Foto: Kevon Delvecchio | unsplash

Ich will keine feste Beziehung: Warum Monogamie für mich nicht funktioniert

Die einzig wahre Liebe ist immer noch der große Wunsch vieler Menschen. Nur warum sollten wir unsere Liebe nicht einfach auf mehrere verteilen?

Die Liebe fürs Leben

2016 ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD), dass knapp 53 Prozent aller Deutschen ab 14 Jahren eine glückliche Partnerschaft für wichtig halten. Glückliche Partnerschaft, was ist das genau? Wie wird sie definiert und vor allem: Wer definiert sie?

In unserer Gesellschaft herrscht noch immer die Meinung vor, eine monogame Zweierbeziehung müsse unser Lebensziel sein. Laut Statista glaubten 2016 74 Prozent von knapp 1.000 befragten Personen an eine Liebe fürs Leben. Im Grunde genommen eine logische Konsequenz einer Gesellschaft, die sich immer noch eher auf ein konservatives Familienbild stützt: Monogamie, Ehe, Kinder. Der Mann verdient die Brötchen, die Frau steht am Herd. Da ist eh kein Platz für mehr Liebe.

„Wie kannst du denn noch single sein?“

Diese patriarchale Grundstimmung bekommt man – vor allem als Frau – mit zunehmendem Alter immer öfter zu spüren. Wenn Freundinnen vermehrt an Verkupplungen denken, wenn man ganz dezent darauf hingewiesen wird, dass man Kinder ja auch nur bis zu einem gewissen Alter kriegen sollte oder wenn eine meiner Lieblingsfragen fällt: „Wie kann eine Frau wie du noch single sein?“ Das, meine Damen und Herren, ist wirklich die beschissenste Frage überhaupt. So nett sie auch gemeint sein soll, in ihr schwingt der subtile Vorwurf mit: Wie kannst du denn noch immer nicht in einer standhaften Beziehung sein, bekommst du etwa keinen Mann ab oder was?

Ganz einfache Antwort: Doch, aber ich habe da keine Lust drauf. Das Ding ist, ich glaube zunächst schon einmal nicht an Monogamie. Jedenfalls nicht für mich. Für andere mag sie das Richtige sein, aber ich befinde mich in einer Lebenssituation, in der sie einfach nicht funktioniert. Und nie funktioniert hat.

Unabhängig, frei und das tun, was man möchte

Aufgewachsen in einem Elternhaus, das mich glücklicherweise niemals eine stereotype Trennung von sogenannten Frauen- oder Männersachen spüren ließ, dachte ich in meinen jungen Jahren nie daran, dass es für Frauen zum Problem werden könnte, offen mit ihrer Sexualität umzugehen. Als ich mit 17 meinen ersten und letzten festen Freund hatte, hatte ich noch keinen blassen Schimmer von dem, was ich eigentlich wollte. Bereits nach drei Monaten stellte ich fest: Eine feste Beziehung war es jedenfalls nicht. Ich wollte unabhängig sein, frei, das tun können, was in meinem Interesse liegt, was mir gut tut. Und: Da ist mehr Liebe in mir, als schlicht für einen Menschen.

„Es ist nicht einmal so, dass wir denken, wir lägen richtig. Wir sehen es bloß als den einzigen Weg“, sagt die US-amerikanische Professorin in Philosophie und Gender Studien Dr. Terri Conley über monogame Zweierbeziehungen. In einer Studie der Universität von Michigan untersuchte sie bisherige Forschungen über Monogamie und stellte zunächst fest, dass Forschende oft selbst nicht aus ihrem Gesellschaftsbild befreit seien, um eine andere Form überhaupt anerkennen zu können. Bei ihnen wird die nicht-monogame Beziehung meist als funktionsunfähig dargestellt. Conleys Studie hingegen zeigte, dass es keinerlei Unterschiede zwischen monogamen und nicht-monogamen Beziehungen gäbe.

Monogamie ist nicht von der Natur vorgesehen

Einen Schritt weiter noch gehen die Autoren Christopher Ryan und Cacilda Jethá, die in ihrem Buch „Sex. Die wahre Geschichte“ Monogamie als nicht von der Natur vorgesehen deklarieren. Bereits unsere Vorfahren, schreiben sie, waren in ihrer Sexualität alles andere als exklusiv. Das gilt auch für monogame Beziehungen – in denen die Wahrscheinlichkeit zur Untreue per Definition schon höher liegt. In Studien der vergangenen Jahre, wie beispielsweise eine der britischen Universität Oxford, gestanden fast mehr als die Hälfte der teilnehmenden Probanden einen Betrug.

