Foto: MentorMe

Karin Heinzl: „Geisteswissenschaftler tun sich nicht schwer – aber die Unternehmen“

Geisteswissenschaftler sind schwer vermittelbar? Das soll sich mit MentorMe ändern.

 

Gemeinsam ist man stärker

Geisteswissenschaftler gelten in der Regel als schwer
vermittelbar für Jobs in der Wirtschaft. Damit sich das ändert, hat Karin Heinzl MentorMe ins Leben gerufen, ein Mentoring-Programm, das Studentinnen der
Geisteswissenschaften mit Mentoren zusammenbringt. Gemeinsam
mit ihnen wird dann ein Jahr lang ein mögliches Berufsprofil entwickelt
– kostenlos. Ein Gespräch über das Programm, die Hürden, die vor Berufsbeginn zu
meistern sind, die Probleme, die Arbeitgeber mit diesem Fachbereich haben und
den Berufseinstieg von Karin, die selbst Geisteswissenschaften studierte.

Karin, um was geht’s genau bei MentorMe?

„MentorMe bietet Studentinnen der Sozial- und Geisteswissenschaften
in Berlin und Umgebung ein einjähriges berufliches Mentoring-Programm. Im
Prinzip baut sich das auf drei Säulen auf: ein individuelles Mentoring zwischen
Mentee und Mentor, Offline-Workshops und Online-Seminare zu Selbstmanagement
und Leadership und Netzwerkevents und -veranstaltungen für Mentees und Mentoren.“

Nach welchen Kriterien stellt ihr denn die Paare zusammen?

Für Studentinnen, die Mentees und Berufserfahrene, die
Mentoren werden wollen, bieten wir Online-Formulare auf unserer Website an. Im Formular
werden nicht nur formelle Daten abgefragt, wie Alter, Studium, Uni, Alter,
Berufswunsch, uns interessiert auch ganz persönliche Dinge wie die Motivation
zum Mentoring und was die Studentinnen tun würden, wenn Geld keine Rolle
spielte
. Was uns nicht interessiert sind Noten, Herkunft, Religionen und solche
oberflächlichen Dinge, die im Kern wenig bis nichts über einen Menschen
aussagen. Verbunden mit dem Lebenslauf der Studentinnen helfen uns diese
Informationen, einen ersten Eindruck zu bekommen.“

Wie geht’s dann weiter?

„Danach sprechen wir oftmals mit den Studentinnen und
Berufserfahren persönlich, um zu erfahren, wohin sie privat und beruflich wollen.
Aus unserem Mentoren-Pool versuchen wir dann für die jeweilige Mentee den Mentor oder die
Mentorin zu finden, die am besten passt. Oft begeben wir uns dabei selbst auf
die Suche nach Mentoren mit entsprechenden beruflichen Erfahrungen. Wir wollen
Mentoring-Teams, die sich das Mentoring miteinander vorstellen können. Deshalb
schicken wir Mentees und Mentoren die Profile des anderen zu. Wenn von beiden
Seiten ein ‚Go’ kommt, machen wir das finale Matching.“

MentorMe-Gründerin Karin Heinzl. Bild: MentorMe

Wie viele Paare konntet ihr denn bereits vermitteln und wie
ist da das Feedback?

„Die Rückmeldung war in kürzester Zeit sehr hoch und
erfreulich: Für das Programmjahr 2015/16 haben wir 49 Mentees. Daraus konnten
wir in wenigen Wochen 38 Mentoring-Teams erfolgreich matchen. Für 11 Mentees
suchen wir noch nach passenden Mentoren/innen. Wer also Lust auf eine
Mentorschaft hat, kann sich gerne bei uns melden! Vor allem hat die Rückmeldung aber klar gezeigt, dass
der Bedarf an unserem MentorMe-Programm da und das Potenzial dahinter enorm ist.“

Können die Studentinnen auch die Netzwerke ihrer Mentoren
nutzen?

