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Mehr Professionalität, bitte! Diese Dinge erwarten Bewerber von Recruitern

Recruiting läuft heute vielfach über Online-Plattformen, zumindest für die Recruiter. Eigentlich könnte man aber auch sagen: Sie spammen Bewerber*innen und Jobsuchende zu. Dabei könnte und sollte es eine Begegnung auf Augenhöhe sein und professionell ablaufen. Zeit, dass wir mal offen miteinander reden.

 

Meine Erfahrung im Recruiting

Liebe Recruiter, 

wir müssen reden. Über meine Zeit, über eure Zeit, über Zeitverschwendung. Versteht mich nicht falsch, nicht dass ich euch nicht dankbar wäre. In meiner letzten Firma hatte ich den Job auch über eine dieser Xing-Anfragen bekommen – und das war ein wirklich guter Job in einem namhaften Konzern, endlich weg vom jahrelangen „Junior“ im Titel. Mit einem erfahrenen und sehr professionellen Recruiter, der den Bewerbungsprozess top begleitet hat.

Aber mal ehrlich: Jetzt, wo ich schon einige Jahre Berufserfahrung habe, mich stetig weiter entwickelt habe, ein zweites Studium geschafft habe und vor allem weiß, wohin ich mich beruflich entwickeln möchte, enttäuscht mich das Verhalten von Recruitern regelmäßig. Ich möchte auch von euch Professionalität erwarten. Wo sind sie denn, die erfahrenen Recruiter, die auch mal mitdenken? Oder die, die zumindest die Grundlagen kennen?

Wo Professionalität im Recruiting beginnt

Fangen wir mal mit den Basics an, der Nachrichtenaufnahme  eurerseits über Xing oder Linkedin. Erstens: Schreibt meinen Namen bitte richtig. Zweitens, ihr jungen, hippen Junior-Recruiter: Müsst ihr mich wirklich duzen und eine ganz liebe, ganz irrelevante Mail schreiben? Kann man machen, muss man aber nicht. Und liebe Recruiter, wenn ihr mir schon eine Nachricht mit Jobangebot schreibt, dann lest mein Profil zumindest richtig. Deutet es. Die für mich ansprechendste und auf mich am besten passende Anfrage, die ich jemals erhielt, beinhaltete den Satz: „Ich weiß, dass bei dir als nächster Schritt eine Senior Position ansteht.“ 

Natürlich war das geraten, aber eben sehr intelligent geraten (ich hätte auch eine Teamleiter-Position anstreben können, tue ich aber nicht). Wenn dann auch noch Fachbereich und Stadt stimmen, antworte ich aber sowas von sofort. Weiter im Text: Macht eure Hausaufgaben und checkt mal kurz gegen, ob ich nicht bereits in eurem Bewerbungsprozess drin war und vielleicht sogar einen Arbeitsvertrag vorgelegt bekommen habe, den ich dann doch nicht unterschrieb. Ansonsten: Lasst es doch bitte einfach bleiben und erspart mir eure Massenanfrage. Das ist dann nämlich für beide Seiten Zeitverschwendung!

Früher, als ich über die Premium-Mitgliedschaft eines Karriere-Portaks noch Nachrichten schicken konnte, habe ich zumindest noch eine Standard-Absage geschickt, wenn die Stelle grob vom Fachlichen passt: „Sehr geehrte Damen und Herren, beantworten Sie sich Ihre Anfrage bitte selbst. In meinem Profil steht sehr klar das Interesse Köln und nicht (!) eine neue Herausforderung in [beliebige XX km entfernte Stadt]. Beste Grüße, Frau XYZ”. Was bitteschön, liebe Recruiter, lässt euch glauben, dass ein Mensch mit einigen Jahren Berufserfahrung, einem guten Job bei einer guten Firma in Köln sich nach, sagen wir mal, Ostwestfalen (oder Berlin oder München) begeben würde? Ihr müsst doch zwischen den Zeilen sehen können, dass ich jahrelang einen elend langen Arbeitsweg gehabt haben muss und nun endlich endlich in Köln arbeite  und dann denkt ihr, ich gehe dann jetzt einfach nach… Berlin? So not happening. Nicht jeder will nach Berlin. Mittlerweile ignoriere ich also einfach alle unintelligenten Anfragen.

