Wie ist es, eine Beziehung zwischen New York und London zu führen? Das haben wir das Fotografenpaar Larissa Hofmann und Thomas Lohr gefragt, die ihre Fernbeziehung ein Jahr lang für das Zeitmagazin dokumentieren werden.
Über ein Paar, zwischen dem hunderte Kilometer Entfernung liegen
Was macht es mit der Liebe, wenn man eine Fernbeziehung führt? Noch dazu eine, die hunderte von Kilometern überwinden muss? Das Fotografenpaar Larissa Hofmann (24) und Thomas Lohr (36) lebt genau diese Beziehung miteinander und wird diese ein Jahr lang für das Zeitmagazin dokumentieren. Uns haben sie erzählt, was das Gefühl von Sehnsucht mit ihnen macht, wie es ist, wenn man als Paar den gleichen Beruf ausübt und was ihnen in den Sinn kommt, wenn sie an ihren Geburtsort Bayern denken.
Ihr werdet für das Zeitmagazin ein Jahr lang eure Fernbeziehung dokumentieren – konzentriert ihr euch dabei auf das Gefühl einer Lücke oder auf das Gefühl für das, was da ist?
Thomas: „Eine Fernbeziehung besteht aus beidem und das wollen wir auch gerne zeigen. Wir werden nicht nur unsere Beziehung dokumentieren, sondern auch unser alltägliches Leben, wir werden also Motive und Situationen zeigen, die wir sehen und gerne miteinander teilen.“
Larissa: „Bilder sind unsere Art, uns gegenseitig unser Leben mitzuteilen. Der andere ist nicht da, also senden wir ein Bild, um zu zeigen, was uns passiert, was wir machen, oder auch einfach was uns gefällt. Wenn ich Thomas ein Bild schicke, weiß ich, dass er damit etwas anfangen kann, denn auch wenn wir über mehrere Wochen getrennt sind und unterschiedliche Arbeitsplanungen haben – wir sprechen die gleiche Bildsprache. Ob wir damit Lücken füllen oder nicht, das spielt in dem Fall keine Rolle.“
Worin besteht für euch der Reiz an diesem Projekt – und habt ihr schon eine Ahnung, was der jeweils andere einreicht oder lasst ihr euch davon überraschen?
Larissa: „Wir haben sonst selten die Chance, über einen längeren Zeitraum miteinander zu arbeiten. Die gemeinsame Arbeit für das Zeitmagazin lässt uns beide einmal pro Woche innehalten, um uns auf uns und die Fotografie zu fokussieren. Wir haben bei der Fotokolumne viel kreativen Freiraum, es macht großen Spaß, eine gemeinsame und dennoch jeder eine eigene Sprache zu finden. Geplant ist bisher relativ wenig – wir lassen uns davon ebenso überraschen wie die Leser. Aber natürlich besprechen wir gemeinsam was wir zeigen wollen.“
Thomas: „Der Reiz besteht für mich besonders darin, an einem Projekt zu arbeiten, das unsere Beziehung zeigt und dadurch sehr persönlich ist. Da ich ein sehr privater Mensch bin, sehe ich es auch als Herausforderung, mehr von mir Preis zu geben, als ich das normalerweise tun würde.“
Auf dem ersten Bild eurer Fotokolumne bist du, Larissa, vor der Kulisse von Manhatten zu sehen. Du lebst in New York – und du, Thomas, in London. Inwiefern spielen die Städte für euch persönlich und für eure Arbeit eine Rolle? Wie verändert das Außen das, was im Inneren als kreativer Prozess passiert?
Thomas: „London ist eine eher graue Stadt, die nicht unbedingt für ihre Schönheit oder das gute Wetter bekannt ist. Ich denke, dass genau diese Umstände dazu geführt haben, dass London sich schon vor langer Zeit zu einer der wichtigsten kreativen Metropolen entwickelt hat. Ich bin vor sechs Jahren aus New York nach London gezogen und die Stadt hat meine Kreativität und Arbeit auf jeden Fall geprägt.“
Larissa: „Für mich war New York von Anfang an eine sehr energetische Stadt – es ist das Kontrastprogramm zur Oberpfalz, wo ich herkomme. Ich genieße es, abends auf den verrücktesten Dinnerparties mit den interessantesten und lustigsten Leuten zusammen zu kommen. Dennoch bedeutet New York für mich in erster Linie Arbeit. Natürlich kann ich mir nicht erlauben, drei Tage faul auf der Couch zu liegen. Ich arbeite viel und knüpfe Kontakte mit Menschen, die mir weiterhelfen oder Rat geben.“
Larissa Hofmann in ihrem Schlafzimmer in Manhatten. Quelle: Larissa Hofmann für das Zeitmagazin 1/2017.
