Hila Limar von „Visions for Children“ hilft mit, Schulen in Entwicklungsländern wieder aufzubauen, damit Kinder wieder lernen können. Denn Bildung ist ein wichtiger Schritt, um der Armut zu entfliehen. Ein Interview.
Die Schulbildung sollte kein Privileg sein
Hila Limar kam als Geflüchtete aus Kabul nach Deutschland. Aufgewachsen in Hamburg, verwirklicht sie ihre Leidenschaft des Häuserbauens nicht nur in ihrem Job als Architektin, sondern auch bei Schulprojekten in Entwicklungsländern. Fast ein Jahrzehnt ist sie schon Vorstandsmitglied bei „Visions for Children“ und sorgt dafür, dass die Lernbedingungen an Schulen in Uganda und Afghanistan verbessert werden. Mit uns hat sie über ihre Erfahrungen und die Wichtigkeit des Helfens – ob in Entwicklungsländern oder in Deutschland – gesprochen.
Mit drei Jahren kamst du mit nicht mehr als deiner Puppe nach Deutschland. Zusammen mit deiner Familie hast du erst in einer Asylbewerberunterkunft gelebt. Wie war es für dich und deine Familie, aus einer anderen Kultur kommend, fern von der Heimat deiner Eltern, sich hier zurechtzufinden?
„Ich war ein Kind und Kinder leben sich für gewöhnlich schnell ein. Für meine Eltern war es zu Beginn schwieriger, sich hier zurechtzufinden, aber das haben sie uns nie spüren lassen.“
Denkst du, dass gerade dein Hintergrund und dein Lebensweg dir besonders viel Motivation gegeben haben, dich für Benachteiligte stark zu machen? Gab es vielleicht einen prägenden Moment in deinem Leben, der dich dann auch zu „Vision for Children“ geführt hat?
Mittlerweile bist du schon acht Jahre im Vorstand der Organisation. Was genau sind deine Aufgaben und wie schaffst du es, dich neben deinem Beruf als Architektin ehrenamtlich zu engagieren?
Bild: Malte Metag
Bei vielen Hilfsorganisationen stellen sich viele Menschen die kritische Frage, ob die Spenden wirklich auch bei den Bedürftigen ankommen. Wie geht ihr mit dem Thema um?
„Ich verstehe die Bedenken. Deshalb gehen wir sehr offen mit diesem Thema um. Online wie offline stellen wir unseren Spendern und Spenderinnen alle Informationen, Ergebnisse und Fortschritte der Arbeit ausführlich dar, etwa durch Jahresberichte und regelmäßige Postings. Zudem sind wir Unterzeichner der ‚Initiative Transparente Zivilgesellschaft‘. Wir bieten damit freiwillig auf der Website Informationen an, die über die gesetzlichen Veröffentlichungspflichten für gemeinnützige Organisationen in Deutschland hinausgehen. Aber das allerwichtigste für uns ist, dass wir nah und greifbar sind. Auf ‚Meet Ups’ berichten wir persönlich von unserer Arbeit, den Projekten, dem Team und stehen jeglichen Fragen Rede und Antwort. Uns ist es wichtig, dass Interessierte die Möglichkeit bekommen, sich selbst von Visions zu überzeugen.“
Hattet ihr von Anfang an Zuspruch von anderen bekommen oder verlief der Aufbau eurer Organisation erstmal schleppend? Gibt es auch heute noch Schwierigkeiten – finanziell, aber auch im Hinblick auf die Projekte, die ihr in Entwicklungsländern mit anderen Gesetzen umsetzen möchtet – mit denen ihr euch rumschlagen müsst? Wenn ja, wie löst ihr diese?
