Um jungen Frauen den Einstieg ins Berufsleben zu erleichern, gibt es immer mehr Mentoring-Programme. Wie sehr hilft das beim Start? Wir haben mit einer Mentee und ihrer Mentorin über ihre gemeinsame Erfahrung gesprochen.
Antworten, in einer Zeit der Fragen
Nach dem Schul- oder Uni-Abschluss folgt für die meisten eine Zeit der Fragen. Wo will ich hin, was sind meine Talente, wie erreiche ich meine Ziele? Doch an wen soll man sich wenden, wenn Familie und Freunde keinen Rat mehr wissen? Ein Mentoring-Programm will in solchen Momenten Abhilfe leisten. Berufseinsteigerinnen werden an erfahrene Mentoren vermittelt, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen.
Ein Förderprogramm, dass sich besonders auf die Förderung junger Frauen konzentriert, ist MentorMe. Für ein Jahr werden Neulinge der Arbeitswelt von ihren Mentorinnen betreut. Neben den Mentorings bietet die Organisation auch Webinare, Trainings und Networking-Angebote an. Die Organisatoren möchten nun insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund fördern und zusammenbringen. Zwei, die sich über das Programm gefunden haben, sind Menna Youssef und ihre Mentorin Christina Richter. Das letzte Jahr über haben sie gemeinsam darauf hingearbeitet, Menna ihren beruflichen Zielen näher zu bringen. Wir haben mit den beiden über ihre gemeinsame Erfahrung als Mentee und Mentorin gesprochen.
Christina, du arbeitest bereits seit zwei Jahren als Mentorin. Was fasziniert dich an dieser Aufgabe?
Christina Richter: „Ich habe mittlerweile rund zwölf Jahre Berufserfahrung aus verschiedenen Branchen und unterschiedlichen Unternehmenstypen – von einer Agentur über ein kleines, dann mittelständisches Unternehmen bis hin zum Konzern und heute als Freiberuflerin – und ich habe in dieser Zeit sehr viele Erfahrungen sammeln können. Das wollte ich gern an Menna weitergeben, die selbst noch ganz am Anfang ihres Berufslebens steht.
„Ich wusste mit Anfang zwanzig nicht, wohin die berufliche Reise gehen soll.“
Ich habe den Wunsch, dass sie aus den Gesprächen mit mir etwas mitnehmen kann, was ihr im Laufe ihres Berufslebens hilft – oder ihr auch helfen kann, ihren Weg überhaupt erstmal zu finden. Ich wusste mit Anfang zwanzig nicht, wohin die berufliche Reise gehen soll. Und ich hätte gern jemanden „Neutrales“ an meiner Seite gehabt, der mir den ein oder anderen Tipp hätte geben können. Daher gebe ich heute das, was mir damals gefehlt hat, selbst weiter: Meinen Wissens- und Erfahrungsschatz.“
Thema Erfahrungen: Menna, was konntest du bisher aus dem Mentoring mitnehmen?
Menna Youssef: „Was für mich besonders zählt, sind die Kontakte und das Netzwerk, dass das Mentoring mir als Mentee angeboten hat. Man trifft auf Leute, die ähnliche und unterschiedliche Erfahrungen haben. Man tauscht sich aus und lernt langsam, wie man auch ein Netzwerk für sich aufbauen kann. Das braucht jeder später im Berufsleben. Je früher man mit dem Netzwerk anfängt,
desto besser ist es.“
Ist ein Mentoring auch für die Mentorin lehrreich?
Christina Richter: „Auf jeden Fall. Bei jedem Gespräch bekomme ich auch eine andere Perspektive auf bestimmte Themen. Es ist mitunter sehr hilfreich, bestimmte Dinge auch mal wieder durch die Brille einer Berufsanfängerin zu betrachten. Es zeigt mir, wie sehr mich meine Erfahrungen doch schon geprägt haben und dass manchmal ein unvoreingenommener Blickwinkel sehr hilfreich sein kann.“
Wie wichtig ist Sympathie dabei?