Wie man als Recruiter am besten anruft

Zweitens, zum Recruiting per Telefon. Ihr ruft mich gewöhnlich unangekündigt bei der Arbeit an. Ist euch eigentlich klar, wie wenige Firmen einen spontanen Rückzugsort für private Telefongespräche haben und wie gefährlich oder unangenehm das für mich ist, wenn Kollegen mithören? Schlaue Recruiter wissen, dass sie mir Fragen stellen müssen, auf die ich maximal mit ja, nein und der Nennung meiner privaten Handy-Nummer antworten werde. Brennende Fragen nach dem Arbeitsort werde ich ganz sicher auch beim größten Interesse an dem Job nicht im Teambüro stellen. „Hallo Frau XY, bitte entschuldigen Sie die Störung bei der Arbeit. Mein Name ist Herr XYZ von der Firma X und ich habe eine Stelle als xyz im Bereich X, in Branche Y und (wirklich ganz wichtig!) in der Stadt Z, wäre das für Sie von Interesse? Wenn ich Ihnen mehr dazu erzählen dürfte, würde ich Sie gerne zurückrufen. Würden Sie mir Ihre private Nummer verraten?“ 

Bei Interesse meinerseits ist so eine Anfrage tatsächlich sehr erfolgsversprechend und hat auch bereits geklappt, auch wenn der Job dann leider in der Branche war, aus der ich eigentlich weg wollte. Mir fällt aus dem Stehgreif nur eine einzige Headhunterin ein, die das so professionell gemacht hat. Dabei kann das eigentlich so schwer nicht sein. Ist euch außerdem klar, dass es Teams gibt, die mit einem Telefonkreis arbeiten? Es ist im Konzern mehr als einmal vorgekommen, dass ich den Hörer meines abwesenden Kollegen abnahm, meinen Namen nannte, und euch dann sagen musste, dass mein Kollege leider kein Interesse an eurem Job hat. Mein Favorit aber war der Anruf einer sehr jungen, sehr unprofessionellen und in meinen Augen auch sehr dreisten Recruiterin, der ich erklären musste, dass ich für den Bereich, den sie suchte, aus den und den Gründen nicht geeignet war und in welche Richtung und mit welchen Schwerpunkte sie suchen müsste. Als ob dies nicht bereits genug wäre – was dann an Dreistigkeit eigentlich nicht mehr zu überbieten war, war dann die Frage nach dem Gehalt und „was denn man so jemandem denn zahlen müsste“. Liebe Recruiter, macht euren Job doch einfach selber anstatt mich von meiner Arbeit abzuhalten.

Managt Menschen, nicht Stellen!

Und last but not least, wann fangt ihr endlich an, intelligent zu arbeiten? Weg vom Stellenmanagement und hin zum Bewerbermanagement? Kümmert euch doch endlich um die Leute und hört uns richtig zu. Speichert die Informationen zu euren potentiellen Bewerbern intelligent ab und verknüpft sie entsprechend. Die  Informationen liegen doch alle vor und wir Bewerber*innen geben sie euch freiwillig. Einmal lernte ich auf einer Afterwork-Party einen ganz netten Recruiter kennen, der mich fragte, ob ich nicht an seiner zu besetzenden Stelle als Digital-Irgendwas interessiert wäre. Nö, war ich nicht. Ich erklärte ihm, dass ich gerade einen neuen Job angefangen hätte, bei dem ich sehr zufrieden wäre. Aber in zwei bis drei Jahren würde ich mich wahrscheinlich zumindest mal sehr langsam umschauen auf dem Jobmarkt. Meine Online-Profile seien immer gepflegt. Dieses seien meine Schwerpunkte, dahin würde ich mich weiterentwickelt wollen, also könne er mir zu dem und dem Zeitpunkt den und den Job vorschlagen. Das Ganze könne er ja prima in einer Datenbank hinterlegen und sich auf Wiedervorlage legen. Der Recruiter hat mich auf den Tag genau nach zwei Jahren tatsächlich auf Xing kontaktiert, und zwar mit den Worten: „Wir kennen uns doch.“ Ich muss wohl nicht sagen, dass ich ihn nicht zu meinen Kontakten hinzu gefügt hatte. Erinnern konnte ich mich tatsächlich nicht mehr an ihn, wohl aber an unser Gespräch. Scheinbar war mein Reden, darüber wo ich hin wollte, umsonst gewesen.

Also liebe Recruiter, haben wir einen Deal? Ich gebe mir alle Mühe mit meinen Online-Profilen und biete euch alle Informationen, die ihr braucht, um eure Stellen zu besetzen und euren Job ordentlich zu machen. Ihr müsst mein Profil einfach nur lesen. Keine Zeitverschwendung mehr, für euch nicht und für mich nicht. Dann habe ich hoffentlich diesmal nicht umsonst geredet.

Beste Grüße aus Köln,

eure Maria

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