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Unternehmen müssen endlich aufhören, Mütter beim Wiedereinstieg zu schikanieren

Abwertung statt Unterstützung: Robert Franken beobachtet, wie Unternehmen den Müttern (und Vätern), die ihren Wiedereinstieg nach der Elternzeit planen, gegen den Karren fahren, anstatt sich auf ihre Seite zu stellen. Das muss endlich aufhören!

 

Wollen wir uns das leisten?

In letzter Zeit drehen sich die Diskussionen in meinem weiblichen Freundes- und Bekanntenkreis häufig um das Thema Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Es scheint dabei nur noch ein einziger Parameter bei der Einschätzung von (auch potenziellen) Arbeitgebern zu existieren, und zwar die Frage: Stellt das Unternehmen Mütter in Teilzeit ein?

Auf den ersten Blick mag diese Diskussion niemanden erstaunen, man begegnet ihr schließlich überall. Ich behaupte jedoch, dass wir so an sie gewöhnt sind, dass wir sie gar nicht mehr hinterfragen. Dabei handelt es sich um eine in meinen Augen skandalöse und aus den Fugen geratene Situation. Man führe sich diese einmal genauer vor Augen.

Abwertung statt Unterstützung

Da gibt es Hunderttausende größtenteils hoch qualifizierter Arbeitskräfte, deren Motivation ebenso groß sein dürfte wie ihre Fähigkeit, Dinge effizient zu organisieren und umzusetzen. Ich spreche von Müttern. Doch statt sich die Finger nach dieser Gruppe zu lecken, stilisieren Unternehmen sie zum Problem. Und zwar zu einem Problem, dem sie qua Gesetz zwar nicht ausweichen können, das sie aber in Einzelfällen auf so derbe Art lösen, dass dem Betrachter schier die Luft wegbleibt.

Personaler erdreisten sich, die Kohorte der Mütter als „Hausfrauensammelbecken“ zu diskreditieren. Mobbing ist an der Tagesordnung. Je früher man die unliebsamen Arbeitnehmerinnen wieder los wird, desto besser. Selbstverständlich gibt es auch viele Mütter, die in Vollzeit zurückkehren, aber unser Ziel muss die individuelle Wahlmöglichkeit vor dem Hintergrund bestmöglicher Vereinbarkeit sein – keine Unterordnung unter ein Arbeitgeberdogma.

Der Blick einer finnischen Journalistin auf Deutschland zeigt die ganze Dimension unseres Problems. Dann finde ich eine Statistik, der ich kaum Glauben schenken kann. Es geht um Familien, in denen das jüngste Kind zwischen sechs und 14 Jahre alt ist. Wenn eine solche Familie in Finnland lebt, dann arbeiten in 72 Prozent der Fälle beide Elternteile in Vollzeit. In Deutschland liegt diese Zahl bei nur 18 Prozent; der Unterschied ist riesig. Es trifft vor allem die Frauen.

Die Situation ist regelrecht absurd. Auf der einen Seite lamentieren Arbeitgeber über den Fachkräftemangel und beschwören politische Intervention angesichts pessimistischer Zukunftsszenarien. Parallel dazu läuft die eigene Employer-Branding-Maschine auf Hochtouren, um das eigene Unternehmen im besten Licht dastehen zu lassen. Doch die Potemkinschen Dörfer unternehmerischen Kümmerns um die eigenen Angestellten sind längst ihrer Tarnung beraubt. In der Realität gelten Mütter und Frauen in Teilzeit als lästige Bittsteller. Sie werden allenfalls ertragen, von aktiver Einbindung sind wir in der Regel weit entfernt.

Haben wir sie noch alle? Ganz offensichtlich nicht. Laut einer Studie lassen sich Beruf und Familie nur in Japan so schlecht vereinbaren wie bei uns. Es herrscht riesiger Frust und das Gefühl der Wertlosigkeit unter vielen Müttern. Das ist in Zeiten hormoneller und energetischer Herausforderungen der Mutter- und Elternschaft doppelt perfide.

