Foto: Gizem Winter

„Wir brauchen ein Teenie-Magazin, das inhaltlich über die Bravo Girl hinaus geht“

Eine Alternative zu Bravo und Mädchen sollte es sein, als Kristin, Sarah und Melanie das Konzept für ihr neues Magazin entwickelten: das brause*mag. Wir haben uns mit Melanie unterhalten und sie gefragt, was sie anders machen wollen.

 

Ein Teenie-Magazin mit mehr Tiefe 

Bravo, Bravo Girl, die Mädchen – diese Magazine haben wohl die meisten unter uns schon mehrmals in der Hand gehabt. Doch was wurde uns dort als Heranwachsenden vermittelt? Mädchen schminken sich, Jungs spielen Fußball und sind stark und am Ende geht es nur darum, dass Mädchen und Jungs zusammenkommen. Was Diversität angeht, sind diese Magazine auf jeden Fall alles andere als Paradebeispiele. Kristin, Melanie und Sarah wollen dem flachen Einheitsbrei von Jugendmagazinen mit ihrem neuen Online-Magazin, dem brause*mag, ein Ende setzen. Gefunden haben sich die drei über Twitter, kommen alle selbst aus der Online- und Blogger-Welt. Und wissen natürlich ganz genau, was sie als Jugendliche gerne gelesen hätten. Vorbilder: Rookie Mag und Teen Vogue. Aber für den deutschen Markt. 

Die Brause-Gang: Kristin, Sarah und Melanie (v.l.n.r.). Quelle: brause*mag

Wir haben uns mit Melanie, einer der drei Gründerinnen, unterhalten und über Ziele, die richtige Themenmischung und den passenden Umgang mit Sprache gesprochen. 

Liebe Melanie, welche Magazine hast du früher gelesen? Und wie hast du die Inhalte wahrgenommen?

„Ich habe angefangen, mit zehn oder elf Jahren die Bravo, später auch Bravo Girl und die Mädchen zu lesen. Klar, damals war das gefühlt auch die einzige Alternative, die es gab. Und ich hatte auch relativ viel Identifikationspotenzial mit den Fragen und Themen, die behandelt wurden. Ich merkte erst später, als die ,Brigitte Young Miss‘ erschien und ich eigentlich schon wieder aus dem Alter raus war, dass ich mir schon früher ein Magazin gewünscht hätte, das inhaltlich mehr in die Tiefe geht. 

Man muss auch sagen: Ich bin selber nun weiß-deutsch, bin hetero, war auf einem Gymnasium. Und durch die Beschäftigung mit Feminismus und Gender-Studies ist mir noch mal sehr deutlich geworden, wieviel eigentlich in solchen Zeitschriften fehlt.“

Wie ist die Idee zu brause*mag dann entstanden? 

„Ich glaube, vor drei bis vier Jahren, habe ich mich mit meinen jetzigen Kolleginnen Sarah und Kristin ausgetauscht und wir haben gesagt, es müsste mal etwas für Teenies geben, was über die Bravo- und die Bravo Girl-Zielgruppe hinausgeht. Viel mehr als ein paar Punkte aufzuschreiben, haben wir jedoch nicht gemacht. Und ein halbes Jahr später hatte Ninia LaGrande auf Twitter gefragt, warum es noch kein deutsches ,Rookie Mag‘ gibt. Da musste ich natürlich gleich antworten: ,Ja, das gibt es noch nicht, aber wir hätten da etwas in der Schublade‘. Und dann gesellte sie sich noch dazu und brachte den Stein ins Rollen, sodass wir wirklich ein Konzept entwickelten.

Ja, und wie das so ist, waren wir alle viel beschäftigt mit anderen beruflichen und privaten Projekten und Kindern und hatten daher wenig Ressourcen, unser Konzept umzusetzen. Letztes Jahr haben wir es dann einfach probiert und all unsere frei verfügbare Zeit dazu genutzt, das Magazin auf die Beine zu stellen.“ 

Was wollt ihr mit brause*mag anders machen? 

