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Eltern gegen Pädagogen – muss das sein?

Noch nie habe ich so viele Beschwerden von Eltern zu lesen bekommen wie in diesen Tagen. Ich weiss nicht woher diese Einstellung kommt doch werde ich versuchen ihr heute auf den Grund zu gehen. Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Genauso wie Erzieher, Lehrer usw. Doch immer mehr kommt es zu Konflikten, die so nicht sein müssten. Denn nur wenn man gemeinsam an einem Strick zieht, kommt man vorwärts.

 

In unserer Familie hat noch nie jemand eine 4 im Zeugnis
gehabt!“ „Mein Kind muss gar nichts wenn es nicht will!“ „Es hiess:
„Jedes Kind wird dort abgeholt wo es steht!“ „Warum muss mein Kind mit 5
Jahren denn eine Schere halten können, immer dieser Druck von den
Erzieherinnen!“

Für die Eltern ist das eigene Kind natürlich das schlauste, schönste,
begabteste und beste Kind überhaupt. Sie haben meist keinen Vergleich
und keine Erfahrung und niemand kann es ihnen verübeln. Wir Betreuer
haben da einen meist nicht so verklärten Blick und sind nicht emotional
eingebunden. Wenn mir dann eine Mutter, nach ihrem ersten Kind, dass
gerade mal 22 Monate und 4 Tage alt ist, sagen möchte, dass sie nun
Erziehungsexpertin ist muss ich einfach nur schmunzeln. Auch ich würde
mich nach 17 Jahren mit Kindern nicht als Expertin bezeichnen, aber gut.

Man kann nicht überall gleich gut sein

Schade finde ich es, wenn Erzieherinnen, Betreuer und Lehrer
persönlich angegriffen werden wegen den schlechten Leistungen ihrer
Kinder. Manche Eltern scheinen nicht begreifen zu wollen, dass man eben
nicht in jedem Fach brillieren kann. Und was genau benotet wird,
entscheiden auch nicht die Lehrer, sondern das Schulsystem. Man hat
Lehrpläne und Vorgaben. Stattdessen gehen Eltern auf Lehrer und Erzieher
los, drohen gar mit Anwalt. Oder schleifen das Kind von einer Förderung
zur nächsten, was mehr Schaden anrichtet, als was es hilft. „Warum muss
mein Kind im Morgenkreis sitzen?“ Ja, wenn es da nicht sitzen (und sich
konzentrieren) lernt mit 5 Jahren für 20 Minuten, wie will es dann bald
in der Schule sitzen, 45 Minuten am Stück, für ein paar Stunden?

Diese „Königskinder“ die nur das machen auf was sie Lust haben

Werden später auch grosse Probleme haben, denn das „Nach Lust und
Laune Prinzip“ funktioniert in der Welt nicht. Und das kann man auch
nicht auf die Betreuungspersonen abschieben, die das wieder gerade
biegen sollen. Denn man kann bei einer 25 Schüler grossen Klasse
niemanden da abholen wo er steht, wenn man erst anfangen muss die Kinder
von Grund auf zu erziehen. Bei vielen mangelt es an Respekt, denn zu
Hause haben sie ja die Hosen an. Wie soll da ein Pädagoge gegen
ankämpfen, wenn er noch weitere 24 Kinder hat für die er zuständig ist?
Herrscht nicht schon seit Jahrzehnten immer wieder Grundschullehrer
Mangel. Noch nie überlegt warum? Wer tut sich das denn noch freiwillig
an? 25 Kinder, wenn da nur 3 meinen sie machen nur auf was sie Lust
haben, na dann viel Spass.