Was mich an den Diskussionen im Bekanntenkreis zudem erstaunt, ist die Perspektive, die manche Frauen im Diskurs einnehmen. Sie argumentieren in ganz vielen Fällen gegen ihre eigenen Interessen und Standpunkte, indem sie diejenigen ihrer Arbeitgeber einnehmen. Sie äußern vielfach sogar Verständnis für deren Sorgen und Nöte und machen sich ihrerseits Vorwürfe, sie würden das Unternehmen im Stich lassen. Das ist spätestens der Zeitpunkt, an dem sich meine Wut Bahn bricht. Statt Advokatinnen ihrer selbst zu sein, geißeln sich diese Frauen noch ob eines vermeintlichen Defizits.

Genug davon!

Aber jetzt verrate ich den Personalern und den Unternehmen, die glauben, sie könnten sich ein Verhalten wie oben beschrieben leisten, mal ein Geheimnis: Das dicke Ende wird kommen. Das Verhalten gegenüber Wiedereinsteiger_innen und Teilzeitkräften wird sich sehr wohl deutlich auf die eigene Reputation als Arbeitgeber auswirken. Denn es geht nicht mehr nur um diejenigen, die sich nur schwer wehren können und konnten. Ich bin jetzt auch im Spiel, und mit mir Millionen ähnlich empfindender Frauen und Männer!

Wir haben die Schnauze voll davon, dass ihr uns und unsere Frauen behandelt wie Menschen zweiter Wahl. Wir können euer diskriminierendes Kalkül im Umgang mit Müttern und Vätern nicht mehr ertragen. Wir haben euer Gejammer satt, wie schwierig es sei, Schwangere und Mütter in der ein oder anderen Abteilung zu ersetzen. Wir wehren uns gegen die Abwertung ganzer Bevölkerungsgruppen und dagegen, dass ihr uns allen die Vereinbarkeit so schwer macht. Ihr seid nicht mehr der Mittelpunkt von allem. Wir sind es.

Natürlich sind nicht alle Unternehmen böse, und selbstverständlich gibt es zahlreiche positive Beispiele wertschätzender Unternehmenskulturen. Aber wer sich einmal bei jungen Müttern und Vätern umhört und ernsthaft versucht, ihre Situation zwischen Kind und Karriere (und zum Teil auch Pflege) zu verstehen, der wird begreifen, dass die große Mehrheit der Mütter und Eltern in Deutschland nach wie vor unter den gegenwärtigen Bedingungen leidet. Elternschaft, insbesondere Mutterschaft (von den Alleinerziehenden mag ich gar nicht erst reden) ist der Einstieg in die berufliche und soziale Abwertung. Und das im Jahr 2016, und das in einer der größten Volkswirtschaften der Welt.

Andere Fragen fragen

Können wir uns das leisten? Ganz offensichtlich: ja. Daher muss die Frage anders lauten: Wollen und dürfen wir uns das leisten? Aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive muss eine ethisch-moralische Diskussion werden. Am Ende wird dann auch wieder eine volkswirtschaftliche Debatte daraus; nämlich dann, wenn sich die Motivation und Loyalität der einstigen Minderheit in ein gesteigertes Bruttoinlandsprodukt übersetzen lässt.

Fangen wir also endlich damit an. Zeigen wir jungen Mitarbeiterinnen, dass unser Umgang mit Müttern und Eltern höchste Priorität in unseren Firmen genießt. Sie werden es uns danken. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen einer Mitarbeiterin, die damit rechnen muss, ihren Kinder- und Familienwunsch mit einem signifikanten Karriereknick zu bezahlen, und einer Berufseinsteigerin, die von diesbezüglichen Positivbeispielen umgeben sicher sein kann, dass ihre berufliche Zukunft im Unternehmen liegt. Und zwar völlig unabhängig davon, ob sie Kinder bekommen will, wann sie diese bekommt und wie viele Kinder es sein sollen.

Wir können uns nicht länger mit dem Status Quo abfinden. Etwa, dass Unternehmen damit durchkommen, wenn sie junge Frauen und Männer diskriminieren. Ich bin die Diskussionen leid, in denen sich vor allem junge Frauen gegenseitig ihr Leid klagen: von unnachgiebigen Arbeitnehmern, diskriminierenden Vorgesetzten und schikanösen Kolleg_innen. Höchste Zeit also, dass wir Dinge im Bewusstsein unseres Könnens unnachgiebig einfordern. Die Zeit ist ohnehin auf unserer Seite.

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