Foto: Alora Griffiths | Unsplash

„Wenn man einmal verstanden hat, wie Gewohnheiten funktionieren, kann man sie gestalten“

Anfang Januar sind Fitnessstudios stärker frequentiert als zu jeder anderen Zeit im Jahr, wir wollen mehr schlafen, besser essen. Selten aber halten gute Vorsätze lange an. Wie man sie nachhaltig umsetzt, erklärt der amerikanische Autor Charles Duhigg. Er hat die Funktionsweise von Gewohnheiten untersucht.

„Wenn einem andere etwas zutrauen, glaubt man eher daran, es auch zu können“

Charles Duhigg ist ein US-amerikanischer Journalist und Sachbuchautor, der mit Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Sein Buch „Die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun“ war drei Jahre lang auf der Beststeller-Liste der New York Times. Maren Hoffmann von unserem Partner „Manager Magazin“ hat mit ihm darüber gesprochen, warum Vorsätze scheitern, wie man sich Gewohnheiten nachhaltig antrainiert und was die ideale Zahl von Veränderungen ist, die man zeitgleich ins eigene Leben bringen kann.

mm: Es ist Anfang Januar. Millionen Menschen haben gute Vorsätze gefasst: Mehr Sport, weniger Kaffee, gesünder essen, mehr Zeit für die Kinder. Und die meisten von uns werden auch dieses Jahr scheitern, oder nicht?

Duhigg: „Natürlich werden manche scheitern. Andere aber nicht. Einige werden auch Erfolg haben. Denn: Wenn man einmal verstanden hat, wie Gewohnheiten funktionieren, wie sie sich überhaupt erst bilden, dann kann man diese Gewohnheiten auch ändern. Und auch gute Gewohnheiten etablieren. Das geht.“

Und wie kommen wir zu unseren Gewohnheiten?

„Das passiert immer in drei Schritten: Es gibt einen auslösenden Schlüsselreiz, dann die Routine gewordene Handlung selbst und schließlich die mit der Handlung verbundene Belohnung. Dieser Dreiklang bestimmt, wie wir in Zukunft handeln werden. Wir haben es also selbst in der Hand.“

Wie geht man am besten vor?

„Was wir am leichtesten wahrnehmen, ist die Routinehandlung selbst. Aber wenn wir die ändern wollen, müssen wir zuallererst den Schlüsselreiz identifizieren – etwa, dass der Routinehandlung immer eine bestimmte andere Handlung voraus geht, dass Sie sich in einem bestimmten emotionalen Zustand befinden oder an einem bestimmten Ort. Und dann müssen wir die Belohnung kennen, die der Ausführung folgt – und versuchen, die Routinehandlung durch eine andere zu ersetzen, die dieselbe Belohnung verspricht, Entspannung etwa oder Geselligkeit oder einen Energieschub.“

Sie sprechen über Gewohnheiten – aber wir treffen ja auch jeden Tag einzelne Entscheidungen. Wieviel von unserem täglichen Tun ist tatsächlich durch Gewohnheiten bestimmt?

„Das ist wissenschaftlich recht klar erfasst. Etwa 40 bis 45 Prozent.“

Klingt viel.

„Ist es auch. Aber Gewohnheiten sind ja nicht nur schlecht. Sie helfen uns auch, uns im Leben zurechtzufinden und Herausforderungen zu meistern. Denken Sie mal darüber nach, wie sehr Ihr Alltag von Routineabläufen bestimmt ist: Wie Sie Ihr Auto aus der Einfahrt bewegen. Wie, wann und wo Sie essen, wie Sie zur Arbeit kommen, wie Sie Ihre Arbeit strukturieren. Gewohnheiten haben tiefgründige Auswirkungen auf Ihr gesamtes Leben.“

Ist das gut oder schlecht?

„Das ist erst einmal nichts Negatives. Wir haben nur eine beschränkte Denkkapazität. Es ist sinnvoll, dass wir nicht allzu viel davon für Routinetätigkeiten verschwenden. Wir würden sonst unsere gesamte Zeit damit zubringen, Entscheidungen zu treffen, auch für die trivialsten Dinge. Aber das Gute ist: Wenn man einmal verstanden hat, wie Gewohnheiten funktionieren, kann man gestalten. Man kann sich bewusst gute Gewohnheiten antrainieren. Man ist ja nicht dümmer, wenn man Gewohnheiten das Ruder überlässt. Sie können auch ein sehr effektives Instrument sein.“

„Konzentrieren Sie sich zunächst auf eine Sache“

Aber manche Gewohnheiten sind viel schwerer zu ändern als andere.

