Aus Fehlern lernt man – trotzdem haben wir immer noch viel zu viel Angst davor zu scheitern. Aber, warum eigentlich?
Schöner Scheitern 2017
Das neue Jahr hat begonnen und du willst 2017 nicht versagen. Du hast dir am Silvesterabend Vorsätze gemacht. Vielleicht hast du sie sogar aufgeschrieben. Du willst schlanker, sportlicher und glücklicher sein. Dieses Mal wirklich. Dieses Mal willst du es wirklich hinbekommen. Dieses Mal willst du nicht versagen. Dabei ist versagen eigentlich ziemlich toll. Warum?
Ich bin eine Perfektionistin – das Mädchen mit Plan A. Und Plan B. Oh, und falls das auch nicht funktioniert, dann gibt es noch die Möglichkeit C und wenn alle Stricke reißen Option D. Ich bin und war es nie gewohnt „schlecht“ zu sein. Eine Versagerin sein, das wollte ich nie. Ich hatte Angst davor, weil Versagen für mich heißt, dass ich meine eigenen Erwartungen enttäusche und damit auch die Menschen um mich herum. Das ist doof.
Die Angst vor dem Versagen kann aber gut für uns sein. Sie treibt immer wieder dazu an, Dinge besonders gut zu machen, sich besonders reinzuhängen und das Beste zu geben. Gleichzeitig bremst die Angst uns aber auch. Denn dann bleibt man in vorgefertigten Mustern, traue sich nicht, auszubrechen, mal verrückt zu sein und einfach alle Vorsicht über Bord zu werfen. Doch genau das sollten wir hin und wieder tun.
Warum es toll ist, zu versagen
Mittlerweile habe ich begonnen auf eigene Weise zu „versagen“. Ich habe mir erlaubt, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht kann. Oder glaubte nicht zu können, weil ich Angst davor hatte. Ironischerweise waren das genau die Dinge, die ich als Kind immer am meisten mochte: Schreiben und Zeichnen. Ich dachte immer – und eigentlich weiß ich es noch immer nicht – dass ich nicht gut genug darin bin. Dass ich, wenn ich keine Bestseller schreiben und keine Meisterwerke malen kann, nicht die Berechtigung dazu habe, diese Dinge zu tun.
Und genau deswegen, habe ich damit wieder angefangen. Um es mir selbst zu beweisen. Ich habe mein persönliches Blog gestartet und verbringe Stunden alleine in meinem Zimmer – ohne einsam zu sein. Ich schreibe und male und es gibt nichts, was mich glücklicher macht.
Ja, vielleicht ist es doof was ich schreibe. Vielleicht kann ich auch nicht richtig zeichnen, meine Linien sind schief und krumm und die Figuren sehen schlecht gezeichnet aus. Aber es erfüllt mich. Ich bin endlich so richtig begeistert von etwas, einfach nur ich zu sein. Auch wenn ich es vielleicht nicht kann, kann ich es doch trotzdem versuchen. Hier habe ich etwas, das alleine mir gehört. Etwas, das nur ich schaffen kann. Ich erlaube mir zu versagen, hässliche Wörter zu schreiben und hässliche Dinge zu malen. Und hässlich war noch nie so schön für mich.
Was macht uns wirklich glücklich?
Ich habe begriffen, dass ich ein hoch gestecktes Ziel erreichen kann und merke, dass es eigentlich gar nicht das ist, was ich will und brauche, um glücklich zu sein. Ich habe alles, aber manchmal will ich das gar nicht. Ich will Neues und Aufregendes und Abenteuer. Wenn ich etwas gelernt habe, dann dass es einen Unterschied gibt, zwischen dem was andere Leute (für dich) wollen und dem, was du willst. Ich möchte mich nicht länger fragen: Habe ich das richtig gemacht? Ist es für die Gesellschaft ok, wenn ich das so mache?
Erfolg geht vorüber, Versagen ist unausweichlich – und das ist nicht nur ok, das ist sogar nötig. Versagen hilft uns, die Person zu werden, die wir vielleicht sein wollen und zu verstehen, dass wir am Ende vielleicht auch einfach gar nichts wissen oder gar nichts gelernt haben. Wir sind wandelbar. Wir sind zerbrechlich. Wir sind Wasser und Sternenstaub und ein bisschen Haut und Knochen.
Natürlich verändern sich unsere Pläne und natürlich wachen wir manchmal auf, nur um festzustellen, dass unsere Träume ausgeträumt sind. Wir sind gar nicht dazu bestimmt, für immer zu sein und zu wollen. Nein, unser Kompass kann in neue Richtungen zeigen. Versagen zeigt, was es heißt, der Kompassnadel zu folgen, sich neu zu orientieren. Wenn ich weiß, dass etwas nicht passt, dann macht es mir mittlerweile sogar Freude, etwas zu finden, das es stattdessen tut.
