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Papa bleibt zwei Tage beim kranken Kind zu Hause? Na Bravo!

Warum kriegen Väter Lob für Dinge, die von Frauen ganz einfach erwartet werden? Zum Beispiel Kinder-Hausschuhe kaufen, Kuchen fürs Kita-Fest backen oder mit dem kranken Kind zu Hause bleiben? Die Bloggerin Patricia Cammarata hat sich dazu einige kluge Gedanken gemacht.

 

Ein dickes Lob fürs Windelnwechseln?

Für unseren Weisheitspodcast haben wir
eine Themenliste. Seit Wochen steht darin „Warum soll man Männer
nicht loben, wenn sie Windeln wechseln?“

Die Frage ist natürlich zu einfach
gestellt. Richtig müsste sie lauten „Warum soll man Väter nicht
loben, wenn sie ausnahmsweise mal Windeln bei ihrem eigenen Kind
wechseln?“. Daran musste ich denken, als ich neulich die
Schlagzeile „Tochter krank – Vizekanzler nimmt sich frei“ las.
Ein berufstätiger Mann nimmt sich frei, um sich um seine Tochter zu
kümmern – Schlagzeile!

Im Artikel steht außerdem das Zitat
„Ich bin in den nächsten Tagen häufiger zu Hause, weil meine Frau
den Spruch, dass ich immer ganz Wichtiges zu tun hätte, wenn’s zu
Hause mal Probleme gibt, nur begrenzt erträgt.“

Er ist also nicht da, weil er sich für
das gemeinsame Kind mitverantwortlich fühlt?

Weiter steht im Artikel „Es ist nicht
das erste Mal, dass Gabriel offensiv mit seiner Vaterschaft umgeht –
was seinem Image zumindest nicht schaden dürfte.“ Denn! Vor zwei
Jahren (!) kündigte er an, dass er an einem (!) Nachmittag in der
Woche frei nimmt, um seine Tochter vom Kindergarten abzuholen.

Ob jetzt Herr Gabriel selbst seine
Leistung als Vater so in der Öffentlichkeit dargestellt haben möchte
oder nicht, sei mal dahin gestellt. Interessant ist der Umstand
alleine, dass es eine Schlagzeile wert ist, wenn ein Vater (in einer
wichtigen beruflichen Position) sich um seine kranke Tochter kümmert.

Ich musste da an den Artikel von Jochen
König (u.a. Autor von „Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern,
und anderen Familien
“) zum Thema „Feministische Vaterschaft
denken. Er schreibt darin zwei für mich sehr wichtige Dinge:

„Während Väter gefeiert werden,
wenn sie nur den kleinen Finger rühren, wird von Müttern wie
selbstverständlich erwartet, dass sie nach der Geburt eines Kindes
ihre persönlichen Bedürfnisse zurückstellen und im Zweifelsfall
auch komplett alleine für das Kind sorgen.“

und:

„Bei genauerem Hinsehen und
Nachfragen wird deutlich, dass die unsichtbaren Arbeiten dennoch fast
immer ausschließlich an der Mutter hängen bleiben. In einer
Auseinandersetzung um feministische Vaterschaft muss deshalb auch
über „unsichtbare Arbeit“ gesprochen werden: Wer bleibt zuhause,
wenn das Kind krank ist? Wer wird vom Kindergarten angerufen, wenn es
dem Kind nicht gut geht? Wer hat im Blick, wann die nächste Impfung
oder Vorsorgeuntersuchung bei der Kinderärztin ansteht und ob sich
noch genügend passende Klamotten im Kinderkleiderschrank befinden?
Wer geht mit dem Kind neue Schuhe (auch Hausschuhe für die Kita)
kaufen? Wer besorgt das Geburtstagsgeschenk für den
Kindergeburtstag? Und wer fordert immer wieder Gespräche darüber
ein, wie das Ganze aufzuteilen ist?“

In meinem „Maternal
Gatekeeping
“-Artikel schreibe ich auch über diese Aufgaben und
über meine persönliche Erfahrung, irgendwann von genau diesen
Aufgaben und Verantwortlichkeiten erschlagen worden zu sein.

