Gesetze

Die Einzelfälle zeigen allerdings deutlich, wie schädlich intransparente Strukturen für die Entgeltgleichheit sind. Die deutschen Gerichte legen die Latte für Auskunftsansprüche sehr hoch, wenn statt des eindeutigen Entgelttransparenzgesetzes „nur“ das AGG gilt. Aus der Nichtanwendbarkeit zu schlussfolgern, dass Lohngerechtigkeit in Deutschland keine Chance hat, ist aber grundfalsch.

Unabhängig vom Einzelfall, so ungerecht er sein mag, ist es vor allem eine Lektion, die wir uns hinter die Ohren schreiben können: Wo ein Wille ist, gerechte Bezahlung umzusetzen, braucht es weder Urteile noch Gesetze. In der freien Wirtschaft genauso wenig wie in Unternehmen der öffentlichen Hand. Wenn die Wirtschaft in Sachen Transparenz auch nur eine Handvoll des Mutes aufbringt, den Birte Meier mit ihrer Klage beweist, und wenn auch nur ein Bruchteil der 14 Millionen, für die der Auskunftsanspruch ohne jeden Zweifel gilt, diesen auch nutzen, sind wir in Sachen Lohngerechtigkeit auf einem sehr guten Weg.

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