Was uns Versagen lehrt
Oh, Versagen lehrt uns so viel. Dass Freude sich im scharfen Glas des Schlecht-Seins bricht und neue Möglichkeiten reflektiert. Ich weiß, dass ich auch nein sagen kann. Und es manchmal sogar muss. Ich kenne meine Grenzen schneller und besser. Ich weiß, was ich brauche, weil ich weiß, was ich kann – und was eben nicht.
Eine andere Richtung einzuschlagen, sich abzuwenden, scheint für viele Menschen unlogisch, ja furchterregend. Aber zu versagen und dir damit Zeit und Raum zu geben, deinen Instinkten zu vertrauen – ist das wirklich so furchteinflößend? Natürlich kann es sein, dass du dabei versagst. Es kann sogar sein, dass du es am Ende bereuen wirst. Aber: Versagen kann auch dazu führen, dass etwas besser wird. Viel besser, als du dir in deinen kühnsten Träumen erhofft hast. Es gibt keine andere Möglichkeit es vorher herauszufinden, du musst es einfach machen.
Egal wie gruslig das erst einmal ist, es kann auch verdammt cool sein. Du hast genug Zeit, dich auszuprobieren (und dabei ist es egal, wie alt du bist). Vielleicht klappt es nicht. Versuche etwas anderes und wenn du es zu sehr versucht hast, dann kannst du auch damit aufhören. Dann hast du immer noch die Möglichkeit, etwas aus dieser Erkenntnis zu machen.
Versagen ist ein Zeichen
Versagen ist ein Ausbruch. Eine Art Rebellion gegen das, was dir gesagt wurde, gegen das, was „man“ macht. Versagen bedeutet: „Ich will das nicht. Ich probiere etwas anderes.” Versagen ist ein Sieg. Der Sieg des Sturköpfigen, der Sieg des Selbstbewusstseins. Worin du versagst, kann dir später noch nützlich werden. Ich verstehe Versagen mittlerweile gerne als die Stille zwischen zwei Sätzen. Die (lange) Pause, bevor etwas ganz, ganz toll wird. Es verheißt Dunkelheit, aber auch Möglichkeit und Kraft. Versagen kann Wut auslösen – und tut es häufig auch.
Wut ist keine schlechte Sache. Nein, Wut ist eine Kraftquelle, die du auf deinem Weg nutzen kannst. Du versagst und du weißt einmal mehr, dass dieser neue Weg für dich nicht funktioniert. Von dieser Erkenntnis aus, suchst du dir einen anderen Pfad.
Wenn du „Nein“, oder „Ich kann so nicht weitermachen“, sagst, dann schreibst du deine Geschichte neu. Du bearbeitest sie auf die Weise, die dich besser fühlen lässt. Es heißt vielleicht, dass du nur langsam vorankommst, während alle anderen sagen, dass du schnell machen sollst. Oder dass du stoppst und alles loslässt, was du jemals wolltest.
Das Versagen schreibt die spannenden Geschichten
Versagen ist die plötzliche Wendung, der Twist in einem Kapitel, dessen Ende du zu kennen glaubtest. Dabei sind in Geschichten doch die plötzlichen Wendungen die interessantesten Stellen. Wer möchte denn schon bei einem guten Buch zu der Stelle kommen, an der es endet, an dem sich alles auflöst? Ich mag es, längere Geschichten nicht zu beenden, einfach, weil ich sie so mag, dass ich sie nicht loslassen will.
Was ist jetzt so toll daran, Dinge, die auseinander fallen gehen zu lassen? Man schafft Platz für Neues. Es ist eine Kunst des Werdens oder Nichtwerdens. So schön zu versagen, dass du keine andere Möglichkeit hast, als etwas Neues auszuprobieren. Etwas Neues, Überraschenderes, Passenderes. Ich bereue es nicht, (neue) Dinge ausprobiert zu haben. Ich nehme mittlerweile sogar gerne in Kauf, dass ich scheitere. Es ist nicht schlimm, wenn es passiert. Dann weiß ich, was ich nicht kann und was ich vielleicht lieber will. Und nun, wie geht´s jetzt weiter? Es ist ok, sich diese Frage verzweifelt zu stellen. Davon geht die Welt nicht unter. Die Sonne glitzert immer noch hell am blauen Himmel. Beginne neu. Genieße den Weg. Denn irgendwann wirst du ankommen.
Versagen ist nicht das Ende, es ist der Anfang. Versuche dein Bestes, lass es passieren und wenn dann doch alles auseinander bricht – dann bist du Besitzerin dieses goldenen Moments und hast Material alles neu zu bauen.
Dieser Text ist bereits auf Janinas Blog erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.
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