Foto: Joschko Hammermann

An die eigenen Grenzen gehen: Warum mehr Frauen surfen sollten

Sie sind noch immer in der Unterzahl: Frauen, die surfen. Aber das sollte sich wirklich ändern. Denn wer surft, kann dabei viel für den Job und das eigene Leben mitnehmen. Bestes Beispiel: Indiens erste surfende Frau Ishita.

 

Wann hast du das letzte Mal an deinen eigenen Grenzen
gerüttelt?

Im letzten Jahr habe ich surfen gelernt. Und da ich nicht
gerade Sporty Spice bin, war das eine ziemlich anstrengende Sache. Jeden Tag im
Morgengrauen raus, stundenlang aufs Brett, gegen die Wellen kämpfen, springen,
scheitern, unter Wasser tauchen, das Bord knallt an den Körper – und alles von
vorne. Was soll ich sagen? Ich hatte den Muskelkater meines Leben. Ganz zu
schweigen von den unzähligen blauen Flecken als meine tägliche „Trophäe“. Und komm
mal vollkommen kraftlos aus einem Neoprenanzug raus! Ich weiß schon, warum
das Sams sich den nie auszog.

Klingt verlockend, was? Das ist tatsächlich aber nur die
eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass ich aus dieser Zeit unglaublich
viel für mich mitgenommen habe. Ich bin von der ersten Stunde an an meine
Grenzen gegangen, und darüber hinaus. Und die Belohnung war nicht nur, über das
Wasser zu schießen – ja, stehen klappte irgendwann auch – sondern vor allem zu
wissen, dass meine Grenzen eigentlich ganz woanders liegen, als ich dachte. Und das nicht nur körperlich.

Im Wasser bist du vollkommen auf dich selbst gestellt

Ich erinnere mich an einen Tag, an dem nichts ging. Ich
kämpfte wie eine Besessene gegen die Wellen, die Unterströmung und
wurde immer kraftloser. Wut kam in mir auf – und auch etwas Verzweiflung. Am liebsten
hätte ich hingeschmissen. Und das hätte ich in einer anderen Situation
sicherlich auch getan. Aber da ich auch schon an den Tagen davor weiter gegangen war als je zuvor, machte ich eben weiter. Am Ende des Tages war ich stolz wie Bolle. Denn auch wenn ich auf dem Brett nicht geglänzt habe, wusste ich, dass ich viel erreicht hatte.

Wenn du mit deinem Board im Wasser bist, dann spürst du
einfach, was für eine Kraft das Element hat. Dass es dich tragen, aber dass es
dir auch gefährlich werden kann. Und dieses Gefühl, das
mit einem bequemen Stadtleben wie meinem fast vergessen schien, das pusht. Und wie!

Diese Situation: Nur auf sich selbst gestellt zu sein, nur
noch den Rhythmus der Wellen wahrzunehmen, auf deinen Körper so genau achten zu
müssen, dass alles andere für diesen Moment nicht mehr existent ist, ist
unfassbar großartig. Und neben all der Anstrengung die purste Entspannung. Quasi:
Urlaub vom eigenen Kopf.

Es gibt immer noch weniger Frauen als Männer, die sich in
den Sport wagen. Warum? Ich weiß es nicht. Aber es werden immer mehr – und es
herrscht eine unglaubliche Solidarität untereinander. Gehst du surfen und begegnest
einer anderen Surferin am Strand, wird sie nicht einfach so an dir vorbeigehen,
denn: Ihr seid beide eine von nicht sehr vielen. Ich kann nur sagen: Traut
euch, denn es lohnt sich! Ich kam jedenfalls mit mehr Selbstbewusstsein ob der
gemeisterten körperlichen und technischen Herausforderung, einer deutlichen höheren Frustrationstoleranz und einer neuen Sicht
auf die, die ich bin, zurück.

Für manche Frauen bedeutet surfen aber wesentlich mehr als das

Was bei mir eine gute Erfahrung für mich persönlich war, die
ich auch im Berufsleben gut gebrauchen kann, das hat für andere eine noch viel
weitreichendere Bedeutung. Für manche Frauen ist Surfen nicht nur Spaß, sondern
schenkt ihnen mehr Freiheit in einer Gesellschaft, die das so nicht für sie
vorgesehen hat. So wie bei Ishita Malaviya, die die erste Surferin Indiens
genannt wird. Denn Frauen gehen hier eigentlich nicht aufs Brett.

Darum hat
sich Ishita jedoch nicht geschert – und auch nicht darum, dass sie mit ihrem
gebräunten Teint eventuell keinen Ehemann mehr findet. Ihre Leidenschaft
hat ihr nicht nur gezeigt, was sie drauf hat, sondern ihr so viel
Aufmerksamkeit verschafft, dass es sie schließlich aus dem patriarchalen System
befreite. Ihr folgen nun ganz viele Mädchen und Frauen – und selbst ihre
Mutter, die über den Weg ihrer Tochter erst einmal gar nicht begeistert war.

Mehr seht ihr einem großartigen Video, das zeigt, dass Surfen mehr als nur
ein Sport ist.

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