Mit „Circle“ ist der britischen Filmemacherin Jayisha Patel eine so beeindruckende wie bedrückende Dokumentation über die Familie als Keimzelle für den Frauenhandel in Indien gelungen. Am 19. Februar feierte der Film seine Weltpremiere in der Sektion „Berlinale Shorts“ und konkurriert auch um den Goldenen Bären.
„Sie erwartet von ihrer Enkelin, genauso zu leiden, wie sie gelitten hat“
Am 19. Februar 2018 feierte „Circle“ auf der Berlinale Weltpremiere, eine Dokumentation der britischen Filmemacherin Jayisha Patel, die sich mit ihrem Schaffen dafür einsetzt, Woman of Colour eine Plattform gegen ihre Stereotypisierung zu bieten. In ihrem neuesten Werk hat sie sich mit der Spirale der Gewalt und des Frauenhandels in Indien auseinandergesetzt hat. Es sind Einblicke in ein sonst verschlossenes System, das auch Patel selbst erlebt hat.
Um diesen Kurz-Film überhaupt machen zu können, musste sich die Filmschaffende zunächst großes Vertrauen innerhalb dieser Familienstrukturen erarbeiten, um dann als Vertraute in den Kreis der Familie zu treten und bei den intimen Gesprächen der Frauen über ihr Schicksal und die Rolle der einzelnen Frauen anwesend sein zu können.
In ihrem Film steht die Rolle der Großmutter im Mittelpunkt, die ihre Enkeltochter Kushbu für eine Vergewaltigung verkauft. Stark wird die Dokumentation vor allem aus dem Zusammenspiel der Szenen, die alltäglicher nicht sein könnten und den Gesprächen, die genau das nicht sind, nicht sein dürften und die von der ersten Minute unter die Haut kriechen. Gezeigt werden etwa zwei Schwestern beim gemeinsamen Erbsen schälen, Frauen, die auf dem Feld arbeiten, Mutter und Tochter, die auf dem Markt einkaufen gehen oder die Tochter, die an der Feuerstelle Essen kocht – dabei reden sie ganz offen über Gewalt in der Ehe, in der Familie, über organisierte Vergewaltigungen, über ein brutales System, in dem sich Frauen gegenseitig verkaufen, verraten und verletzen:
„Sie haben mir einen Schal über den Mund gelegt und mich an einen dunklen Ort mitten im Nirgendwo gebracht.“
„Großmutter hat meine Vergewaltigung organisiert.“
„Sie erwartet von ihrer Enkelin, genauso zu leiden, wie sie gelitten hat.“
„Wenn meine Schwiegertochter kommt, werde ich sie genauso schlagen, wie ich von meinen Schwiegereltern geschlagen wurde.“
Es sind Sätze, die von einem grausamen Kreislauf erzählen, erhalten durch Frauen, die sexualisierte Gewalt am eigenen Leib erfahren haben, und ihn dennoch – oder vielmehr gerade deshalb – von einer Frauengeneration an die nächste weitergeben. Ein sehr berührender Film – und so schwer das Zusehen und Zuhören fällt, umso wichtiger ist es, genau das zu tun.
Die britischen Filmemacherin Jayisha Patel. Quelle: PR
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