Es fällt oft nicht leicht, ein Suchverhalten zu erkennen. Doch selbst wenn man das schafft, wie geht man dann mit der Situation um?
Sucht: Was sind die Indikatoren?
„Nur noch eine Folge ‚Breaking Bad’ gucken, dann gehe ich aber wirklich schlafen!“. Oder: „Nur noch dieses Level, Schatz. Dann bin ich beim Endgegner!“ Jeder kennt das. Und was war eigentlich mit den drei Gläsern Rotwein zum Abendessen?
Suchverhalten fängt harmlos an. Mit Serien, Handy, Internet, Videospielen, Alkohol oder Nikotin. Wieder andere sind süchtig nach Sex oder Sport. Es braucht nicht mal harte Drogen. Suchtmittel lauern überall. Nur ist man deswegen ja nicht gleich süchtig. Zwischen Gewohnheit und Abhängigkeit verläuft ein schmaler Grad.
Wie oft hast du seit dem Beginn dieses Artikels eigentlich schon auf dein Handy geschaut?
Mancher mag einfach nur eine Macke haben – doch das Problem beginnt dann, wenn man die Kontrolle über das eigene Verhalten verliert.
Ich kann ohne nicht, mit geht’s mir besser!
Medizinisch gesehen ist man süchtig, wenn der starke Wunsch besteht, Suchtmittel zu konsumieren und die Kontrolle über Zeitpunkt und Menge verloren geht. Wenn man sagt: „Ich kann ohne nicht, mit geht’s mir besser!“ Aber wer gibt das schon gerne offen zu?
Schafft man es, auf Suchmittel zu verzichten und trinkt etwa plötzlich keinen Alkohol mehr, dann reagiert der Körper mit Entzugssymptomen. Und sollte es zum Rückfall kommen, braucht er nächstes Mal immer mehr Mengen an Alkohol, um den gewünschten Pegel zu erreichen.
An diesem Punkt setzt die Abwärtsspirale ein, andere Interessen werden immer mehr vernachlässigt – und auf einmal dreht sich alles nur noch um diese eine Sache. Mit der Zeit benötigt man zwar immer länger, um sich von einem Rausch zu erholen, aber die körperlichen Folgen werden Betroffenen zunehmend egal.
Und? Bei der ein oder anderen Symptomatik ertappt?
Ob man nun emotional oder körperlich von etwas abhängig ist – das Aufhören ist immer schwierig. Denn wie soll ein Süchtiger mit etwas aufhören, was er sich selbst vielleicht gar nicht eingesteht?
Was kann man also als Freund machen? Trinkt eine Freundin regelmäßig einen über den Durst oder meint ein Kumpel, sich beim Feiern jedes Mal eine Line ins Hirn ziehen zu müssen („Nur dieses eine Mal, sei doch nicht so langweilig!“), ist das soziale Umfeld gefragt. Dabei darf man jedoch nie vergessen, dass Freunde, Kollegen oder Verwandte im Falle einer Sucht auch selbst gefährdet sind.
Könnte es sein, dass du ein bisschen viel trinkst?
Vermutet man, dass jemand möglicherweise süchtig ist, sollte man ihn oder sie behutsam damit konfrontieren. Und das heißt: Nicht gleich den Schrank aufreißen und den Wodka in den Ausguss kippen. Jedenfalls nicht sofort.
Stattdessen sollte man ein Problembewusstsein schaffen. Am besten erreicht man das mit Ich-Botschaften, wie: „Ich mache mir Sorgen…“, „Ich habe das Gefühl, dass…“, oder: „Ich glaube, dein Verhalten ist nicht normal. Könnte es sein, dass du ein bisschen zu viel trinkst?“
Will der Betroffene die Argumente nicht hören, gibt es Hilfe bei Drogenberatungsstellen, oder im ersten Schritt auch durch Broschüren. Die gibt es sowohl für die Betroffenen, als auch für Außenstehende – denn jeder kann beim Helfen schnell in eine sogenannte Co-Abhängigkeit geraten. Will man sich schnell und anonym informieren, dann können Online-Tests eine erste Hilfe sein. Langfristig hilft jedoch nur eine professionele Beratung.
Wenn aus dem „Nur-helfen-wollen“ ein Problem wird
Natürlich will man für einen Freund oder die Kollegin alles tun und verheimlicht die Sucht im Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz, damit sie nicht in Schwierigkeiten geraten. Doch: Was gut gemeint ist, hilft leider nicht.
Wer nicht aufpasst, beginnt, zu bagatellisieren und blendet rationale Faktoren aus – und hilft vielleicht sogar dabei, die entsprechenden Drogen zu beschaffen. Denn das lindert zumindest kurzfristig den Leidensdruck. Zudem legen Süchtige manipulative Eigenschaften an den Tag und versprechen, es sei das letzte Mal. Wirklich. Doch: Es ist die Sucht, die hier aus dem Menschen spricht, das Suchtmonster, nicht mehr die Person, die man mal kannte.
So leiden auch alle Nahestehenden an der Sucht des anderen und das kann am Ende selbst krank und depressiv machen.
Nämlich genau dann, wenn Scham, Ohnmacht, Wut oder Enttäuschung überhandnehmen und man schließlich die Distanz verliert. Diese Schwierigkeit, sich abgrenzen zu können, führt schließlich in die Co-Abhängigkeit.
Aufhören – aber wie?
Besteht der Verdacht zur Sucht, sollte man sich fragen: Kann ich jederzeit aufhören? Oder denke ich es nur? Klar, eine Zigarette schadet nicht. Aber wie sieht das langfristig aus?
Denn auch wenn wir uns grundsätzlich im Griff haben, kommen wir nicht oder nur sehr schwer gegen das Belohnungssystem in unseren Köpfen an. Die Stimme des kleinen Teufels auf der Schulter, der sagt: „Gönn dir doch mal was!“ Er hat Unterstützung von Glückshormonen, die ausgeschüttet werden, wenn etwas Belohnendes geschieht. Oder etwas, das man dafür hält. Das Glas Rotwein oder auch eine harmlose Tafel Schokolade. Drogen aktivieren das Belohnungssystem. Beim Ausbleiben sinkt der Dopaminspiegel ab und man fühlt sich schlecht. Und genau das ist der Moment, in dem uns bewusst wird, dass die Suchtmittel nicht gut für uns sind.
Am Ende hilft nichts anderes, als diesem Bewusstsein nachzugehen und Freunde zu Rate zu ziehen – genauso wie als Freund den Mut zu haben, auch unangenehme Themen wie dieses anzusprechen. Denn insgeheim wissen wir alle ziemlich genau, wann Grenzen überschritten werden.
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