Herzchen und BFF-Treueschwüre gibt es überall – wir widmen den Tag der Freundschaft all den Freund*innen, mit denen wir aus verschiedenen Gründen nicht mehr befreundet sind.
Best friends forever?
Nicole und ich hatten ein Freundschaftsbuch – eine Art gemeinsam geführtes Tagebuch, in das wir in Briefform abwechselnd schrieben, was uns bewegte. Analog-Whatsapp, wenn man so will. Darüber hinaus telefonierten wir jeden Abend, bevor wir uns am nächsten Tag in der Schule sahen. Kurz: Wir waren unzertrennlich.
Das ist Ewigkeiten her, wir waren noch Teenager und ich habe Nicole seit bestimmt sechs Jahren nicht mehr gesehen. Alles ist okay, wir haben uns nicht gestritten. Dank Facebook weiß ich, dass es ihr gut geht. Wenn ich eines unserer damaligen Lieblingslieder höre, lächle ich. Es war schön.
Warum trennen sich Freund*innen?
Aber wie kann es passieren, dass zwei Menschen so innig miteinander und dann gar nicht mehr befreundet sind? „Weil sich beide unterschiedlich entwickeln können“, erklärt der Psychotherapeut und Buchautor Dr. Wolfgang Krüger („Freundschaft: Beginnen, verbessern gestalten“). Eine Durchschnitts-Freundschaft hält fünf bis sieben Jahre.
Manchmal lebt man sich auseinander wie Nicole und ich, manchmal streitet man sich und spricht kein Wort mehr miteinander, manchmal sind bestimmte Freunde nur während einer schweren Krise an unserer Seite und entfernen sich danach einfach schleichend wieder. All das ist der normale Lauf der Dinge.
Manchmal allerdings haben Freundschaften ihr Haltbarkeitsdatum überschritten und wir finden den Absprung nicht. Dann kann es sinnvoll sein, loszulassen, sich zu trennen und quasi „Schluss zu machen“.
Eine so abgelaufene Freundschaft erkenne man laut Dr. Krüger beispielsweise daran, dass „der andere nicht mehr zuhört, nicht auf mich eingeht, mir immer widerspricht, alles besser weiß und mich nicht akzeptiert.“
Der zuverlässigste Indikator für den Zustand einer Freundschaft sei dabei das eigene Bauchgefühl. „Wenn ich mich nach jedem Treffen, jedem Telefongespräch ärgere, mich merkwürdig fühle und dem anderen immer mehr aus dem Weg gehe, wenn auch der andere immer giftiger wird, dann muss man sich trennen“, so der Freundschafts-Experte.
Wie trennt man sich?
Nur wie geht das? Kann man sich einfach hinstellen und sagen „Du, ich glaube unsere Freundschaft wird bloß noch von der geteilten Liebe zu Hackbraten und den ewig gleichen schlechten Witzen zusammengehalten“?
Auf gar keinen Fall sollte man sich über einen längeren Zeitraum ärgern, Dinge in sich hineinfressen und irgendwann eine garstige Hassmail biblischen Ausmaßes abschicken. Es kann durchaus hilfreich sein, das Gefühl der Entfremdung und Unzufriedenheit direkt anzusprechen und den Dialog zu suchen. Dabei sind jedoch Fingerspitzengefühl und eine ausgestreckte Hand gefragt. Wer zu wütend ist und deshalb verletzend werden könnte, der verspiele die Chance auf einen späteren Neuanfang.
Klüger als verbrannte Erde zu hinterlassen sei es laut Dr. Krüger, sich zurückzuziehen und die Freundschaft einfach einschlafen zu lassen. Aus gutem Grund: „Manchmal spürt man nach einigen Jahren, dass man doch noch einen Versuch machen sollte und ruft wieder an.“
Wer weiß? Vielleicht schreibe ich Nicole mal eine Facebook-Nachricht, einfach so.
Und welche*r Freund*in hast du lange nicht gesprochen?
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