„Ja, die Mentees sollen auch von den persönlichen Netzwerken
ihrer Mentoren profitieren. Wenn ein Mentor auf eine Frage keine Antwort hat,
kann er oder sie das eigene Netzwerk oder das anderer Mentoren von MentorMe nutzen,
um der Studentin weiterführend zu helfen. Eine weitere Möglichkeit ist, der Mentee
das eigene Arbeitsumfeld zu zeigen, indem der Mentor sie zu sich in die
Arbeit einlädt und herumführt.“

Warum tun sich Studentinnen der Geisteswissenschaften denn
eigentlich so schwer – schließlich könnte man ja sehr viele Jobs mit dieser
Ausbildung machen?

„Es sind weniger die Studentinnen, die sich mit etwas schwer
tun, als die Hürden, die ihnen den Übergang von Studium in den Beruf
erschweren. Diese Hürden kommen oft von Unternehmensseite. Aus Sicht vieler
Arbeitgeber haben sie kein klares Berufsbild und ihre Kenntnisse werden
unterschätzt. Dazu kommen betriebliche Rollenerwartungen („drohende
Schwangerschaft
“), Unterschiede in Gehältern,  da Frauen im Durchschnitt 22 Prozent
weniger als Männer verdienen und Ungleichgewichte in Führungspositionen. Der
Berufseinstieg bringt für sie also Unsicherheiten mit sich.“

Wie ist denn eigentlich dein Background? Hast du die
Initiative gegründet, weil du selbst diese Erfahrung gemacht hast, nicht zu
wissen, wie es nach dem Studium weitergeht?

„Ja, ich selbst komme aus der Sozialwissenschaft. Ich habe
Kommunikationswissenschaft in Wien und später Political Management in
Washington DC studiert. Und ja, auch ich musste vielen Hürden nehmen, bevor ich
der Praktikumsspirale entfliegen konnte. Zum Beispiel musste ich mich, als
ich von Amerika nach Deutschland kam – mit einem Magister und einem Master in
der Tasche – mit einem 400€ Praktikum zufrieden geben. Erst nach viel harter Arbeit
und neu geschaffenen Kontakten gelang mir den Sprung in den Job. Danach war es
leichter. Ich kenne also die Situation, in der sich sozial- und
geisteswissenschaftliche Studentinnen von heute befinden. Genau so geht es
meinem ganzen Team – und deshalb wollen wir den Studentinnen von heute helfen.“

Mit welchen Sorgen wenden sich denn die Studierenden
hauptsächlich an euch – und mit welchen Wünschen?

„Die Sorgen können persönlicher Natur sein, wie etwa: „Bin ich gut
genug im Vergleich zu meiner Konkurrenz?“ oder „Wie mache ich Small Talk?“ Oder sie sind beruflicher Natur wie: „Ich weiß noch nicht, was ich machen will“ und „Ich
will keinen 40-Stunden Job, weil ich mich auch ehrenamtlich engagieren möchte“. Die Wünsche gehen tendenziell und erfreulicherweise in Richtung
Selbstbestimmung, persönliche Entfaltung und gesellschaftliches Engagement.“

Und welche realen Hürden haben sie zu bewältigen?

„Die Hürden beginnen mit der eigenen Unsicherheit und gehen
über zum fehlenden Praxiswissen. Diese Unsicherheiten wollen wir mit dem
Mentoring und unserem Workshop- und Seminarprogramm nehmen. Externe Hürden sind
oftmals das fehlende Netzwerk. Auch hier wollen wir mit Networking Events und
Veranstaltungen helfen. Wenn sie diese überkommen, können sie auch die Konkurrenz
aus wirtschaftlichen Studien und Vorurteile ihren Fähigkeiten gegenüber
selbstbewusst begegnen.“

Welchen Leitsatz gibst du Studentinnen mit, die nicht
wissen, wie sie ihr Studium einem Personaler gut verkaufen sollen?

„Sag, was du kannst, was du nicht kannst und sag das mit
Selbstvertrauen in deine Fähigkeiten! … Und wir von MentorMe übernehmen den Rest
(lacht).“

Mehr bei EDITION F

Geisteswissenschaften, und dann? Weiterlesen

Jobsuche nach dem Studium: Wie ich begann, mich mit einem Master auf Aushilfsstellen im Drogeriemarkt zu bewerben. Weiterlesen

Karrieretipps schön und gut – aber erst einmal muss ich meine Miete bezahlen können. Weiterlesen

Anzeige