„Oh nein, als wir vor elf Jahren angefangen haben, war die Spendenbereitschaft uns gegenüber geringer. Wir hatten daher große Schwierigkeiten mit der Finanzierung der Projekte. Aber die finanziellen Schwierigkeiten sind nicht die Einzigen, es geht natürlich auch um kulturelle Hürden. In Afghanistan und Uganda haben wir es aber mittlerweile durch viel Respekt, Verständnis und Kommunikation geschafft, die Akzeptanz der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen. Dadurch werden nicht nur von uns unterstützte Bauten sehr gut angenommen. Auch bei den Maßnahmen zum ‚Capacity Building‘ (Workshops, in denen wir die Themen Hygiene und Gesundheit behandeln) oder bei den Lehrertrainings sind die Teilnehmerzahlen sehr hoch und sowohl die Lehrer*innen als auch die Schüler*innen nehmen unser Angebot dankend an.“
Bild: Malte Metag
Uganda, Afghanistan, Togo und Sri Lanka sind einige der Länder, in denen ihr mit euren Projekten aktiv wart und seid. Kannst du mir von dem Ablauf eines Projekts erzählen? Wie geht ihr vor und wie lange dauert es, bis ihr das Ziel dann auch umsetzen könnt und die Kinder zum Beispiel zur Schule gehen können?
Und jetzt warst du auch wieder für eine Woche in Uganda. Welche Ziele hattet ihr euch für diese Projektreise genau gesetzt?
„Wir waren fünf Tage in Katosi, einem kleinen Dorf am Viktoriasee. Nachdem wir dort letztes Jahr die Schule für die etwa 170 Schüler der ,St. John Bosco School‘ eröffnet haben, begann Anfang des Jahres der Bau der Sanitäranlagen. Während unserer Reise wurden diese fertiggestellt, sodass wir sie einweihen und die Durchführung der Workshops anschieben konnten. Danach waren wir noch zwei Tage in Kampala, um befreundete NGOs zu treffen und unser Netzwerk zu erweitern.“
Bilder: Malte Metag
Was geht einem denn durch den Kopf, wenn man vor einer zerstörten Schule steht?
Und wie geht ihr mit der schwierigen Situation um, die vor Ort herrscht und die ihr hautnah miterlebt?
„Ich denke, jeder geht auf seine Art und Weise damit um. Die Landschaften sind idyllisch schön und die Menschen strahlen so eine Lebensfreude aus, dass das Leid nicht immer spürbar ist. Nichtsdestotrotz herrscht eine ungerechte Situation und wir versuchen gemeinsam mit den Menschen vor Ort, diese zu verbessern. Durch unsere Erfolge wird mir der Umgang mit den Umständen erleichtert.“
Was nimmst du dann auf diesen Reisen persönlich für dich mit? Gab es Menschen, die du während deiner Arbeit vor Ort kennengelernt hast, die dich inspiriert haben?
„Wenn ich mit den Schülern und Schülerinnen zusammen bin, eine neue Schule einweihe oder die tiefe Dankbarkeit und Hoffnung der Menschen spüre, dann verstehe ich jedes Mal aufs Neue den Sinn, den Zweck und die Notwendigkeit unserer Arbeit.“
Und wie sieht euer Engagement hier in Deutschland aus?
Was sind eure weiteren Pläne – national und international?
Bild: Malte Metag
Denkst du denn, dass die „2030 Agenda” des UN-Sozialpakts – Bildung für alle – ein realistisches Ziel ist?
Was müsste sich da verändern, um einen großen Schritt nach vorne zu machen?
„Die frühkindliche Bildung und die Bildungsqualität an Schulen sollte stärker gefördert werden. Besser ausgebildete Lehrer, vollwertig ausgestattete Schulen und gute Infrastrukturen, die das Lernen fördern, sollten grundsätzliche Voraussetzung für Kinder weltweit sein. Um einen großen Schritt in diese Richtung zu machen, wäre es sicher hilfreich, wenn alle in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen Akteure noch stärker miteinander und mit der einheimischen Bevölkerung zusammenarbeiten würden, um kontraproduktive ‚Alleingänge‘ zu vermeiden, sich gegenseitig zu unterstützen und Ressourcen nicht unnötig zu verschwenden.“
Hast du vielleicht einen Tipp, den jeder, der sich gerne engagieren möchte, leicht umsetzen und in seinen Alltag integrieren kann, um etwas Gutes für andere zu tun?
Falls ihr Hila und ihre Arbeit unterstützen wollt, hier geht‘s zur Website von Visions for Children.
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