„Manche Gewohnheiten sind viel mächtiger als andere. Es sind Schlüsselgewohnheiten, die kausalen Zugriff auf andere Gewohnheiten haben.“

Zum Beispiel?

„Ein positives Beispiel: Wenn man regelmäßig Sport macht. Das ist für viele Menschen eine Schlüsselgewohnheit, die bewirkt, dass sie beispielsweise auch gesünder essen.“

Wir haben alle unterschiedliche charakterliche Voraussetzungen. Macht das keinen Unterschied für ein solches Projekt?

„Manchen Leuten fällt es vielleicht schwerer als anderen. Für andere ist es einfacher. Aber das hindert uns nicht daran, mit diesen Erkenntnissen zu arbeiten. Denn die zugrunde liegenden Mechanismen, die sind bei allen Menschen gleich. Und deshalb kann auch jeder damit arbeiten, der sie kennt.“

Sie schreiben, dass man an sich glauben muss, um Gewohnheiten ändern zu können.

„Sie müssen selbst daran glauben, dass Sie sich ändern können. Nur dann können Sie Gewohnheiten nachhaltig verändern.“

Kann man das alleine schaffen?

„Alle diesbezüglichen Untersuchungen zeigen: Den Leuten fällt es leichter, eine Gewohnheit zu ändern, wenn eine Gruppe im Spiel ist. Es funktioniert einfach besser, wenn man nicht allein ist. Es fällt einem auch leichter, zu glauben, dass man etwas bewirken kann, wenn auch andere einem das zutrauen.“

Wenn ich also etwa aufhören will zu rauchen, sollte ich das überall herumerzählen?

„Im Prinzip schon. Und vor allem sollten Sie sich Verbündete suchen, die mit Ihnen zusammen daran glauben, dass Sie es schaffen können.“

Wie gehe ich praktisch vor, damit es diesmal mit dem guten Vorsatz klappt?

„Finden Sie den Schlüsselreiz heraus. Zu welcher Tageszeit packt Sie der Wunsch zu rauchen? In welchen Situationen? Oder ist ein Gefühlszustand der Auslöser? Dann beobachten Sie, was die Belohnung ist: Haben Sie nach der Zigarette mehr Tatkraft? Verspüren Sie Erleichterung? Oder Beruhigung? Wenn Sie diese beiden Faktoren kennen, den Schlüsselreiz und die Belohnung, dann können Sie daran gehen, eine neue Routine zu entwickeln. Wenn Sie spüren, dass Sie meist um die Mittagszeit einen Energiekick brauchen, dann können Sie mit anderen Dingen experimentieren – etwa auf die Zigarette verzichten und statt dessen einen doppelten Espresso trinken.“

Wie viele gute Vorsätze kann ich in die Tat umsetzen? Was ist eine realistische Zahl?

„Einen zur Zeit. Es ist psychologisch weitaus sinnvoller, eine Serie von vielen kleinen Belohnungen und Erfolgen zu haben, als alles auf einmal zu wollen. Konzentrieren Sie sich zunächst auf eine Sache – die anderen können dann nach und nach folgen.“

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.demanager-magazin.de liefert täglich Wirtschaft aus erster Hand: durch Orientierung über die wichtigsten Nachrichten des Tages, Inspiration durch die Vorstellung  relevanter Trends und mutiger Managerinnen und Manager – und durch den Blick auch auf die unterhaltsame Seite der Wirtschaft. Die tägliche Online-Ausgabe ergänzt das monatliche Magazin mit seinen investigativen und exklusiven Geschichten aus der Welt der Wirtschaft.

Mehr bei EDITION F

6 kleine Gewohnheiten, die dich geistig wacher und produktiver machen. Weiterlesen

Was ist das Geheimnis der Menschen, die immer zuverlässig ihre Ziele erreichen? Weiterlesen

Gute Vorsätze? 7 Tipps, wie es damit wirklich klappt. Weiterlesen

Anzeige