Foto: Pegels

Der Feind auf meinem Tablett

400 Millionen Mahlzeiten für Hilfsbedürftige finanzieren, Unmengen Müll vermeiden und Geld für Airlines einsparen. Wie? Ganz einfach:

 

Seit Jahren ist einer meiner Wunschberufe  Berater für eine Airline. Heute hier. Morgen da. Freiflüge auf der ganzen Welt. Ein Traum für alle Reisefanatiker.
Bisher ist dieser Wunsch nur teilweise Realität. Ich reise zwar viel, bezahle
aber die Flüge. Und Berater – nun, ich berate jetzt einfach mal ungefragt und
mache die Welt ein kleines bisschen besser. Hoffentlich.

Rückfall: Quickie mit ToGo

Ich bin eingeknickt. Ich hatte einen Quickie. Ziemlich genau 3 Monate habe ich durchgehalten, nein gesagt und verzichtet. Heute habe ich einen gekauft, einen Kaffee im Wegwerf-To-Go-Becher. Nutzungsdauer: 10 Minuten. Dann
ab in den Müll. Quick. Zugegeben, es war eine Ausnahmesituation, weil ich verreist bin und als Gepäckminimierer keinen Mehrweg-Becher im Handgepäck haben wollte.

Drei Mal um die Welt gewickelt

Dabei sind die bloßen Zahlen zum Becherverbrauch so schockierend, dass ich ruhig etwas Platz hätte machen können. Denn allein in Deutschland wandern jede Stunde 320.000 Becher in den Müll, sagt die Deutsche Umwelthilfe, die nur 10 Minuten im Einsatz waren. 

Aufgestapelt ist das ein To-Go-Becherturm von 480m. Pro Jahr wächst die Zahl auf 2,8 Milliarden Becher, ein Berg von 120.000km. Ein Becherschal, den man der Welt drei Mal um den Äquatorhals legen kann. Und das ist nur Deutschland!

Es gibt mehr als ein’Weg

Mein Rückfall verändert meine Wahrnehmung. Plötzlich sehe ich nur
noch Müll. Und weil ich für 10 Stunden im Flugzeug sitze, beschränkt sich meine
Wahrnehmung auf ein paar Quadratmeter. Das passt ganz gut, denn seit Jahren beschäftigt mich eine Sache: Der Einweg-Wahnsinn auf Flügen.

Da gibt es Einweg-Kopfhörer, in Plastik eingeschweißt, in billiger
Qualität, die nach ein paar Stunden ihre Schuldigkeit getan haben. Die Decken
kommen in Plastikverpackungen. Aufreißen – auch Müll, also die Verpackung, nicht die Decken – die werden eher geklaut. Und wenn nicht, dann werden sie ein paar Stunden genutzt und sind gleich wieder reif für die Reinigung. Und dann kommt mein liebstes Subjekt, der Plastikbecher.

Der Feind auf meinem Tablett

Es gibt, zumindest auf Langstreckenflügen, Mahlzeiten und Getränke. Tomatensaft oder Wein – ein Plastikbecher. Wasser und ein Plastikbecher. Der Inhalt ist egal aber die Becherzahl wächst.
Nach dem Essen wird abgeräumt, die leeren funktionsfähigen Becher werden
einkassiert und schon kommt der Getränkewagen wieder. Kaffee, Tee oder noch ein Wasser? Und schon steht Becher 3 auf dem kleinen Tablett vor dem Fluggast. Macht in Summe 3. Später gibt es noch einen Snack und dazu wieder zwei Plastikbecher. Laut Adam Riese 5. Und für die ganz durstigen gibt es zwischendurch noch ein Getränk. 6 Becher. 7 Becher. 8 Becher. Viel Müll. Bei 300 Fluggästen landen auf einem einzigen Langstreckenflug so schnell 1.500 Becher im Abfall. 
Ist doch nicht so schlimm, oder? Die werden ja wahrscheinlich recycelt. Außerdem sind sie leicht und verbrauchen kaum Kerosin. Stimmt.

Damit könnte der Text zu Ende sein. Einmal gemeckert. Problem aufgezeigt. Fertig.  Aber ich wollte wie gesagt schon immer Berater für eine Airline sein – deswegen ist hier noch nicht Schluss.

