Foto: Jana Zieseniß

Und, was machst du so (beruflich)?

Mit „Und, was machst du so“ stand sie schon immer auf Kriegsfuß. Jana Zieseniß hat sich Gedanken über die leidige Smalltalk-Frage, ihre Antwort und das Schubladendenken in Sachen Berufswahl gemacht.

 

Ja, was mache ich eigentlich?

Da ist sie wieder, diese Frage, die verhasste
Frage, bei der sich mir alle Nackenhaare aufstellen. Ich laufe in einem
Budget-Fallschirmsprunganzug in Haren an der Ems herum – in der einen
Hand meine Kamera samt Mikrofon, das mir immer wieder auf den Boden
fällt, und mein Handy in der anderen. Im Kopf bin ich schon ganz bei den
Szenen, die ich für mein Youtube-Video noch abdrehen muss und der Sorge, dass beim Sprung hoffentlich
gutes Material bei rumkommt. Ich hasse es, nicht die Kontrolle über die
Kamera zu haben, aber Regeln sind Regeln und da sollte man sich dran
halten – gerade beim Fallschirmspringen.

Und da ist dann noch
dieser Sprung, für den ich gedanklich eigentlich kaum Zeit habe.
Vielleicht auch ganz gut, denn normalerweise springe ich nicht mal vom
Dreimeterbrett im Freibad, geschweige denn aus 3.000 Metern Höhe aus
einem Hubschrauber.

Die anderen Leute um mich
herum gucken neugierig, warum ich da so geschäftig am herumwusele und
ich erkläre meine Rolle bei dem ganzen Spektakel. Und da war sie.
„Machst du das beruflich?“, fragt ein nettes Mädel neugierig. Gemeint
war das Reisebloggen, was von vielen mit „kostenlos Urlaub machen“
gleichgesetzt wird.

Meine
Antwort: „Ja im Prinzip schon“. „Im Prinzip steht dabei quasi als
Platzhalter für all das, was ich eigentlich drum herum noch mache und
was eigentlich den Löwenanteil meiner Arbeit ausmacht. Aber wenn ich das
alles erzählen würde, dann hätte mein Gegenüber sicher schon beim
zweiten Wort abgeschaltet. Also habe ich es mir abgewöhnt, auf diese
Frage differenziert zu antworten.

Nein, ich studiere nicht Kochen und Putzen!

Mit
„Und, was machst du so“ stand ich eigentlich schon immer auf Kriegsfuß.
Das fing schon im Studium an, als ich auf die Frage nach meinem
Studiengang mit „Ökotrophologie“ antwortete. Darauf bekam ich genau zwei
mögliche Antworten. Und zwar entweder „Hä, was?“ oder „Ah
Ökotrophologie – dann studierst du Kochen und Putzen“.

Tatsächlich
war mein Studium mit dem netten deutschen Titel „Haushalts- und
Ernährungswissenschaften“ (der tatsächlich schnell zur oben genannten
Vereinfachung führte) eine Kombination aus Ernährungswissenschaften,
Wirtschaft und Sozialwissenschaften. Aber das interessierte natürlich
keinen.

PR – was ist das?

Da das Thema Ernährung
gesundheitspolitisch zwar enorm relevant ist, aber niemand dafür Geld
ausgeben möchte, landen viele meiner Kommilitonen – so auch ich – in
eher artfremden Berufen. Und so begann ich nach meinem Studium ein
PR-Traineeship in einer PR-Agentur für Gesundheitskommunikation. Das
machte die Frage „Und was machst du so (beruflich)?“ leider auch nicht
besser. Zwar hatte mein Beruf jetzt einen Namen, aber keiner wusste so
wirklich, was sich dahinter verbirgt.

Ich glaube, meine Eltern
wissen bis heute nicht so richtig, womit ich mich tagtäglich beschäftigt
habe und heute auch noch tue. Ich ging dazu über, den Begriff mit
„Pressearbeit“ zu erklären, was zwar nur zum Teil stimmte, aber meine
Tätigkeiten immerhin ein wenig greifbar machen. Aber auch nur ein wenig.
„Also bist du Journalistin?!“ Arrgh.

Beruf Reisebloggerin? Äh ja, im Prinzip.

Heute
ist das ganze nun noch ein wenig komplizierter. Denn wer will auf die
beliebte Smalltalk-Frage schon „Ich bin Reisebloggerin auf Sonne & Wolken, schreibe über meine Selbstständigkeit auf Chapter One Mag,
bin Social-Media-Managerin, berate Unternehmen in Sachen Blogger
Relations, bin Texterin und Onlineredakteurin, baue Webseiten und
Blogs und schreibe nebenbei ein Buch zum Thema „Lebe lieber
abenteuerlich“ hören? Eben. Niemand.

„Ist ja cool, dass du vom
Bloggen leben kannst“, lautet meist die Reaktion, die mir zeigt, dass
ich mir alles weitere nach dem ersten Punkt auch hätte sparen können.

Okay,  vielleicht war das jetzt ein bisschen zu viel pauschalisiert. Denn es
gibt sie tatsächlich, die Leute, die das tatsächlich interessiert. Die
sich meine Erklärungen zum Thema Bloggen als Beruf und Social-Media-Management tatsächlich gerne anhören. Es gab auch damals Menschen, die
die Wissenschaftlichkeit und Komplexität meines Studiums tatsächlich zu
würdigen wussten. Nur kamen eben diese auch meist aus der gleichen
Branche.

Und so werden sich auch in Zukunft bei mir wohl wieder
die Nackenhaare aufstellen, wenn jemand ansetzt zu der Frage, die in
unserer Gesellschaft anscheinend so wichtig zu sein scheint. Schublade
auf, Jana rein. Arrgh!

Wie antwortest du auf die Frage
aller Fragen? Ist das bei dir genauso schwierig oder gehörst du zu den
glücklichen mit „richtigem“ Beruf?


Dieser Artikel erschien zuerst auf Chapter One Mag, dem Blog von Christina Wunder und Jana Zieseniß. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlichen.

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