Christina Richter: „Diese Frage kann ich nicht so richtig beantworten, denn bei meinen beiden Mentees bestand von Anfang an eine sehr sympathische Beziehung. Ich weiß daher gar nicht, wie es anders wäre.“
Menna Youssef: „Das stimmt, Christina und ich haben uns vom ersten Treffen an sehr gut verstanden.“
Christina Richter: „Ich denke, dass Sympathie in jedem Fall hilft, ein gutes Mentoring-Team zu sein. Wenn ich meinen Mentor nicht mag, frage ich dann wirklich die relevanten Fragen, die mich persönlich beschäftigen? Oder andersherum, wäre mir meine Mentee unsympathisch, nehme ich mir dann mehr Zeit als wirklich nötig? Ich denke, Sympathie ist nicht zwingend nötig, um ein inhaltlich gutes Mentoring zu ermöglichen, aber es hilft, ein besseres Team zu sein.“
Gibt es Branchen, in denen sich ein Mentoring besonders lohnt?
Christina Richter: „Das denke ich nicht. Ich glaube, dass Mentoring sich immer lohnt und ich kann nur jedem Berufsanfänger oder Studenten ans Herz legen, sich einen Mentor oder eine Mentorin zu suchen. Und jedem Berufserfahrenen würde ich raten, sich als Mentor zu engagieren. Berufsanfänger sind unsere Zukunft und gerade in Zeiten des Umbruchs oder besser Aufbruchs aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung brauchen sie meines Erachtens mehr Guidance als je zuvor.“
Menna, was für eine Karriere strebst du an?
Menna Youssef: „Das ist eine schwierige Frage. Auf jeden Fall möchte ich in einem internationalen Unternehmen oder Organisation arbeiten. Ich gewinne gerade Einblicke in Online Marketing durch mein Praktikum in einem Berliner Unternehmen.“
Christina, hattest du im Laufe deiner Karriere auch eine Mentorin oder einen Mentor?
Christina Richter: „Meinen beruflichen Weg bin ich tatsächlich mehrheitlich allein gegangen – mit der Unterstützung meiner Familie und Freunde. Aber hier bekam ich oftmals das Feedback: Das musst du alleine entscheiden, aber du wirst schon die richtige Entscheidung treffen. Und da niemand in meiner Familie oder im Freundeskreis denselben beruflichen Weg eingeschlagen hatte wie ich, konnte mir aus diesem Umfeld auch niemand so richtig helfen. Heute weiß ich, dass ich mir einen Mentor hätte suchen sollen. Jemanden, dem ich eine Situation hätte schildern und der mir aus seinem Erfahrungsschatz Ideen hätte geben können, wie ich eine sinnvolle Entscheidung treffen kann. Aber hinterher ist man ja bekanntermaßen immer schlauer. Und vor allem, wo finde ich so jemanden?“
„Heute weiß ich, dass ich mir einen Mentor hätte suchen sollen.“
Hattest du dann eher Vorbilder als Mentoren?
Christina Richter: „Ja schon, meine Mutter war als Kind mein Vorbild. Sie hat mit 18 Jahren ihre Heimat verlassen und ist nach Deutschland gekommen, um hier eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten. Sie sprach kein Wort Deutsch und hatte einen ausländischen Namen. Ihren Vornamen muss sie übrigens bis zu heute noch buchstabieren.
Ich fand sie schon immer unfassbar mutig und frage sie bis heute, was sie zu der Entscheidung bewogen hat und wie es damals für sie war. Ihre Antwort war und ist sehr pragmatisch: Sie sah keine richtige Perspektive in ihrer Heimat und als ihr die Möglichkeit gegeben wurde, nach Deutschland zu gehen und zu arbeiten, griff sie zu. Ihr Beispiel und ihr Mut hat mir oftmals vor fremden Dingen die Angst genommen. Und sie bleibt bis heute mein größtes Vorbild.“
Menna Youssef: „Bei mir ist das ähnlich. Meine Mutter hat eine Familie mit zwei Kindern gegründet und zur gleichen Zeit Karriere gemacht – das in einer Gesellschaft, in der die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie kaum unterstützt und gefördert wurde.“
Hast du in den Medien weibliche, nicht-weiße Vorbilder vermisst?
Menna Youssef: „Ich bin ja nicht in Deutschland aufgewachsen. In der ägyptischen Gesellschaft, in der ich groß geworden bin, sind Frauen im Allgemeinen nicht präsent – zum Beispiel in höheren Positionen, insbesondere in der Politik und in bestimmten Fachbereichen wie in den Naturwissenschaften. Ich hatte noch nie von einer Ministerin oder Wissenschaftlerin gehört.“
Habt ihr im Laufe eurer Karriere Erfahrungen mit Benachteiligung oder Voreingenommenheit aufgrund eures Migrationshintergrundes gemacht?
