Foto: Cowork Klitmøller

Arbeitswelt im Umbruch: Knowledge-Worker sind gefragt

Anne M. Schüller ist Autorin des „Managementbuchs des Jahres 2014“ und erklärt, welche Fähigkeiten Mitarbeiter in der Arbeitswelt der Zukunft brauchen.

 

Die Arbeitswelt ist im Umbruch

Unsere Arbeitwelt ist globaler, digitaler und auch weiblicher geworden – und all das auf hohem Niveau. Sie ist bunter geworden, kleinteiliger und vielschichtiger. Und sie ist stärker nach außen vernetzt. Immer mehr Menschen im Zuge dieser Veränderungen zeitweilig selbstständig sein. Die lebenslange Anstellung existiert nur noch in den Geschichtsbüchern der Arbeitswissenschaft. Die Beschäftigten werden aus dem befriedeten Gelände der Firmengebäude in die freie Wildbahn entlassen. Auch Führungskräfte werden vor neue Herausforderungen gestellt: Sie müssen lernen, neue Arbeitsmodelle zu meistern sowie nicht anwesende und nicht angestellte Mitarbeiter zu führen und so schnell wie möglich produktiv zu machen.

Neue Formen der Arbeit

Neben einer Kernbelegschaft in herkömmlichen Arbeitsverhältnissen gibt es bereits zunehmend eine Zusammenarbeit ohne klassischen Arbeitsvertrag: in Projekten, mit Freelancern, mit Zeitarbeitsfirmen, mit Interimsmanagern. Es gibt mehr befristete Arbeitsverträge, höhere Teilzeitquoten, mehr outgesourcte Bereiche und eine größere Zahl an mitarbeitenden Spezialisten, Zulieferern und Businesspartnern. In Zukunft wird vor allem für Denkleistung bezahlt. Der stationäre Arbeitsplatz und das eigene Büro werden zurückgedrängt. Fernanwesenheit, eine mobile Arbeitskultur, flexible Arbeitszeitmodelle, virtuelle Teams und das Homeoffice haben Hochkonjunktur. Wissen, das noch fehlt und kurzfristig verfügbar sein muss, wird über Externe zugekauft. Man umgibt sich mit den jeweils besten Leuten für einen bestimmten Job. So werden Unternehmen zu Drehkreuzen, zu Oasen für digitale Nomaden und von „Kollaborateur-Satelliten“ umkreist.

Vielfalt, Freiraum und berufliche Autonomie

Jenseits der klassischen freien Berufe (etwa Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten) hat sich eine neue Klasse von Solo-Unternehmern etabliert: die Freelancer und selbstständigen „Knowledge-Worker“. Sie arbeiten vor allem in der IT-Wirtschaft, als Software-Entwickler, in Startups und in kreativen und beratenden Berufen. Viele von ihnen haben das Innenleben eines Unternehmens über Praktikantenverträge oder kurze Festanstellungen kennengelernt. Und oft haben sie während ihres Studiums ein erstes kleines Startup gegründet. So kennen sie beide Seiten – und sich dann für die Selbstständigkeit entschieden. Auch im Laufe ihres Arbeitslebens können sie sich immer mal wieder in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begeben, doch ihr Herz schlägt für Vielfalt, Freiraum und berufliche Autonomie.

Knowledge-Worker: zunehmend mehr Frauen

Zu den neuen Freelancern zählen auch weibliche Professionals, die der Härte männerlastiger Managementetagen entfliehen. Diese Frauen sind (sich) viel zu schade, um im „Menschenschach“ verheizt zu werden, jedenfalls nicht um den Preis von 70-Stunden-Wochen, Burnout, Mobbing und einer schlechteren Bezahlung. Bestens ausgebildet können sie sich als Selbstständige endlich entfalten und auf hohem Niveau unternehmerisch tätig sein. Noch viel mehr Frauen als heute werden das, unterstützt durch schlagkräftige Netzwerke, in Zukunft sehr erfolgreich tun. Dieser selbstverschuldete Aderlass wird allzu männlich dominierte Organisationen zusätzlich schwächen. Denn leider kann auch die Quote nichts daran ändern: Da, wo Begleiterinnen wie Trophäen vorgeführt werden, kommen sie als Ebenbürtige einfach nicht vor. Schon für ein kleines Bubenhirn war es die schlimmste Schmach, von einem Mädchen im Wettkampf besiegt zu werden. Und auch ein erwachsenes Männerhirn lässt sich nicht allzu gern von Frauen übertrumpfen.