„Wir wollen inklusiver sein, ohne es immer extra benennen zu müssen. Wir zeigen, dass es Mädchen gibt, die Mädchen lieben oder, dass es auch Teenies gibt, die Sport machen und eine Behinderung haben. Wir wollen Mädchen einbeziehen, die eine andere Religion haben und eine gewisse Bandbreite aufzeigen, von der wir halt denken, dass sie fehlt.  

Viele setzen sich in dem Alter ja auch mit bestimmten Themen wie Körper oder Liebe besonders stark auseinander. In der Bravo liest man dann immer nur, wie man Jungs gefällt und merkt, dass die ganze Zeit nur ein bestimmtes Ziel dahinter steht. Wir hingegen wollen auch Mädchen mit einbeziehen, die sich nicht für Jungs interessieren und auch Jungs einbeziehen, die sich für Jungs interessieren. Es liegt schon der Schwerpunkt auf Mädchen als Zielgruppe, im Kern die Zwölf- bis 17-Jährigen, aber eigentlich fänden wir es auch cool, wenn unser Magazin alle Teenies, unabhängig vom Geschlecht, lesen würden.“

„Es soll klar werden, dass es nicht nur um eine hetero-norme Sexualität geht – wir versuchen wirklich, darauf zu achten, alles einzuschließen, was man einschließen kann.“

Und wie genau wollt ihr das erreichen? 

„Unsere Vorstellung ist, dass wir das vor allem thematisch erreichen, also Themen von Körper, über Musik, Popkultur, aber auch Berufswahl und Sport, Lifestyle, also auch Schmink-Tutorials, abdecken. 

An manchen Stellen setzen wir dafür auch bestimmte Disclaimer. Bei unserem Artikel zu HPV haben wir beispielsweise einen Disclaimer gesetzt, der zeigt: Es geht weniger um das Geschlecht, das wahrgenommen wird, als darum, dass man einen Uterus hat. So schließen wir beispielsweise auch Trans-Personen nicht aus, für die das ja auch wichtig ist. 

Wir stellen dann auch die Frage, weil das ja auch eine sexuell übertragbare Krankheit ist, was das genau heißt: Gilt das auch, wenn Mädchen mit Mädchen Sex haben? Es soll klar werden, dass es nicht nur um eine hetero-norme Sexualität geht – wir versuchen wirklich, darauf zu achten, alles einzuschließen, was man einschließen kann.“

Was gibt es dafür bei der Sprache zu beachten?

„Da achten wir vor allem auf zwei Dinge. Zum einen soll sie auf jeden Fall genderneutral sein, zum anderen vermeiden wir Begriffe, die Behinderungen und Krankheiten abwerten, aber relativ alltäglich sind, wie ,hinkender oder lahmender Vergleich‘ oder ,blinder Fleck‘. 

Und noch eine Sache, die ich selbst bemerkt habe: Als ich meinen Text über Berufswahl geschrieben habe, habe ich im ersten Entwurf ziemlich akademische Berufe genannt. Da ist mir wiederholt klar geworden: Aus meiner Position heraus war es immer die Studienwahl und nicht die Ausbildungswahl, daher sind mir eher Beispiele zu akademischen Berufen eingefallen, aber natürlich muss man da auch auf Beispiele zurückgreifen, die einen Ausbildungsberuf beinhalten. Da merken wir oft, dass auch wir noch von unserem eigenen Background getragen werden.“

Wie viele Themen wollt ihr pro Woche veröffentlichen? 

„Aktuell versuchen wir, drei bis fünf Themen zu veröffentlichen. Mittelfristig sollte es schon täglich einer werden, wenn nicht sogar mehr. Zukünftig wollen wir auch mit externen Autoren und Autorinnen zusammenarbeiten zu Themen, die wir nicht abdecken können. Und unsere Leser und Leserinnen sollen auch selbst zu Interviewpartnern und Autoren werden.“ 

Welche Themen würden niemals bei euch veröffentlicht werden? 