Eltern sollten sich wieder vermehrt an ihren Erziehungsauftrag erinnern

Und Kindern die Basics des Miteinanders beibringen. Bitte, Danke
sagen. Ausreden lassen, Respekt usw. Es ist nicht Aufgabe der Eltern,
das Kind rund um die Uhr glücklich zu machen, sondern zu erziehen. Sie
fit zu machen für das Leben da draussen. Eltern sind auch nicht die
Kumpels ihrer Kinder, stattdessen sollten sie einen roten Faden haben!
Ich bin auch kein Fan von Erziehungsratgebern, denn es gibt kein
„Rezept“ mit dem das alles gelingt. Jeder muss individuell entscheiden
was für ihn und sein Kind funktioniert und was nicht. Am Anfang, als ich
diesen Blog anfing zu schreiben, fragten auch viele nach
Praxisbeispielen, doch was bringt euch das? Nichts, denn was bei dem
einen funktioniert, funktioniert beim nächsten nicht. Es sind nur
Anregungen und Erfahrungen die man weiter geben kann.

Das Kind als Individuum mit verschiedenen Begabungen sieht das System nicht

Und statt sich stark zu machen für einen Wechsel, dreschen Eltern auf
Erzieher und Lehrer ein, die am wenigsten dafür können. Was nichts
bringt, ausser Frust auf beiden Seiten und immer weniger Leute die sich
den Beruf Freiwillig antun. Man will zu jeder Zeit bessere Förderung.
Vergisst aber mal auch gern aus den Augen, dass Förderung und Lernen
nichts mit Frontalunterricht zu tun hat.

Als ich noch in der Krippe war, haben auch Eltern gefragt, warum wir
die Kinder nicht mehr „Fördern“. Malen, Basteln, Freispiel und Singen
sei ja keine Förderung in dem Sinne. Also versteckten wir Rausgehen und
Freispiel unter: Motorische Frühförderung, Förderung des
Sozialverhaltens und der Kreativität. Singen hiess nun Musikalische
Frühförderung und Malen nannten wir Künstlerische Frühförderung. Alle
waren glücklich, denn geändert hatte sich ja nichts, nur der Name. Das
Ergebnis war gleich. Es klang aber mehr nach Arbeit, nach lernen, nach
fördern. Manche beschwerten sich im Nachhinein, wir würden zu viel
fördern, na ja.

Jedes Kind hat seine Stärken und Schwächen, so wie jeder Erwachsene

Die Schule bewertet aber nur einige Facetten nach Schema F und es
gibt bei den meisten Tests auch nur eine mögliche Antwort. Und anstatt
auf die Erzieher und Lehrer los zu gehen liebe Eltern, geht doch und
schimpft dort wo es angebracht wäre, sammelt Unterschriften, empört
euch! So wie viele von euch sich empören bei ihren Freundinnen über die
doofe Erzieherin, Lehrerin oder sich auskotzen im Netzt in ihren Blogs
oder in den Foren. Die wenigsten stellen aber das gesamte System in
Frage. Oder machen sich stark für einen grösseren Personalschlüssel und
besseren Arbeitsbedingungen was allen zugut kommt. Wenn wir es selber
mal doch tun sollten, sind wir die grossen Idioten die es wagen für ihre
Rechte auf die Strasse zu gehen. Denn auch wir Pädagogen finden das
System nicht dufte, doch wir sind zu beschäftigt damit eure Kinder
(nach) zu erziehen, euren Ansprüchen, den Kindern und denen unseren
Vorgesetzten zu genügen. Nebenbei sollen wir eure Kinder noch fördern,
die vorgegebenen Lernziele erreichen, in den Kitas jonglieren und
rotieren, da ständig Personalmangel herrscht. Da bleibt keine Zeit mehr
das System verändern zu wollen, weil wir auch keine Nerven mehr dafür
haben. Und wenn wir es doch tun, stossen wir bei den Eltern nicht auf
Sympathie, ganz im Gegenteil.

Bevor mancher von euch dann wieder auf die Kita, Schule usw.
schimpfen will, bitte ich euch gewisse Punkte zu überdenken. Und wie
sagte Einstein (es ist nicht zu 100% sicher ob es wirklich von ihm ist)
so treffend:

“Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du
einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird
er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.”

Dieser Beitrag erschien auch auf meinem Blog: NannyAnny.net

 

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