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Langschläfer*innen an die Macht: Wie ein paar Frühaufsteher*innen anderen den Tag versauen

Vollkommen sinnlos: Ein kleiner Teil von Frühaufsteher*innen bestimmt seit langem, wann unsere Welt sich morgens beginnt zu drehen, wann Kinder in die Schule und Arbeitnehmer*innen im Büro sein müssen. Aber das ist ineffizient und macht auf Dauer krank.

Eulen, erhebt euch!

Der frühe Vogel fängt den Wurm? Naja, vielleicht schläft er auf der Jagd nach ihm auch einfach wieder ein. Denn mit gut 65 Prozent zählt die Mehrheit der Deutschen zu den Langschläfern (die zudem später einschlafen und nicht automatisch länger ruhen) und doch funktioniert unser Alltag nach den Regeln der Morgenstund-fanatischen Minderheit. Es stellt sich jedoch die Frage, warum das so ist, denn der Zwang, nach dem Prinzip der Lerchen zu leben, kann durch langfristigen Schlafmangel krankmachen. „Zu wenig Schlaf schwächt das Immunsystem, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen sowie psychische Störungen“, sagt Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums Klingenmünster bei Landau im Interview mit der Zeit.

Gegen den Bio-Rhythmus zu arbeiten mindert aber nicht nur die Leistung von Arbeitnehmern, sondern auch von Schülern – auch Kinder und Teenager müssen dem Frühaufsteher-Diktat gehorchen und das ist besonders eklatant, weil Studien zeigen, dass die meisten von ihnen schlicht um 7.50 Uhr noch nicht funktionieren. Sie haben damit überhaupt keine Chance, sich in den ersten Stunden des Tages gut in den Unterricht einzubringen oder ihre volle Leistung in einer Klassenarbeit zu zeigen – nur, weil ihr Biorhythmus etwas anderes verlangt. Das ist unfair und es ist frustrierend, übrigens auch für viele Lehrer.

Aber auch für Arbeitgeber ist dieser Zwang zum Frühaufstehertum nicht sinnvoll, denn wenn ein Arbeitnehmer aus vollkommener Antrieblosigkeit den halben Morgen lang Kaffee trinkt und im Netz surft oder aus Müdigkeit Fehler in die Arbeit einbaut, dann wäre er Zuhause im Bett besser aufgehoben – und bleibt einfach etwas länger als die Teammitglieder, die schon früh produktiv sind. Was spricht dagegen? Wahrscheinliche das klassische: „Das haben wir eben schon immer so gemacht.“

Mehr Flexibilität entlastet und macht produktiv

Natürlich braucht es in vielen Unternehmen eine gemeinsame Kernarbeitszeit im Team und auch nicht jeder Job ist von 9-to-5 auf 11 bis 20 Uhr zu verschieben – aber in vielen Bürojobs geht das eben doch. Es spricht doch Bände, dass viele, die sich selbstständig machen, für sich neue Kernarbeitszeiten etablieren, ganz einfach, weil das für sie angenehmer und produktiver ist. Doch leider hält sich die Annahme, dass weil jemand später arbeiten kommt oder morgens einfach eine Stunde länger im Bett braucht, automatisch auch der faulere Mitarbeiter ist.

Früh aufstehen wird genauso gehypt, wie viel zu lange Arbeitstage: „Diese Maschinen, schaut, wie toll sie funktionieren!“ Ist ja auch kein Wunder, denn alle naselang liest man einen Artikel über Topmanager, die davon schwärmen, wie effizient ihr Tag ist, seit sie nur noch vier bis fünf Stunden schlafen und schon Yoga machen, bevor andere überhaupt die Augen öffnen. Dabei ist es schlicht und einfach genetisch in uns festgelegt, ob wir zu den Eulen oder den Lerchen gehören.

Es ist Quatsch, die Produktivität des Einzelnen in einer bestimmten Phase des Tages mit mehr Leistungsbereitschaft zu verknüpfen. Viel schlauer wäre es doch, wenn jeder etwas flexibler in der Entscheidung wäre, wann er oder sie produktiv ist, anstatt sich blind einem sinnfreien Rhythmus zu unterjochen, der gar nicht zu einem passt. Es ist wirklich an der Zeit, dass wir im Berufs- und Schulalltag anfangen umzudenken – denn davon haben am Ende alle was.

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