Parallel-Universum am Arbeitsmarkt

Doch egal, ob männlich oder weiblich: Knowledge-Worker, die hochqualifizierten Wissensarbeiter unserer fortschreitenden Netzwerkökonomie, erschaffen gerade ein Parallel-Universum am Arbeitsmarkt. Es gibt sie in zwei Varianten: technologieaffine „Nerds“, die sich eher isoliert in seriellen Projekten bewegen. kollaborative Teamworker, die als spezialisierte Experten ihre Talente mit bedürftigen Unternehmen auf Zeit verknüpfen. „Sie sind Träger, Verbreiter und Vermehrer von Wissen, Mittler zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“, schreibt das Zukunftsinstitut. Im Zentrum ihrer Motivation „steht die Idee der Selbstverwirklichung im kreativen Prozess, wofür ein hohes Maß an Zukunftsunsicherheit und eine große Volatilität beim Einkommen bewusst in Kauf genommen werden.“

Wie sich Knowledge-Worker organisieren

Knowledge-Worker organisieren sich zunehmend – zusammen mit Mentoren, Investoren und Inkubatoren – in virtuellen Netzwerken und an Coworking-Orten. Kollaboration statt Wettbewerb, also miteinander statt gegeneinander, heißt ihr Erfolgsprinzip. Die zunehmende „Projektifizierung“ der Arbeit verspricht den Guten unter ihnen eine rosige Zukunft. Anbieter und Nachfrager kommen auf den unterschiedlichsten Freelancer-Plattformen zusammen, auf denen es vor Angeboten geradezu wimmelt. Hier entstehen auch neue Bewertungsverfahren, die der innerbetrieblichen Mitarbeiter-Evaluierung als Vorlage dienen können: Sterne, Punkte, Siegel und Rankings für erfolgreich durchgeführte Projekte. Der geschönte Lebenslauf von einst und das aufgehübschte Profil auf einschlägigen Portalen werden abgelöst durch ein öffentlich sichtbares Portfolio mit mehr oder weniger positiven Projektreferenzen. Der Aufbau einer positiven Reputation ist ein unabdingbares Kernelement, um in einem solchen Umfeld erfolgreich zu sein.

Neue Führungsstile werden gebraucht

Dieses neue Modell, miteinander zu arbeiten, erfordert Netzwerk-Organisatoren und Moderatoren, die das Projekt leiten. Macht- und Kontrollverlust ist eine unausweichliche Folge. Ganz andere Führungsstile rücken nach vorn: Möglichmacher und Katalysatoren werden von nun an gebraucht. Und für Führungskarrieren kommen ausschließlich Menschenversteher infrage. Den anderen ist die Führungslizenz sofort zu entziehen. Im Zuge dessen werden auch ganz neue Touchpoints, also Interaktionspunkte der Zusammenarbeit, entstehen. Hierbei betrachtet das interne Touchpoint-Management die „Reise“ eines Mitarbeiters durch das Unternehmen und geht von dessen Standpunkt aus. Es berücksichtigt die Anforderungen an unsere neue Arbeitswelt. Und es ordnet deren zunehmende Komplexität in ein Gesamtsystem.

Das Buch zum Thema, ausgezeichnet als „Managementbuch des Jahres“: Das Touchpoint-Unternehmen. Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt, Gabal, März 2014, 368 Seiten für 29,90 Euro

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