Foto: Alberto Casetta | Unsplash

Trennung als Eltern: Was man vom „Co-Parenting” lernen kann

Nach einer Trennung als Eltern freundschaftlich verbunden bleiben? Unsere Community-Autorin geht der Frage nach, wie das gelingen kann.

 

Trennungen mit Kind stellen ganz eigene Herausforderungen dar 

Für viele Paare überwiegt nach einer Trennung schlicht der Wunsch, mit dem*der Ex-Partner*in so wenig wie möglich zu tun zu haben. Häufig hat sich im Verlauf der Partnerschaft gezeigt, dass die Beziehung auf der zwischenmenschlichen Ebene nicht harmoniert. Was aber, wenn ich nach einer Trennung mit meinem*meiner Partner*in zwar nicht mehr zusammenlebe, wir uns jedoch so stark als Eltern verbunden fühlen, dass wir unsere Beziehung auf dieser Ebene weiterführen wollen. Und zwar über rein formale Absprachen oder gelegentlichen Austausch hinaus?

Der Begriff „Co-Parenting” umschreibt das Eltern-Sein auf rein freundschaftlicher Basis, zwei oder mehr Menschen tun sich bewusst zusammen, um ein gemeinsames Kind zu bekommen, ohne eine Beziehung zu führen. So bekam z.B. der Berliner Autor und Referent Jochen König mit einer engen Freundin sein zweites Kind, ohne mit ihr je eine Liebesbeziehung geführt zu haben. Die Frau lebte zum Zeitpunkt der Empfängnis in einer Beziehung zu einer Frau, allerdings waren sich alle drei Beteiligten einig, dass sie gleichermaßen Eltern ihres Kindes sein wollten, auch wenn zwischen dem leiblichen Vater und der leiblichen Mutter nie eine Partnerschaft bestand. 

Zeit für neue Familienmodelle 

In „Regenbogenfamilien“, also Familien, an denen schwule oder lesbische Paare beteiligt sind, ist rein biologisch ja immer ein*e Dritte*r an der Zeugung beteiligt und es bleibt lediglich die Frage, wie eingebunden in das Leben des Kindes diese Person sein wird. Das kann unter Lesben von einer anonymen Samenspende bis hin zu aktiver Vaterschaft wie in Königs Fall variieren, unter Schwulen im Prinzip auch von der auf die Schwangerschaft beschränkten Leihmutterschaft bis hin zum gemeinsamen Aufziehen eines Kindes zu dritt oder gar zu viert (zwei Frauen und zwei Männer, die jeweils eine gleichgeschlechtliche Beziehung führen und von denen ein Mann und eine Frau die leiblichen, ihre Partner*innen die Co-Eltern sind).

Dass Familienmodelle, die Co-Parenting beinhalten, gelingen können, können viele „Regenbogen-Eltern“ bestätigen. Dass sie grandios scheitern können, wohl auch. Kompliziert wird es jedenfalls, wenn die Ursprungskonstellation sich verändert, sich die ursprünglichen Paare trennen und die Beteiligten neue Partner*innen finden. Erhält dann ein Kind, das Co-Eltern hat, noch weitere Co-Elternteile? Und welche Rolle spielen diese wiederum im Familienzusammenhang? Patchwork 2.0 … 

Vermutlich ist es letztlich eine Frage der Bindung zum Kind und der Bereitschaft aller Beteiligten, sich – in welcher Form auch immer – weiterhin als „Familie“ zu sehen, die solche komplexen Lebensformen möglich macht. 

Getrennt als Paar, als Eltern verbunden? 

Lässt sich nun all dies auf getrennt lebende, aber immer noch freundschaftlich verbundene Hetero-Eltern übertragen? Der Unterschied zu den zuvor beschriebenen Modellen besteht ja darin, dass ein ursprünglich konventionelles Modell (Vater-Mutter-Kind(er)) erst nach der Trennung in gewisser Weise „unkonventionell“ wird, indem nämlich nach einer neuen Form des Familienlebens gesucht wird, in dem die Eltern eben nicht mehr durch eine Liebesbeziehung verbunden sind. 

Nun könnte man sagen, dass diese Konstellation seit jeher in dutzenden äußerlich klassischer Familien an der Tagesordnung ist. Die Paarbeziehung ist mehr oder weniger erkaltet, man bleibt „wegen der Kinder“ zusammen, lebt die Paarebene gegebenenfalls in Form von Affären oder Nebenbeziehungen außerhalb der offiziellen Ehe und ist eben nur noch äußerlich ein Paar. 

