Man denkt, man sei erwachsen und perfekt organisiert – und dann bekommt man Kinder. Petra Meyer über eine steile Lernkurve und den Umgang mit der Herausforderung, Eltern zu sein.
Irgendwann muss es doch klappen!
Es mag schlicht am Chaos der ersten Schulwoche liegen, aber am Freitag war wieder so ein Tag. Das Kind „funktionierte“ nicht, wie ich es vorgesehen hatte. Natürlich ist das Leben ein einziges Improvisieren, sobald man Kinder hat, kleine Kinder. Aber irgendwann, da muss das doch mal klappen, denkt sich die Mutter, die bei Myers-Briggs regelmäßig Höchstwerte für ihre Sachlichkeit und Struktur abräumt.
Was war eigentlich passiert? Ein verträumtes Kind vergisst die Zeit, kommt aber dank Erinnerung und Antreiben mit Ach und Krach doch noch halbwegs zeitig zum Training. Was war also mein Problem?
Wie viele bin ich erzogen worden nach klaren Maximen: „sei pünktlich“, „sei ordentlich“, „was sollen die Leute denken“, „man darf anderen nicht zur Last fallen“ usw.
Heraus kam eine perfekte Angestellte, die stets ihre Pflicht erfüllt und funktioniert, die in die Bresche springt für andere, die es lockerer nehmen.
Für die alte Arbeitswelt sind Menschen wie ich perfektes Material, denn wir hinterfragen nicht und kommen immer pünktlich. Auch wenn das zu Hause morgens mit den Kindern enormen Stress bedeutet. Denn natürlich ist pünktlich sein wichtiger als die Bedürfnisse des Kindes.
Altes Verhalten abschütteln
Seit ich als freie Beraterin tätig bin, fällt mir mein Verhalten umso schmerzhafter auf, denn da ist in der Regel nichts, was nicht die fünf Minuten auf die Kinder warten könnte. Dennoch mache ich Stress, weil ich es so gewohnt bin. Es ist ein langer Weg, aus Verhaltensmustern auszubrechen, erst recht, wenn es ein Emanzipieren von Dingen ist, die als Grundwerte „schon immer so“ gemacht wurden.
Aber es macht mich zu einem wertvolleren Menschen, auch für die Berufswelt. Selbstverantwortlicher, organisierter, nachhaltiger priorisierend, entspannter.
Wenn es also mal wieder knirscht, kann ich nun einen Schritt zurück treten und fragen, ob der Stress real oder selbstgemacht ist. Und die richtigen Entscheidungen treffen, wo ich früher nicht mal eine Wahl sah.
Mein Appell lautet deswegen: macht euch eure Skills bewusst und sprecht offensiv über sie. Viel zu oft entschuldigen sich Frauen für ihr Mutter-Sein bei Bewerbungen und in Gesprächen; stapeln tief und relativieren. Nein! Was ihr in Wirklichkeit macht, ist die steilst mögliche Lernkurve, ganz ohne Weiterbildungskosten für das Unternehmen. Und Mündigkeit und Selbstorganisation haben noch nicht mal im Großunternehmen jemals geschadet; da heissen sie „Leadership Competencies“.
„Mama, die haben gar nicht bemerkt, dass ein bisschen zu spät “. Siehste, wieder nur mein Film gewesen.
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