Um auf die Einstiegsfrage zurück zu
kommen: Ich glaube, diese Einstellung, dass ein Vater gelobt werden
sollte, wenn er sich beteiligt, kommt genau von dieser
Geisteshaltung, die mir immer wieder begegnet: Die Frau/Mutter wird
in den meisten Fällen nämlich als Hauptverantwortliche in Sachen
Elternarbeit gesehen. Gleichberechtigung und/oder Beteiligung
bedeutet für viele Männer: die Frau erstellt To-do-Listen und
delegiert einzelne Aufgaben an den Mann. Der erledigt sie und weil er
ja was für die Frau tut, ist ihm zu danken. Der Frau ist nicht zu
danken, denn die übernimmt zwar die Verantwortung, die Planung und
einen Hauptteil der Aufgaben, aber es ist eben ihre per Geburt
zugeteilte Aufgabe, Mutter und Familienmanagerin zu sein. Sie leistet
ihr Soll.

An anderer Stelle schreibe ich dazu:

„Es gibt tatsächlich einen
Unterschied zwischen der Vater- und der Mutterrolle: Der Vater kann
entscheiden, ob er sich an der Elternarbeit beteiligen möchte oder
nicht. Die Mutter hat diese Option nicht. Eine Mutter, die sich der
Elternarbeit verweigert, ist eine Rabenmutter, ein schlechter Mensch.
Ein Vater lediglich nicht modern eingestellt, kein ,neuer Vater’. Die Ausgangsbedingungen für die
Bewertung ihrer Elternarbeit sind verschieden: Alles, was die Mutter
tut, ist selbstverständlich. Sie hat schließlich einen
Mutterinstinkt. Man geht davon aus, dass sie alles kann. Es liegt ihr
in den Genen. Mutterschaft ist ein ganz natürliches Verhalten. Es
wird erwartet. Lob gibt es nicht. Denn selbst wenn die Mutter allen
Pflichten nachkommt, erreicht sie nur eines: Sie trifft die
Erwartungen. 
Beim Vater ist die gesellschaftliche Messlatte in
Sachen Elternschaft eine ganz andere: Alles, was er tut, ist ,on
top. Er tut es freiwillig. Ihm gilt Dank für seinen Einsatz.“

Ebenfalls passend dazu ein älterer
Text von Antje Schrupp:

„Es geht dabei nicht nur um die
anfallende Arbeit, sondern auch um die psychische Belastung, die es
mit sich bringt, eine so große Verantwortung für die gesamte
Existenz eines anderen Menschen zu tragen. Bei der Lektüre von
„Fritzi und ich“ ist mir (ich bin ja keine Mutter) sehr klar
geworden, dass es ein großer Unterschied ist, ob ich jemand anderen
beim Kindererziehen unterstütze, selbst wenn ich das in erheblichem
Ausmaß tue, oder ob ich die Person bin, an der letztlich alles
hängt.“

Und deswegen bin ich am Ende immer
wieder genervt, wenn es eine Schlagzeile wert ist, wenn ein Vater
ausnahmsweise mal seine Elternaufgaben ernst nimmt oder wie oben
beschrieben mal Windeln wechselt, mal auf den Spielplatz geht, mal
sein Kind abholt, mal abends vorliest und denke, dass er dafür kein
ausdrückliches Lob verdient.

Ganz anders ist es für mich, wenn man
sich die Aufgaben wirklich gleichwertig aufteilt. Wenn man
Verantwortung teilt, wenn man miteinander verhandelt was, wann, für
wen gut ist. Wenn auch der Vater die „unsichtbaren Aufgaben“
übernimmt. Denn durch das Gleichgewicht entsteht gegenseitige
Wertschätzung und Dankbarkeit. Für mich ist das mit dem Lob dann
eine ganz andere Sache.