Im Grunde würde das bewusste „Co-Parenting“ nach einer Trennung dann lediglich bedeuten, dass die Trennung auf der Paarebene auch offiziell vollzogen, die Eltern-Ebene aber bewusst als Verbindung der Eltern untereinander geschätzt – und gepflegt – wird. 

Wie kann so etwas aussehen?

Im Alltag kann diese „Beziehungspflege“ als Eltern darin bestehen, sich nicht nur regelmäßig – und über formale Absprachen hinaus – über das gemeinsame Kind auszutauschen, sondern bewusst auch mit dem Kind, bzw. den Kindern als Familie Zeit zu verbringen, z.B. in Form von Ausflügen oder sonstigen Unternehmungen im Alltag. 

Klar muss beiden Elternteilen sein, dass die Paarbeziehung endgültig beendet ist. Und natürlich ist auch hier die Frage, wie „stabil“ dieses Modell ist, vor allem, wenn sich eines der beiden Elternteile oder gar beide neu binden. Besteht dann seitens der neuen Partner*innen Eifersucht auf die noch immer enge Beziehung der Eltern? Oder behindert die Co-Parenting-Beziehung sogar den Aufbau einer Bindung an einen neuen Partner oder eine neue Partnerin? 

Nicht zu leugnen ist, dass diese Form der Elternschaft einen komplexen Prozess der Neuorientierung fordert. Die zuvor bestehende Liebesbeziehung zwischen den Eltern muss erst endgültig (auch innerlich) abgeschlossen und ihr Verlust betrauert worden sein, bevor der Weg zu einer auf Freund*innenschaft basierenden Elternschaft möglich ist. Das Freunde-Sein darf von keinem der Beteiligten als minderwertiger Ersatz für eine Partner*innenschaft angesehen werden, sondern als echte – von beiden erwünschte – Alternative. 

5 Aspekte gelingender Co-Elternschaft

„Als Paar getrennt, als Eltern zusammen“, nennt ein Ratgeber diese Form des Familienlebens. Die Tipps darin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Lernt, (wieder) konstruktiv und respektvoll miteinander zu kommunizieren

2. Seid klar und verbindlich, was Absprachen und finanzielle Regelungen angeht 

3. Es gibt nicht den einen, „richtigen“ Weg, um diese Form des Familie-Seins zu leben. Seid kreativ darin, Lösungen zu finden, die wirklich für euch und eure Kinder passen und nicht solche, die euch konventionell „erwünscht“ erscheinen. 

4. Lernt euch selbst kennen und arbeitet gegebenenfalls an euren Schwächen in Bezug auf das Modell

5. Seid stolz auf eure ganz eigene Art, eine Familie zu führen. Solange ihr und eure Kinder damit glücklich seid, ist es die beste Form für euch, völlig egal, was andere denken mögen. 

Zusammen kann es leichter sein

Meiner Meinung nach, kann dieser Weg, auch nach einer Trennung gemeinsam als Eltern „Familie“ zu sein, gerade dann regelrecht entlastend wirken, wenn die Paarbeziehung davor durch massive Erwartungen, wie eine im konventionellen Sinn „gute“ und „richtige“ Beziehung auszusehen habe, beeinflusst war. Wir können lernen, die Großzügigkeit und Gelassenheit, die wir im besten Fall unseren engsten Freund*innen entgegenbringen, einem Menschen gegenüber zu zeigen, mit dem wir eine noch stärkere und zudem lebenslange Verbindung haben, nämlich ein gemeinsames Kind. 

Ob Großzügigkeit, Toleranz und Gelassenheit nicht ohnehin die beste Voraussetzung auch für eine auf Liebe basierende Partner*innenschaft ist, sei dahingestellt. Im besten Fall bietet das Co-Parenting, Eltern, die als (Liebes-) Paar gescheitert sind, die Chance, sich als „Nur-Eltern“ tatsächlich liebevoll zu begegnen. Und in einer solchen Familie aufzuwachsen wünscht man ja eigentlich jedem Kind.

Dieser Beitrag erschien in leicht abgewandelter Form auf Sarahs Blog erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht. 

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