Ihr seid beide in Bayern geboren. Was kommt euch als erstes in den Sinn, wenn ihr an den Ort denkt, in dem ihr aufgewachsen seid?
Thomas: „Ich komme aus dem Allgäu und denke als erstes an grüne Wiesen, Berge aber natürlich auch an meine Eltern, die mir sehr wichtig sind und die noch in dem Haus wohnen, in dem ich aufgewachsen bin. Leider habe ich durch das viele Reisen wenig Zeit, sie zu besuchen aber ich denke, auch das wird sich vielleicht irgendwann ändern.“
Larissa: „Da hat Thomas recht – nach Hause kommen zu den Eltern, das ist das Schönste! Ich komme aus einer sehr kleinen Stadt in der Oberpfalz. Wenn ich an meine Heimat denke, denke ich an gute Luft und an eine unvergleichbare Freiheit. Wenn ich nach Hause komme, nehme ich meinen Hund und mein Rad und fahre in die Felder. Ich bin dann alleine, kann aufatmen und merke wie sehr mir das fehlte. Das lädt den Akku wieder auf.“
Entfernung kann schmerzhaft sein und ebenso kann Ferne Nähe im Moment der Sehnsucht verdeutlichen bzw. fühlbar machen. Was davon erlebt ihr in eurer Beziehung häufiger? Fällt es euch schwer, eine Fernbeziehung zu führen?
Larissa: „Wie zufrieden man ist, hängt ja viel damit zusammen, ob man gerade allgemein ausgelassen und entspannt oder gestresst ist. Man ist selbst zugänglicher, wenn man nicht tausend andere Sachen im Kopf hat. Da ist es dann allerdings egal, ob der andere bei einem ist oder in der Ferne sitzt. Dennoch glaube ich, dass es viel zu bedeuten hat, dass es mit unserer Fernbeziehung schon über zwei Jahre klappt. Vielleicht schaffen wir es ja 2017 uns öfter zu sehen und auch irgendwann in derselben Stadt zu wohnen: Es wäre schön, freie Tage gemeinsam zu verbringen, anstatt getrennt in London und New York.“
Thomas: „Es ist tatsächlich nicht einfach, eine Fernbeziehung zu führen, vor allem wenn man viel unterwegs ist und keinen geregelten Tagesablauf hat. Wir sind oft in sehr unterschiedlichen Situationen, wenn wir miteinander sprechen und manchmal ist es schwer, sich in den Partner hineinzuversetzen. Dadurch kommt es häufiger zu Missverständnissen, die in einer normalen Beziehung leichter auszuräumen sind als am Telefon.“
Macht es für eine Beziehung überhaupt einen entscheidenen Unterschied, wenn man hunderte Kilometer auseinanderlebt? Oder hat es auch Vorteile, eine Fernbeziehung zu führen – gerade, wenn man kreativ arbeitet?
Thomas: „Wir sind beide viel unterwegs und würden uns vielleicht ohnehin nicht oft sehen – aber ich denke schon, dass die Entfernung einen Unterschied macht. Für die Kreativität sehe ich keine Vorteile, im Gegenteil. Ich denke, dass man sich als Paar eher kreativ fördert je mehr Zeit man miteinander verbringt.“
Ich glaube, dass negative Gefühle oftmals ein stärkerer Antrieb in der Kunst sind als positive. Spielt Sehnsucht eine Rolle für eure Arbeit? Und ist das überhaupt ein negatives Gefühl?