Am Ende halte ich den Vorbild-Effekt,
den man unserem Vizekanzler unterstellen könnte, auch für zu
vernachlässigen.

Christine Finke schreibt in ihrem Blog
„Mama arbeitet“ weiter:

„Wer will, dass kinderfreundliche und
familienfreundliche Politik gemacht wird, muss auch oben ansetzen,
bei den Vorbildern. Deswegen gefällt mir auch, wie Manuela Schwesig
ihre zweite Elternzeit organisiert hat – nämlich mit ihrem
Ehemann, der sich um das Baby kümmern wird. Wir brauchen dringend
Vorbilder, Pioniere in der Politik, die solche Themen vorantreiben.
Drum habe ich durchaus Respekt für Sigmar Gabriel, der für dieses
Zuhausebleiben wahrscheinlich von etlichen Menschen belächelt werden
wird oder dem (vielleicht durchaus zu Recht) taktische Motive dafür
unterstellt werden. Er hätte ja auch einfach Zuhause bleiben können,
ohne das über sein Büro mitteilen zu lassen, vermute ich mal.“

Ich glaube nicht, dass diese Art
Berichterstattung in irgendeiner Form dazu beiträgt, dass

a) Väter sich mehr an der Elternarbeit
beteiligen („Ahhh, wenn der Herr Gabriel das macht, dann könnte
ich ja auch mal?“ Really???) oder

b) dadurch ein Argument bei ihrem
Arbeitgeber bekommen, sich mehr an der Elternarbeit beteiligen zu
können („Der Herr Gabriel kann sich aber auch frei nehmen!“ „Ah,
ok, ja, dann überdenken wir hier im Betrieb nochmal unsere
familienfeindliche Einstellung!“).*

Ich glaube nicht, dass das so passiert
und diese Art Berichterstattung zeigt mir wie unendlich weit der Weg
zur Gleichberechtigung noch ist.

*Im Übrigen: Es wird ja immer so
getan, als wenn Arbeitgeber es ohne weiteres akzeptieren, dass Mütter
ihren Elternaufgaben nachkommen, sich um kranke Kinder kümmern, in
Elternzeit gehen und früher nach Hause gehen, um auf den Elternabend
zu kommen und als ob das bei Vätern dann plötzlich ein ganz anderes
Thema sei.

Das ist in meinen Augen auch Unsinn,
vor allem dann, wenn es um eine ähnliche Position in der Hierarchie
geht! Ein Arbeitgeber ist entweder familienfreundlich, dann gestattet
er das Müttern wie Vätern und schafft enspechende Strukturen oder
aber er ist es nicht, dann gibt es Diskussionen, Hürden,
Degradierungen, Mobbing (Aber das Thema wäre wieder ein ganz eigener
Text…)

Nachtrag:

Ich mag ja Diskussion und setze mich
gerne mit weiteren Aspekten auseinander. Deswegen aus den Kommentaren
hochgezogen der Artikel „Lob der Superpapas“:

„Vielleicht sollte man das Ganze
überhaupt weniger als Diskurs begreifen, sondern als eine Art
Erziehung. Und da würden Mütter ja auch nicht erwarten, dass ihre
Kinder von ganz allein und stillschweigend Dinge lernen und sich
ändern. Bei Kindern gehen wir selbstverständlich so vor: Wenn das
Kind das erste Mal allein den Löffel in den Mund steckt, die Hose
anzieht, das Zimmer aufräumt, die Schulmappe packt – jedesmal wird
es lauthals gelobt. Niemand sagt: „Ist ja wohl keine große Sache,
selber essen, das macht doch jeder!” Oder „Wurde ja wohl mal
Zeit, dass du dich selbst anziehst, das ist ja wohl eine
Selbstverständlichkeit!”

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Patricias Blog. Wir freuen uns, dass wir ihn auch bei uns veröffentlichen können.

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