Foto: Fotomaki Retouching

Zwischen Agentur und Imkeranzug – Julia und Ann Böning von den „Golden Girls“

Tatenlos zusehen, wie die Bienen massenhaft sterben und wir damit auch für uns Menschen das drittwichtigste Nutztier verlieren? Das geht so nicht, sagten sich Julia und Ann Böning – und funktionierten das Flachdach ihrer Agentur kurzerhand zum Stellplatz für Bienenstöcke um.

 

Protect the Bee!

An weiblicher Power mangelt es in der Agentur Fotomaki Retouching in Ottensen nicht. Denn während Ann und Julia Böning im Inneren für Firmen wie Leica, Ikea und Lufthansa professionell Werbefotos bearbeiten, geben eine Ebene höher auf dem Flachdach die „Golden Girls“ den Ton an. Die Golden Girls? Rund 50.000 Bienen, die in mittlerweile vier Bienenstöcken ein neues Zuhause gefunden haben. 

Warum? Sie hätten die Nachrichten über das klassische Bienensterben einfach nicht an sich vorbeiziehen lassen und tatenlos zusehen können, erzählt mir Julia Böning im Interview. Schließlich hat das Bienensterben auch für uns Menschen fatale Folgen. Laut Angabe des Deutschen Imkerbunds sind rund 80 Prozent der 2.000 bis 3.000 heimischen Nutz- und Wildpflanzen auf die Honigbienen als Bestäuber angewiesen und damit ist die Biene, was vielen nicht bewusst ist, nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier. 

Wir haben bei Julia mal genauer nachgefragt, wie es zu ihren Golden Girls kam und was das Imkerinnen-Dasein so mit sich bringt. 

Liebe Julia, wenn man hauptberuflich eine Fotoretusche-Agentur führt, liegt das Dasein als Imkerinnen nebenbei nicht gerade nahe. Was war denn der auslösende Moment, um bei euch Bienenstöcke aufzustellen?


„Einen auslösenden Moment gab es nicht. Nachdem wir in den Nachrichten immer wieder vom klassischen Bienensterben gehört hatten, haben wir uns intensiver damit auseinandergesetzt und wollten selbst aktiv werden. Neben einer Ausbildung zur Imkerin braucht man natürlich auch den Platz für die Bienen, den wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht hatten. Als wir dann mit der Agentur umgezogen sind, hatten wir plötzlich ein Mini-Haus mit Flachdach und Garten – da war die Entscheidung gefasst und wir haben uns für einen Kurs angemeldet.“

Das Zuhause der Agentur – und der Bienen. 
Nicht nur im Haus geht es rund, auch obendrauf: Dort stehen mittlerweile vier Bienenstöcke.

Wie sieht dann so ein Kurs aus? Wie lange dauert er?

„In der Regel dauert ein Kurs ein halbes oder ganzes Jahr. Unser Kurs fing im Winter an und ging dann bis zum nächsten Sommer. Und dann folgen natürlich noch Weiterbildungskurse, wenn man mag.“

Wenn ich jetzt als blutige Anfängerin auch Imkerin werden will – was brauche ich, um anzufangen?

„Erst einmal ganz wichtig: der Kurs. Außerdem muss man erst mal ein Gefühl dafür bekommen, ob das überhaupt etwas für einen ist. Denn, wenn 50.000 kleine Bienchen um einen herum brummen und fliegen, ist das schon eine andere Liga. 50.000 Bienen machen Lärm und sind erst einmal unheimlich – das war auch für uns eine Überwindung. 

Außerdem sollte man einen geeigneten Stellplatz haben – mit ein bisschen Sonne, ein bisschen Schatten und außerdem haben sie gerne eine bestimmte Himmelsausrichtung, in die sie fliegen. Außerdem mögen sie es tendenziell etwas ruhiger und geschützter. Es passiert leider recht häufig, dass Leute sich einen Scherz erlauben oder neugierig sind und dann einfach so eine Bienenkiste aufmachen oder auch umkippen.“ 

Wenn du von 50.000 Bienen sprichst, bleibt das Stechen nicht aus, oder?

