Ich denke, jeder von uns glaubt an etwas. An Familie, an Gott, an Geld.
an Essen. Vor ein paar Jahren ist mir aufgefallen, dass unserer Ernährungsweise eine ganz neue Rolle zugeschrieben wurde, die vergleichbar mit der Rolle einer Religion ist.
Fangen wir jedoch von vorne an.
Es war mir immer wichtig, wie ich mich ernähre. Immer abwechslungsreich, um
dem Organismus alle wichtigen Vitaminen und Minerale zu sichern. Diese
Einstellung finde ich vollkommen in Ordnung.
… Schwindel in meinem Kopf erscheint erst dann, wenn ich in einem
Supermarkt Milch wählen muss. Mit 00,1 Laktose, 3,2% frische Biomilch, 2,0%
Milch, Sojamilch mit Mandel-oder Kokosnussgeschmack und endlich die
gesundeste Milch UHT mit einem über 1 Jahr Haltbarkeitsdatum.
Die Entscheidung fällt einem dann ein bisschen schwieriger, vor allem wenn
man die Unterschiede nicht richtig erkennen kann. Mit all den Jahren des
Kampfes gegen Reizdarmsymptomen bin ich auf dem Feld „gesunde und
ausgewogene Ernährungsweise“ zu einer Expertin geworden.
Ich nehme einfach Biomilch mit dem 3,2% Fettanteil.
Ein paar Regale weiter sehe ich ein älteres Paar, die anscheinend auch in eine
sehr schwierige Lage gebracht wurden. Es gibt momentan unendlich viele
Sorten von Brot und Brötchen. Nun Weißbrot ist schon seit langem verboten.
Und Vollkorn ist nur Vollkorn.
Und zu wenig Ballaststoffe sind da drin. Und glutenfrei sollte es auch
sein und zuckerfrei und eifrei und am Ende ist es brotfrei.
Ich verlasse dann den Supermarkt mit meiner Biomilch in der Einkaufstasche.
Und beobachte die überfüllten Reformhäuser, wo die Menschen in unserem
Jahrhundert sich so besonders wohl fühlen. Ich gehe auch gerne dahin, weil ich
mich selbst glutenfrei ernähre. Oder besser gesagt: ernähren muss.
Ich schaue mir die Gesichter der Menschen an und irgendwie sehen sie nicht
glücklicher aus.
Aber sie glauben an die Etiketten VEGAN, VEGETARISCH, LAKTOSEFREI,
GLUTENREI, WEIZENMEHLFREI und es ist das
Wichtigste. Nun, ich habe ein bisschen Angst, dass sie zu Fanatiker werden.