Von der TV-Redakteurin in der Großstadt zur Winzerin im kleinen Ort. Mit 30 Jahren hat Katharina Wechsler ihr Leben noch einmal komplett auf den Kopf gestellt.
„Fachwissen alleine macht noch keinen außergewöhnlichen
Wein“
Exotisch sind Familienbetriebe sicherlich nicht, dass sie allerdings
auch in der nächsten Generation von den Kindern weitergeführt werden, ist
längst nicht mehr selbstverständlich. Auch Katharina Wechsler hatte zunächst so
gar kein Interesse daran, den Rest ihres Lebens in einem kleinen Ort in Rheinhessen zu verbringen, um dort als Winzerin auf dem elterlichen Weingut zu
arbeiten. Sie zog lieber in die weite Welt hinaus und begann in der
Medienbranche zu arbeiten – bis ihr schließlich doch bewusst wurde, dass ihr berufliches Glück immer viel näher lag, als sie es zunächst vermutete.
Was bis zu dieser Entscheidung passierte, wie es ist, auf
einem Weingut aufzuwachsen und was sie als Winzerin ausmacht, das hat Katharina
uns erzählt
Katharina, du stammst aus einer Winzerfamilie und führst
heute das Weingut Wechsler in Rheinhessen. Doch bevor du in die Fußstapfen
deiner Eltern getreten bist, ging es erst einmal nach Berlin. Warum hast du das
gebraucht und in welchem Beruf hast du dort gearbeitet?
„Ich habe elf Jahre Distanz von meiner Heimat Westhofen gebraucht,
bis ich mich entschlossen habe, das Weingut meiner Eltern zu übernehmen und
Winzerin zu werden. Ich hatte es nach dem Abitur ziemlich eilig, das beschauliche
Landleben hinter mir zu lassen und zog für ein Jahr nach Paris. Anschließend
studierte ich Sozialwissenschaften in Stuttgart, sah aber meine Zukunft nie in
einem klassischen Berufsfeld. Meine Interessen lagen mehr im Musik- und
Fernsehbusiness und so machte ich einige Praktika und Nebenjobs bei
Plattenfirmen und Booking-Agenturen. Nach dem Studium zog ich nach Berlin und
begann einen Job in der Presseabteilung von Sat.1 und wechselte dann in die
Redaktion des Mittagsmagazins. Nachdem die Sendung eingestellt wurde, arbeitet
ich als Redakteurin bei einer TV Produktionsfirma. Das Leben in Berlin habe ich
sehr gemocht, auch wenn es damals in der Fernsehbranche für mich keine wirklich
interessante Perspektive gab. Ich kündigte also meinen Job und nahm mir eine Auszeit,
um über meine Zukunft nachzudenken.“
Gab es neben dem allgemeinen Gefühl auf der Suche zu sein,
einen bestimmten Auslöser, der dir klar gemacht hat: Ich will Winzerin sein und
ich will diesen Beruf in meiner Heimat ausüben?
„Kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag hatte ich ein
Telefonat mit meiner Mutter, die mir über die Situation bei uns Zuhause
berichtete. Ganz neutral und ohne Erwartungen erzählte sie mir, wie mein Vater,
der damals auf die 70 zuging, den Betrieb ohne Aussicht darauf, dass eines
seiner Kinder übernimmt, führt und jeden Tag aufsteht und arbeitet. Ich dachte
immer, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn das Weingut irgendwann
aufgegeben wird, vielleicht verkauft oder die Weinberge und das Land verpachtet
würden. Es stand für mich schließlich nie zu Debatte zurückzugehen, geschweigen
denn Winzerin zu werden. Doch plötzlich spürte ich eine Verbundenheit zu dem,
was da seit Generationen von Eltern an ihre Kinder weitergeben wird und dachte
ich könnte es mir ja mal anschauen. Die Idee etwas aus dem Weingut zu machen
setzte sich in meinen Kopf. Ich fuhr für ein paar Tage nach Hause und wollte sehen, ob ich mir ein Leben dort mittlerweile
vorstellen könnte. Das Potential des Betriebes wurde mir sehr schnell bewusst
und nur acht Wochen nach diesem Besuch packte ich meine Koffer in Berlin, zog
zurück nach Westhofen und begann mein erstes Winzerpraktikum.
Ein langer Weg zurück. Hat dich zuvor vielleicht auch die
Verantwortung abgeschreckt – oder auch die Erwartungen an dich? Sicherlich
haben deine Eltern gehofft, dass du auch Winzerin wirst.
„Die Angst vor Verantwortung war es nicht. Als Kind hatte
ich ein prägendes Erlebnis: Ein schlimmer Hagelsturm Mitte August zerstörte
fast unsere komplette Wein und Getreideernte. Die Hilflosigkeit der Launen der Natur
gegenüber empfand ich immer als etwas Bedrohliches, weil ich damals spürte,
dass das unkalkulierbar und existenzbedrohend sein kann. Auch mein Interesse am
Betrieb war immer sehr gering. Daher gab es keine Erwartungen mir gegenüber, den
Betrieb zu übernehmen. Zumindest habe ich diese nie gespürt.
Katharina in ihren Weinbergen. Foto: Weingut Wechsler
Wie ist es eigentlich, auf einem Weingut aufzuwachsen?