Larissa: „Ich bin ein Mensch, der Melancholie als sehr interessant und schön empfindet. Melancholie bringt Ruhe mit sich, lässt mich innehalten und reflektieren. Das ist für mich und meine Arbeit wichtig. Dieses Gefühl ist für mich weder negativ noch hat es mit Thomas zu tun. Eher im Gegenteil: er gibt mir – obwohl wir nicht am selben Ort leben – eine Art Rückzugsort, gerade in traurigen Momenten.“
Thomas: „Ich empfinde Sehnsucht auch nicht als negatives Gefühl. Und natürlich können Gefühle bei der Arbeit eine Rolle spielen, abhängig von der Art des Projekts. Bei freien Arbeiten kann ein negatives Gefühl oft positiv umgesetzt werden, bei kommerzieller Arbeit ist das eher weniger der Fall.“
Wie funktioniert das, wenn ihr zusammenarbeitet? Tickt ihr dabei ähnlich oder ist das eher schwierig?
Thomas: „Wir haben uns beim Arbeiten kenngelernt und seitdem bereits öfter zusammen gearbeitet. Bisher allerdings eher in den Rollen Fotograf und Model. Mir macht es Spaß, mit Larissa zu arbeiten und da wir uns sehr gut kennen und vertrauen ist es leichter, tolle Fotos zu machen und neue Dinge auszuprobieren. Was das gemeinsame Fotografieren angeht, haben wir das so noch nicht probiert.“
Larissa:“ Das sehe ich genauso – als Model mit Thomas zu arbeiten, macht Spaß. Wir verstehen uns ohne große Worte. Dass wir für das Zeitmagazin beide als Fotografen zusammenarbeiten, ist neu für uns. Ich freue mich, dass ich bei dieser Zusammenarbeit gleichgestellt bin. Und ich bin stolz auf das Vertrauen, dass mir auch für die Rolle hinter der Kamera entgegengebracht wird.“
Verändert sich eigentlich der Blick auf die eigene Arbeit, wenn der Partner den gleichen Beruf ausübt? Denkt man bei den eigenen Arbeiten vielleicht den Blick des anderen mit oder trennt ihr das vollkommen voneinander?
Thomas: „Ich finde es toll, mich mit Larissa über meine Arbeiten auszutauschen, sowohl während der Planung eines Jobs als auch danach. Ich vertraue ihrem Geschmack und habe das Gefühl, durch den Austausch mit ihr auch etwas über mich selbst zu lernen.“
Larissa: „Das ist für mich schön zu hören. Denn mir macht es viel Spaß, Thomas zu begleiten und seit wir zusammen sind, habe ich dabei viel gelernt. Ich schule mein Auge und lerne dazu. Da freue ich mich natürlich zu hören, dass auch ich meinem alten weisen Mann noch Dinge beibringen kann (lacht). Er nimmt mich ernst, obwohl ich bei weitem noch nicht so viel Erfahrung habe wie er – und das gibt mir Selbstvertrauen. Dennoch sind unsere Stile nicht gleich, da wir beide sehr stur sind. Das wird sich auch in der Fotokolumne zeigen.“
Wie würdet ihr euren eigenen „Blick“ beschreiben – was macht für euch ein Motiv interessant und ein Bild gut?
Larissa: „Für mich sind die Bildkomposition, die Farbzusammenstellung, das Licht, und eine Echtheit immer wichtig. Das kommt wohl von meiner Zeit an der Kunstschule. Ich entscheide ganz bewusst, wie ich ein Bild anschneide und Details wähle. Letztlich ist es aber mein Bauchgefühl, eine Art Instinkt, der entscheidet, wann ich auf den Auslöser drücke. Ich stecke viel Herz mit rein. Denn ich liebe Kunst – und Fotografie ist eine ihrer schönsten Formen.“
Thomas: „Ich denke der ‚Blick’ eines Fotografen hat viel mit dem persönlichen Geschmack zu tun, der sich hauptsächlich durch das Elternhaus, Freunde oder die Ausbildung entwickelt. Wenn man sich lange Zeit mit etwas beschäftigt, schärft man seinen Blick und kann sich dadurch natürlich in seiner Arbeit viel präziser mitteilen. Ein Bild kann technisch perfekt sein – doch was ein Motiv letztlich interessant macht, liegt im Auge des Betrachters.“
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