Es scheint also so, als gingen eh alle fremd – wenn auch manche nur gedanklich. Wieso sollte ich dann auch an Monogamie glauben? Es gibt auch andere Konzepte, zahlreiche, viele davon sind zwar irgendwie da, aber noch längst nicht etabliert. Sie alle eint: Man kann lieben, wen man will. Und wie man will. Solange alle Beteiligten damit einverstanden sind. „Sexuelle Treue im umfassenden Sinn ist unmöglich. Wir können uns die Lust versagen, wir können so tun, als gäbe es sie nicht. Aber es ist eine Täuschung“, schrieb die Autorin Michèle Binswanger in der „ZEIT“.

Schon in den 1970ern kritisierte Germaine Greer in „Der weibliche Eunuch“ die Rolle der Frau in einer eingepferchten Beziehungsrolle, die mit der Realität nicht viel zu tun hätte. In ihrem Buch befasste sich Greer, eine der wichtigsten Feministinnen der damaligen Frauenbewegung, mit dem Mythos des „weithin anerkannten Hirngespinsts heterosexueller Liebe in unserer Gesellschaft“. Heute entdeckt die Autorin Christiane Rösinger die Pärchenlüge, die im Grunde aus einem ganzen Lügenkomplex bestünde. „Das Pärchentum ist eine sehr anfällige, unstabile, auf wackeligen Kompromissen beruhende Organisationsform, die in den meisten Fällen nur aufrecht erhalten werden kann, wenn einer der Partner seine Bedürfnisse unterdrückt und sich dem anderen unterordnet“, schreibt sie in ihrem Sachbuch „Liebe wird oft überbewertet“

Sich nicht zu binden, heißt nicht, nicht zu lieben

Als ich mit 18 meinen heutigen Lebensstil begann, musste ich mir in den kommenden Jahren trotzdem vieles anhören. Immer wieder stoße ich an Grenzen, auf Unverständnis und Abwehrhaltungen gegenüber meines Lebensstils, sowohl von innen als auch von außen. Das zeigt sich, wenn meine Freundin mir zum Beispiel unterstellt, dass ich mich ja nur nicht trauen würde, wenn ich eine offene statt eine monogame Beziehung eingehe. Oft wirkt es, als glaube man mir einfach nicht, dass ich andere Interessen pflege, als eine bindende Partnerschaft einzugehen.

Solche Dinge passieren mitnichten nur im Single-Leben. Gerade in polyamoren Beziehungen scheinen Vorurteile groß. „Wenn ich über Beziehungsprobleme reden wollte, kamen häufig Sätze wie ‚Aber meinst du nicht, das liegt daran, dass ihr nicht monogam miteinander seid?‘“, erzählt mir eine Bekannte, die sich seit Jahren für Polyamorie entschieden hat. „Nicht-Monogamie ist äußerst vielfältig und hat kaum bis keinen Einfluss darauf, wen ich attraktiv finde, oder wem ich mich anvertraue“, sagt sie.

Liebe geht auch ohne Monogamie

Denn auch das wird oft verwechselt: Nicht monogam zu sein bedeutet nicht, dass man keine Liebe, geschweige denn Zuneigung für andere empfindet – und sich auch von anderen wünscht. Denn ja, selbst wenn man keine Beziehung haben will, gibt es durchaus Momente, in denen man sich die Nähe zu einem bestimmten Menschen wünschen kann. Dazu muss man keine feste Beziehung führen. Oder den Wunsch danach hegen.

Klar weiß ich auch nicht immer, was genau ich eigentlich will. Man kann Liebe in sehr unterschiedlichen Formen spüren und nach außen tragen. Ich habe außerordentlich viel Liebe für sehr viele Menschen in meinem Leben. Und da sind sicher auch Arten von Partnerschaften dabei. Manche mit und manche ohne Sex. Das muss nicht unbedingt einen Unterschied machen. Ich habe hier nicht vor, eine Liebesform als besser darzustellen.

Ich möchte nicht das monogame Paar denunzieren. Jede*r möchte bitte das Liebeskonzept wählen, womit man am besten leben kann. Ich verlange nur Akzeptanz für alternative Lebenswege. Denn wenn man sich nur mal näher umschaut und Studien glauben mag, scheint konsequente Monogamie sowieso kaum in der Realität vorhanden zu sein.

Der Originaltext von Leonie Ruhland ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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