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Body Neutrality: Muss ich mich und meinen Körper wirklich abfeiern?

Die Idee hinter Body Positivity setzt voraus, dass wir unseren Körper lieben. Das ist ein ziemlich hohes Ziel. Ein neutrales Verhältnis reicht doch schon. Ein Kommentar.

Du bist, wer du bist – nicht wie du aussiehst

Üppige Frauen, die Yoga praktizieren, Dehnungsstreifen, die mit Glitzer verschönert wurden, und Models auf Laufstegen, die ganz durchschnittlich aussehen: Sie alle stehen für Body Positivity. Unsere Körper, ganz egal, wie sie aussehen, sollen wir lieben, wir sollen stolz auf sie sein, unsere Narben oder Hautunreinheiten feiern, Schönheitsideale vergessen. Kurzum: Selbstliebe auf allen Ebenen. Immer mehr Menschen, vor allem Frauen, zelebrieren ihr positives Körperverhältnis und ihre Schönheit ausgiebig in den sozialen Netzwerken. „Jede*r ist schön“ und „Liebe deinen Körper“, rufen sie und die Masse antwortet: Ja, das stimmt! Ja, das sollten wir!

Liebe ist schließlich etwas Tolles, jede*r will geliebt werden, da sollten wir bei uns selbst anfangen. Andererseits geht mit Body Positivity auch ein enormer Druck einher. Wenn alle schön divers, schön besonders, schön schön sind, setzt das nicht auch schon wieder einen ungesunden Standard? Muss ich mich und meinen Körper wirklich abfeiern?

Was, wenn ich meinen Körper nur okay finde?

Keine Frage, die Body-Positivity-Welle hat uns gesellschaftlich ein großes Stück nach vorne getragen. Während beispielsweise vor ein paar Jahren noch die Werbekampagnen von Dove für Furore sorgten, weil sie ein wenig fülligere Frauen als Models buchten, setzen mittlerweile immer mehr Unternehmen auf Diversität, sowohl bei Hautfarbe als auch Körperfülle. Auch wenn die klassischen Schönheitsideale noch lange nicht aus der Werbung verbannt sind, lösen sie sich langsam auf. Dass wir alle unterschiedlich aussehen, dass das Leben den Körper verändert und dass wir uns für Narben, Akne oder üppige Hüften nicht schämen müssen, hat viel mit dem Gedanken Body Positivity zu tun. Nichtsdestotrotz steht auch bei der Einstellung immer noch eines im Fokus: unser Körper – und vor allem der Anspruch, dass wir ihn super finden sollen.

So gut gemeint diese Idee ist, so herausfordernd ist sie auch. Eine dauerhaft positive Einstellung klingt erst mal genial (High Five, wenn du das wirklich fühlst), aber für viele Menschen wohl doch etwas realitätsfern, vielleicht sogar erzwungen. Was, wenn ich meinen Körper nicht in den Himmel loben will, ihn nur okay finde, manchmal besser, manchmal schlechter, beziehungsweise mich nicht darüber definieren möchte? Was, wenn mir meine Ohren zu groß, meine Nase zu klein oder meine Haare zu glatt erscheinen und ich trotzdem okay damit bin, weil sich meine Gedanken lieber mit anderen Themen beschäftigen? Ich finde, ein entspanntes Verhältnis zu sich und der Haut, in der wir stecken, viel erstrebenswerter. Dehnungsstreifen? Sind nicht toll, aber kann ich mit leben – muss ich aber nicht mit Glitzer zelebrieren. Schönes Gesicht? Bin ich froh drum, will aber nicht darüber charakterisiert werden.

Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, wer wir sind, was wir machen, wofür wir stehen. Humor, Loyalität, Mut – Eigenschaften fernab von unserem Körper, die wir selbst bestimmen können.

Weg von der Obsession mit dem eigenen Körper

Ich bin natürlich nicht die Erste, die sich das denkt. Es gibt bereits einen Begriff für diese Einstellung: Body Neutrality, ein Gefühl von egal sein dem eigenen Aussehen gegenüber, weg von der Obsession mit dem eigenen Körper. Erstmals aufgebracht hat ihn die US-Amerikanerin Melissa Fabello 2015 in einem Blogpost, in dem sie genauer beschreibt, was sie unter Body Neutrality versteht. Ein Beispiel: „Body Neutrality heißt sich morgens nach dem Aufwachen einfach als Erstes zu fragen: ,Wie fühle ich mich in meinem Körper?‘ Es geht darum, herauszufinden, was du brauchst, um dich gut zu fühlen, seien es Pancakes oder Oatmeal zum Frühstück, Wasser gegen Kopfschmerzen oder einfach noch eine Runde Schlaf.“ Body Neutralityheißt, dass wir uns Komplimente für unser Aussehen machen, weil wir von innen heraus strahlen, weil wir glücklich und zufrieden wirken, eine gute Aura haben – und eben nicht dafür, dass unsere physische Erscheinung hübsch ist. Body Neutrality heißt, dass wir Sport machen, weil es sich gut anfühlt, wir uns bewegen wollen und nicht primär, weil wir fitter aussehen wollen. Und Body Neutrality heißt beispielsweise auch, dass wir beim Sex nicht zu viel darüber nachdenken, dass in dem Moment unserer Po gegen den Oberschenkel der anderen Person klatscht. „Es [Body Neutrality] bedeutet, sich nicht zu schämen, dass du Fett an deinem Körper hast […] noch dich sexier zu fühlen, weil du Fett an deinem Körper hast […]. Es heißt einfach, den Moment der Intimität zu genießen.“

Was sie damit meint: Body Neutrality bricht unseren Körper auf das herunter, was er ist, unsere Hülle. Wir müssen sie nicht lieben, lediglich akzeptieren, dass wir in ihr stecken und wertschätzen, was sie für uns leistet und wozu sie uns befähigt. Wir dürfen unseren Körper unschön oder schön finden, er definiert uns aber nicht. Erst unser Charakter zeichnet uns wirklich aus.

Klar, wer wirklich unzufrieden mit sich ist, wird auch diese Einstellung für utopisch halten. Trotzdem verlangt sie uns deutlich weniger ab als eine unnatürliche Selbstliebe, die wir erst recht nicht spüren – und vielleicht auch gar nicht spüren wollen. Ich würde mir wünschen, dass wir irgendwann an den Punkt kommen, an dem das Aussehen in unserer Gesellschaft komplett in den Hintergrund tritt. Das wäre doch mal wirklich positiv.

Der Originaltext von Milena Zwerenz ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.

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