„Ich hatte eigentlich eine schöne Kindheit, obwohl die
Arbeit und der Betrieb immer im Mittelpunkt standen. Urlaube oder freie Wochenende
kannte ich nicht, da bei meinen Eltern immer gearbeitet wurde. Trotzdem war das
Landleben als Kind sehr idyllisch. Wir Kinder haben viel in der Natur gespielt
und waren viel allein im Ort und draußen in den Weinbergen unterwegs. Heute
kann man sich das gar nicht mehr vorstellen.“
Wo hast du dann die Ausbildung zur Winzerin gemacht und wie
lange dauert das?
„Ich habe eine zweijährige Schule für Weinbau besucht und
dort eine Qualifikation als Betriebsleiterin erlangt. An zweieinhalb Tagen die
Woche war ich in der Schule, an den anderen Tagen habe ich bei zwei bekannten
Weingütern in den Nachbardörfern ein Praktikum gemacht. Die Schule war sehr praxisorientiert,
was mir sehr gefiel, da ich in einer relativ kurzen Zeit die wichtigsten Dinge
übers Weinmachen gelernt habe. Fast wichtiger als die Schule war aber die Zeit
in meinen Lehrbetrieben, wo ich das Gefühl und die Liebe zum Wein und einen
eigenen Geschmack erlernt habe.“
Wann hast du die erste Flasche deines eigenen Weines in der
Hand gehalten und wie hat sich das angefühlt?
„Ich war sehr gespannt, wie die Leute meinen Wein finden und
wie die Aufmachung ankommt. Meine ersten beiden Jahrgänge, 2009 und 2010, während
meiner Ausbildung waren noch sehr diffus. Ich wusste nicht so recht in welche
Richtung ich stilistisch gehen möchte. Der Jahrgang 2011, mit dem ich auch mein
neues Etikett und meine Ausstattung präsentierte, war der erste, wo ich mich 100
Prozent wiederfinden konnte und bei dem das Äußere auch zum Inhalt der Flasche
und zu meinem Charakter passt.“
Was macht einen guten Wein für dich aus und welche
Handschrift tragen deine eigenen Weine?
„Meine Weine sind sehr geradlinig. Ich mag es puristisch und
ohne Schnörkelei. Eleganz und Finesse herauszuarbeiten ist ein ganz wichtiges
Thema. Ich will keine Weine machen, die schnell langweilen, weil sie zu üppig
oder opulent sind. Außerdem soll die Herkunft schmeckbar sein.“
Was sind denn die wichtigsten Eigenschaften, um ein guter
Winzer zu sein – und warum bist du eine gute Winzerin?
„Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, einen eigenen Stil und
Geschmack zu haben. Ich musste den auch erst finden. So wie man auch Zeit
braucht, seinen Weinberge kennenzulernen und zu wissen, wie was schmeckt.
Fachwissen ist sicher auch wichtig, garantiert aber nicht, dass der Wein
außergewöhnlich wird.“
Wie sieht eigentlich ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
„Das Schöne an meinem Beruf ist, dass es eigentlich keinen
Alltag gibt. Die Arbeiten übers Jahr sind so unterschiedlich, je nach
Jahreszeit und Vegetation. Aber man muss sich auch von der romantischen
Vorstellung lösen, dass man jeden Tag selig im Weinberg steht oder im Keller
ein Gläschen trinkt. Den Wein zu verkaufen ist mindestens genauso zeitintensiv
wie ihn zu machen. Zum Glück wird deutscher Wein nicht mehr nur dort getrunken,
wo er wächst, sondern auf der ganzen Welt.
Daher ist man heutzutage vertriebsmäßig viel unterwegs im In- und
Ausland. Aber im Moment hat man fast den Eindruck, dass es sogar ein wenig zum
Trendberuf geworden ist, weil Wein einfach ein tolles Produkt ist. Sinnlich,
authentisch, regional und naturverbunden. Alles Dinge, nach denen wir uns heute
sehnen. Ich kannte diese Sehnsucht nach etwas Echtem ja auch, als ich Berlin
verlassen habe.“
Kann man den Beruf noch als Männerdomäne bezeichnen?
„Der Beruf ist sicher keine Männerdomäne mehr. Es gibt immer
mehr Frauen, die nicht nur die Verantwortung im Verkauf oder Vertrieb haben,
sondern auch im Keller und auf dem Weinberg. Ich glaube man kann im Moment eher
von einem Generationenwechsel in vielen Betrieben sprechen, der sich über die
Geschlechtergrenzen hinaus vollzieht. Obwohl manche Weintrinker immer noch
behaupten, man könne schmecken, ob der Wein von einer Winzerin gemacht wurde.“
Und jetzt natürlich noch eine Frage zu einem nicht auszuräumenden
Klischee: Sind Weine mit Schraubverschlüssen wirklich grundsätzlich von
schlechterer Qualität?
„Das ist ein längst überholtes Vorurteil. Schraubverschlüsse
sind mittlerweile Standard und es sagt nichts über die Qualität des Weines aus.
Der größte Vorteil ist, dass man sich über Korkschmecker, die bei Naturkorken
immer mal wieder vorkommen können, keine Sorgen machen muss. Es gibt doch
nichts Ärgerlicheres, als eine Flasche Wein, die vielleicht auch teuer war und
auf die man sich freut, aber einen fiesen korkigen Geschmack hat. Das kann
einem mit Schrauber nicht mehr passieren.“
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