Menna Youssef: „Benachteiligung kann man schwer sagen, da kommt nie ein Personaler oder Angestellter und sagt dir, du wurdest nicht angenommen, weil du Nicht-Deutsche oder Nicht-Muttersprachler bist. Ich habe immer die neutrale Rückmeldung bekommen: „Es gab besser geeignete Kandidaten für die Stelle.” Aber was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass ich aufgrund meiner Sprachkenntnisse öfters abgelehnt wurde und werde. Dazu muss ich sagen, in den Bereichen PR, Medien oder Politik spielt die Sprache und das Ausdrucksvermögen eine wichtige Rolle. Als Personaler sucht man immer jemanden, der den Job effizient und möglichst schnell erledigt. Niemand braucht jemanden, der Texte oder Mails mit Sprachfehlern schreibt.
„Dem Trend, seine Vielfältigkeit und Internationalität mit der Diversität seiner Mitarbeiter zu zeige, folgen viele Unternehmen.“
Nichtsdestotrotz gibt es auch eine positive Seite der ganzen Geschichte: Es gibt zum Beispiel Förderprogramme, Stipendien oder Wettbewerbe, die speziell für Leute mit Migrationshintergrund sind. Man kann so seine Nische finden, wo man als eine bilinguale Frau oder Frau mit Migrationshintergrund gut passt. Dem Trend, seine Vielfältigkeit und Internationalität mit der Diversität seiner Mitarbeiter zu zeigen, folgen viele Unternehmen.“
Christina Richter: „Für mich war es eher die persönliche Frage nach der Zugehörigkeit – wo will ich eigentlich zugehören und wo will ich leben? Aber benachteiligt war ich dadurch nicht. Mir ist bewusst, dass ich dadurch in einer sehr komfortablen Situation bin und dass es anderen, deren Herkunft man schon am Namen erkennen kann, anders ergeht: Gleiche familiäre Situation, nur dass der Vater zugewandert ist und daher der Name nicht-deutsch klingt.
„Menschen mit fremd klingenden Namen werden oft anders behandelt.“
Hier kenne ich Geschichten von Freunden, die aufgrund ihres Migrationshintergrunds in bestimmten Situationen schlechter behandelt wurden. Aber ich möchte auch nicht verallgemeinern. Dennoch gehe ich davon aus, dass Menschen mit fremd klingenden Namen anders behandelt werden
als Menschen mit deutschem Namen. ‚Anders‘ kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen: von einfacher Zurückhaltung bis hin zu Ablehnung ist sicher alles dabei.“
Inwieweit ist es hilfreich für dich, Menna, mit Christina eine Mentorin kennengelernt zu haben, die einen Migrationshintergrund hat? Kann sie dadurch deine Wünsche und Sorgen besser nachvollziehen?
Menna Youssef: „Absolut! Ich bin öfters zu selbstkritisch und unsicher was zum Beispiel meine Sprachkenntnisse angeht und genau da konnte Christina mir helfen. Sie verstand, wo die Unsicherheit herkommt und hat mich motiviert und mir geholfen, wie ich es besser machen kann. Sie meinte zum Beispiel, ich soll viel mehr lesen und Schreibübungen machen. Wir haben gemeinsam mehrere Anschreiben erstellt und sie hat mir immer dabei geholfen, wie ich “auf
den Punkt” und strukturiert schreiben kann.
Auch die Geschichten und Erfahrung aus ihrem Berufsleben haben mich immer motiviert, weiter zu versuchen. Sie meinte immer, ich soll ein Ziel haben und wenn der erste Weg zu meinem Traumjob nicht funktioniert, dann soll ich es über einen anderen Weg versuchen, bis ich mein Ziel erreiche. Ich sollte meinem Platz auf diesem Arbeitsmarkt finden. Wo passe ich am besten hinein? Wo kann ich was bewirken? Wie passen meine Qualifikationen zu dieser Stelle?“
„Du hast es in der Hand, deine Zukunft zu gestalten.“
Christina Richter: „Du hast es in der Hand, deine Zukunft zu gestalten. Am Anfang einer beruflichen Laufbahn sind die Karten noch ungemischt. Es kann im Grunde überall hingehen. Überlege also, was du tun möchtest und dann arbeite Schritt für Schritt darauf hin. Wenn du noch nicht weißt, wo du hinmöchtest, gehe ebenfalls Schritt für Schritt vor. Frag, wenn du Fragen hast und lass dir nicht vorschreiben, was du beruflich tun sollst. Es ist dein Leben, nicht das deiner Eltern oder anderer Leute.“
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