„Ich glaube, es wäre weniger ein Thema als die Art und Weise, wie es behandelt wird. Also wertend, beurteilend, andere Lebensweisen direkt zu verurteilen, das wäre das, was wir nie veröffentlichen würden. Je nach Herangehensweise wäre fast jedes Thema denkbar.“ 

„Die Jugendlichen sollten wissen, dass sie bei uns mit allen Themen, die sie interessieren, ernst genommen werden.“

Wie gelingt es euch, nahe an eurer Zielgruppe dran zu bleiben? 

„Kristin und Sarah sind beide Mütter von Pre-Teens und kriegen da schon einiges mit. Dass unsere Sprache gezwungen Teenie-mäßig klingt, wurde auch direkt nach unserem Launch kritisiert. Natürlich blättere ich jetzt nicht im Urban Dictionary und suche nach bestimmten Wörtern, die Jugendliche im Jahr 2017 verwenden. Es ist auch okay, wenn wir mal albern klingen. Da geht es immer um die Wahrnehmung, was Erwachsene denken, wie Jugendliche sprechen. Das wird sich mit der Zeit einfach ergeben, wenn unsere Leser auch selbst Artikel schreiben. 

Uns ist es einfach am allerwichtigsten, dass wir die Jugendlichen erreichen und sie wissen, dass sie bei uns mit allen Themen, die sie interessieren, ernst genommen werden.“

Werbung gibt es bisher noch keine auf eurer Seite, bezahlen muss man für die Inhalte auch nicht. Wie wollt ihr euch finanzieren?

„Wir suchen gerade ein Bezahlmodell, das nicht die Teenies fokussiert, weil für die sollen alle Inhalte frei verfügbar sein. Wir denken an verschiedene Standbeine. Eigentlich hätte ich gerne einen bezahlten Newsletter gehabt, der sich als Idealismusabo verkauft. Mit Inhalten und ergänzenden Tipps für Mütter, Eltern, Pädagoginnen, die das Projekt unterstützen wollen. 

Wir wollen auch noch auf die Crowdfunding-Plattform Patreon. Und wenn wir einen gewissen Grundstock an Finanzen haben, wollen wir einen eigenen Shop erstellen, in dem wir dann beispielsweise T-Shirts mit unserem Design verkaufen. Zusätzlich sind Unternehmenskooperationen zu Produkten denkbar, die wir gut finden und zu unserer Zielgruppe passen. Da sind wir aber noch vorsichtig, weil wir nicht diesen Optimierungsgedanken vertreten wollen ,Mit diesem Lipgloss fühlst du dich besser‘. Wir wollen ausschließlich sinnvolle Produkte vertreten, von denen wir sicher sind, dass sie den Teenies nicht vermitteln: Ihr müsst konsumieren, um glücklicher zu sein.“ 

Was wären denn eure Ziele für die nächsten zwei Jahre?

„Ich arbeite noch in Teilzeit, die anderen beiden sind auch noch mit weiteren Projekten beschäftigt, Sarah studiert zusätzlich sogar noch. Wir sind alle also sehr verteilt. Daher wäre es auf jeden Fall toll, ein eigenes Büro zu haben. Außerdem wären wir gerne auf Youtube eine ernstzunehmende Anlaufstelle, würden Interviews mit tollen Musikerinnen, Künstlerinnen, Mädchen und Teams führen, was ja auch immer mit Reisekosten verbunden ist. 

Ich persönlich habe im Erststudiengang Sozialpädagogik studiert und träume davon, eine Online-Beratung in die Richtung ,Fragt uns was‘ einzuführen, also ähnlich wie Dr. Sommer, aber in cooler.“

Danke, liebe Melanie, wie sind sehr gespannt! 

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