Foto: ©Sieglinde Bach

Hashtag hartaberfair vom 05.09.16

Hashtag hartaberfair: von Pazifisten, Desillosionisten und Möchtegernfeministen

 

Fünf Gäste, ein Moderator, eine Beauftragte für die Onlineforen, ein Publikum im Studio und ein Publikum hinter dem Bildschirm.

Eine Diskussion über die Überflutung durch Menschen in Deutschland. Datenmäßig gibt es da einiges zu klären, denn ich weiß nicht ob sich AfD und Co. bewusst sind, was eine Überflutung bedeutet.

In der Debatte um die Flüchtlinge sind gewisse Aussagen bereits zu Phrasen geworden, die bei manchen leider immer noch zu der Illusion führen, die AfD hätte irgendein menschliches Interesse. Sie versuchen Angst zu schüren indem sie die Sorgen der Menschen ausnutzen und diese verstärken bis radikalisieren. Meistens, sind wir da ehrlich, geht es bei dieser Angst ohnehin um die Sorge vor Verlust von Reichtum, in welcher Art auch immer. Denn Platz ist genug da und ein sicheres System haben wir auch. In Deutschland wird niemand verhungern, weil schon halbverhungerte Menschen nun gemeinsam mit uns leben.

Was mir erneut bei dieser Diskussion aufgefallen ist: die Instrumentalisierung der Frauenfigur. An sich verläuft die Diskussion während der Sendung relativ entspannt. Doch wird von uns Frauen gesprochen, da muss sich der hellhäutige Mann im Anzug aufplustern, Bogen und Pfeil in die Hand nehmen, um uns Frauen zu beschützen. Da spricht die AfD am lautesten und aggressivsten, immerhin geht es um die deutschen Frauen. Guido Reil (AfD) redet sich in Rage, unterbricht die anderen und bekommt so viel Redezeit, das ich mich gefragt habe, wo die Moderation bleibt. Dann sagte Frank Plasberg auch was, und schien  sichtlich ermuntert und bestätigt durch die hetzerischen Aussagen des AfD-Mitglieds. Wie in der Sendung hervorgebracht wurde, scheint Gewalt gegen Frauen erst seit der Kölner Silvesternacht sichtbar und diskussionswürdig geworden zu sein. Dies würde bedeuten, wir haben lauter Emanzipatoren*innen und Feministen*innen unter uns. Was aber eine falsche Annahme ist. Denn das Interesse an dieser Thematik besteht lediglich darin, dass die Männer, die sich rechtswidrig verhalten haben, aus einer fremden Kultur sind. Gegenstand der Diskussion sind nicht emotionale und/oder körperliche Verletzung der Frauen. Die Schuldzuweisung ist vielmehr Gegenstand der Diskussion und drängt die Frau als selbstbestimmtes Wesen immer wieder in den Schatten. Dies geschieht vor allem durch ihre Instrumentalisierung, um mit diesem Thema in anderen Bereichen zu profilieren. Der chauvinistische Charakter dieses Vorgehens gleicht immer gleichen Mustern, die auch in der Geschichte im selben Maße aufzufinden sind. Nur noch die Bettitelung “Weiber” fehlt hier. Vielleicht so ähnlich wie “Mein Weib fass nur ich an!”.

Die Aussage ist ungefähr so zu verstehen: bis heute war alles in Ordnung. Was hinter verschlossener Tür passiert, geht die Öffentlichkeit nichts an. Auch heute, nachdem sich so viele scheinbar feministisch äußern, ist dies nicht Gegenstand einer Diskussion. Männliche Feministen völlig fehlplatziert. Wer einen Diskurs verwendet, um diesen zu eigenen Gunsten auszubeuten und ihn somit zweckentfremdet, handelt nicht der Sache wegen, sondern nur aus Eigennutz. Die Hetze auf andere Kulturen, bei denen es ja “sichtbarer” ist, dass die Frau unterdrückt wird, was auch “den Frauen hierzulande” drohen könnte, ist zum alltäglichen Thema geworden. Dabei geht es nicht um Gewalt von Männern gegen Frauen, sondern nur um die Gewalt von dunkelhäutigen Männern gegen deutsche Frauen.

Die Silversternacht von Köln stellt einen  zahlenmäßig großen Angriff auf Frauen im gleichen Zeitraum dar. Dies rechtfertigt jedoch nicht logisch die Aussage, dass Gewalt gegen Frauen “nur” von Männern aus einer anderen Kultur ausgeübt wird. Diese Aussage führt nach einem bestimmten Schema zur Stigmatisierung bestimmter religiöser oder kultureller Gruppierungen.

Zudem hat der Guido Reil (AfD) während der Sendung ähnlich dem Wortlaut folgendes gesagt: “Menschen ab 18 haben schon eine Erziehung hinter sich, da kann nichts mehr passieren oder geändert werden.” Diese Art von Aussage ist menschenverachtend und höchstgradig aggressiv. Welches Ziel hat sie? Was sollen wir denn mit Menschen machen, die nach Meinung von AfD-Mitgliedern nicht in unsere Gesellschaft passen? Das sind Aussagen, die Gewalt provozieren und Motivation zur Hetze haben. Es sind versteckte Botschaften mit einer Rhetorik, die immer im selben Maße aus der Rechten Ecke kommt. Auch Plasberg hat sich gegenüber der einzigen Frau in der Sendung eigenartig verhalten. Als Gesine Schwan (Politikwissenschaftlerin) von zahlenmäßig großer Gewalt gegen Frauen im Alltag sprach und damit Köln als Zentralpunkt einer solchen Diskussion ernüchtern wollte, rief Plasberg die Regie dazu auf, Bilder von der Kölner Silvesternacht zu zeigen. Dieser Moment hat den Anschein erzeugt, Gewalt ist nur dort, wo sie sichtbar ist. Fataler Irrtum der auch Zuschauer*innen verunsichert und sie in ihrer Hetze bestätigen kann. Auch die Aussage “Gegen Angst helfen Statistiken nicht” hat für mich eine ziemlich ernüchternde Aussage der Wissenschaft gegenüber. Richtig, die Angst scheint bei manchen Menschen real zu sein, aber nicht immer gerechtfertigt. Die Wissenschaft jedoch so abzustufen und nach Nazirhetoriken diese zu degradieren hinsichtlich einer besseren oder stimmigeren “Wahrheit” (da Bilder als Beweis aus Köln), ist ebenfalls ein Faktor, der Zuschauer*innen höchstgradig verunsichern und natürlich in AfD-Stimmung bringen kann.

Gerade wir Frauen dürfen uns nicht instrumentalisieren lassen, wann es einem Käsebrotpatriarchat passt, sondern müssen uns für Humanität, Solidarität und Demokratie einsetzen, vor allem aber lauter sprechen. Am Ende müssen wir es ohnehin ausbaden, wenn sich das Patriarchat in ihrer Macht bedroht fühlt und anfängt, sich mit Gewalt zu verteidigen und ein Chaos anzurichten.Ein feministischer beziehungsweise emanzipatorischer Einsatz engagiert und ehrlich, wäre löblich und zukunftsweisend, würde es sich nicht um eine Täuschung von privilegierten Rassisten handeln, die nur Hass und Hetze im Sinn haben. 

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