3,2 Millionen Euro und 164 Millionen Becher

Tuifly hat in 2015: 8,2 Millionen Menschen befördert, die Condor ca. 7
Millionen, Austrian 10,28 Millionen Fluggäste, Airberlin 28,9 Millionen und die
Lufthansa sage und schreibe 109,7 Millionen.

Wenn ein Drittel dieser Fluggäste auf Mittel- oder Langstrecke unterwegs war, jeweils vier Becher genutzt hat und durch eine Nachfrage des Bordpersonals („Möchten Sie gleich noch etwas Wasser – dann behalten Sie Ihren Becher kurz!“) zwei Becher weniger genutzt worden wären, dann würden jährlich über 160.000.000 Becher weniger im Müll landen und die Airlines könnten folgende Kosten sparen:

Passagiere in 2015

Condor:        7.000.000

Tuifly:           8.200.000

Austrian:     10.280.000

Airberlin:      28.900.000

Lufthansa:     109.700.000

GESAMT:  164.080.000


Einsparung: Becher a 0,02 €

Condor: 140.000,00 €

Tuifly: 164.000,00 €

Austrian: 205.600,00 €

Airberlin: 578.000,00 €       

Lufthansa: 2.194.000,00 €              

GESAMT: 3.281.600,00

Die Lösung

Große Änderungen funktionieren am besten, wenn die Rahmenbedingungen geändert werden (Fluglinie: Behalten Sie Ihren Becher noch.) und
eine Verhaltensänderung (Fluggäste: Ich nutze meinen Becher mehrfach.) Hand in Hand gehen. Dass ist wie bei Kindern, die lernen sich gesund zu ernähren. Wenn im Kühlschrank ausschließlich TK-Pizza liegt, dann hilft alles bessere Wissen nicht. Wenn die Becher abgeräumt und wieder ausgegeben werden, ohne dass die Airline ein bisschen nachhilft, wird sich wenig ändern.

Deswegen liebe Airlines: Fragt die Fluggäste, ob Sie den Becher behalten. Und liebe Urlauber und Reisende: Nutzen wir die Becher doch einfach mehrfach oder lasst uns einen eigenen Mehrweg-Becher einpacken. 

Der Doppelbecher

Zufällig habe ich vor ein paar Tagen bei einer Messe eine Firme kennen gelernt, die Mehrweg-Becher herstellt, mit dem treffenden Namen „Reusable2Go“. Diese Becher erfüllen eine Doppelfunktion. Two in One. Ein Teil für Kaffee und den zweiten abschraubbaren Becherteil für Wasser und Co. Damit wäre der gesamte Müll vermieden. 

Das Honorar

Am Ende stellt der Berater eine dicke Rechnung. Etwa so:

Honorar = 10% der Einsparungen

Das ergibt für:

Condor:            14.oo0 €
Tuifly:               16.400 €
Austrian:          20.560 €
Airberlin:          57.800 €
Lufthansa:      219.400 €

Ich möchte kein Honorar. Ich wollte nur ein bisschen die Welt verbessern. Falls aber eine Airline trotzdem etwas Gutes tun möchte – Hunger ist derzeit ein sehr brisantes Thema auf unserer Welt und Spenden für die Welthungerhilfe, z.B. für ShareTheMeal, wären eine wunderbare Sache.  Wenn die gesamten Einsparungen an ShareTheMeal fließen würden, dann könnten damit über 400 Millionen Mahlzeiten finanziert werden!

Ich möchte immer noch Berater für eine Airline werden. Oder als Social-Media-Reise-Reporter die schönsten Orte der Welt unter die Lupe nehmen. Und dabei die Welt ein bisschen retten.


P.S. Und zu den Kopfhörern: Jeder Smartphone-Nutzer hat welche. In all den Shopping-, Info-, Buchungsbestätigungs-Mails kann doch stehen: Aus Umwelt- und Ressourcenschutzgründen bitten wir Sie Ihre eigenen Kopfhörer mitzubringen.
Das lernen die Leute schon. Dass es nicht mehr Non-Stop-Drinks for free gibt, haben ja auch alle überlebt 😉

Der Artikel ist zuerst auf meinem Blog  www.just-not-enough-time.de erschienen.

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