„Nein, leider nein – und das trotz Imkeranzug. Der Klassiker ist, dass man seine Schutzkleidung auszieht, sich eine Biene im Schleier verfangen hat und man sich durch die Haare streicht… Total nervig ist, dass ich dagegen allergisch bin. Meine Bienenstiche werden riesig und brauchen zwei Wochen zum Verheilen.“ 

Der Imkeranzug ist bei der Arbeit mit den Bienen absolutes Muss. 

Stichwort Nachbarn: sind die damit überhaupt einverstanden, dass ihr in ihrer direkten Umgebung zehntausende Bienen haltet?

„Es gibt leider schon viele, die das nicht so gut finden. Viele Leute haben auch wirklich Angst vor den Bienen, weil sie einfach nicht zwischen Bienen und Wespen differenzieren können. Dann wird ganz schnell pauschalisiert. Dabei ist eine Biene gar nicht so sehr interessiert am Menschen.“ 

Wie viel Zeit investiert ihr denn neben eurem Hauptberuf noch in die Instandhaltung der Bienenstöcke?

„Wir versuchen, so wenig wie möglich und so viel wie nötig mit den Bienen zu arbeiten. Die wollen schließlich auch ihre Ruhe haben. Während der Bienensaison, also zwischen April und Oktober, machen wir alle zehn Tage eine Bienendurchsicht, die pro Stock eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. In der Schwarmzeit, das heißt im Mai, Juni, manchmal auch Juli, muss man auf jeden Fall alle sieben Tage nachsehen.“ 

Warum erfordert insbesondere die Schwarmzeit eine verschärfte Durchsicht?

„Wenn es warm wird und die Bienendichte im Volk steigt, wird es denen ein bisschen zu eng und dann teilt sich das Volk. Dann fliegt die Königin mit etwa zwei Dritteln der Bienen weg, sorgen aber vorher dafür, dass eine neue Königin heranwächst. Vor allem in der Stadt ist es für die Bienen schwer eine neue Heimat zu finden. Spätestens im Herbst würden sie dann eingehen. Und wenn die Bienen krank sind, müssen diese bei der Durchsicht auch behandelt werden.“ 

Wie hoch ist die Menge an Honig, die ihr ernten könnt? 



„Wenn es gut läuft und man natürlich auch keine Medikamente eingesetzt hat, kann man circa mit 50 Kilogramm pro Volk rechnen.“

Zur Hochsaison summen rund 50.000 Bienen in den vier Bienenstöcken.

Das ist eine ganz schöne Menge… 

„Ja, total. Aber der Verkauf des Honigs ist eher eine nebensächliche Geschichte. In der Produktion und im Abfüllen des Honigs steckt so viel Arbeit drin, dass man ein Glas Honig eigentlich für 40 Euro verkaufen müsste, um der Arbeit gerecht zu werden. Wir machen das nicht, um Geld zu verdienen. Für uns ist es tatsächlich ein Charity-Projekt, um einen Beitrag zur Umwelt zu leisten und anderen Leuten einen Zugang zu diesem schönen Produkt zu ermöglichen.“

Julia und Ann Böning wollen auch anderen Menschen Zugang zu ihrem Produkt ermöglichen.

Die Verpackungen sind super schön, erinnern ein bisschen an Beautyprodukte. Habt ihr die selbst designed?

„Ja, die hat Ann gemacht. Das dunkle Glas hat auch einen praktikablen Nutzen, weil dadurch der Honig lichtgeschützter ist. Außerdem kann das Glas wiederverwertet werden. Man kann den Honig auch hervorragend als Honigmaske verwenden. Wenn die Bienen so viel Honiganteil haben, dann bleibt es nun mal nicht aus, dass die bei der Durchsicht auch mal auf den Händen landen und danach sind die Hände immer ganz zart“ (lacht).  

Ihr habt eure Bienenstöcke bereits auf vier aufgestockt. Sollen es noch mehr werden?

„In Ottensen soll es erst mal bei vier Völkern bleiben, wir planen aber gerade, dass es die Golden Girls Ende 2017 auch in Portugal geben wird. Dort haben wir ein Grundstück und planen nun den Bau einer Art B&B und Retreat. Dort werden dann natürlich auch ganz viele Bienen ein neues Zuhause finden.“ 

Der erste Kontakt mit so vielen Bienen kann auch schon mal beängstigend sein. 

Nur, wenn die Bienen gesund sind und nicht behandelt wurden, kann der Honig geerntet werden. Quelle aller Bilder: Fotomaki Retouching


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