Foto: idealo internet GmbH

Julia Hoff: „Immer dann, wenn du etwas Neues machst, macht genau das dich stark”

Musikfernsehen, ein eigenes Café und nun Country-Managerin bei einem Preisvergleichsportal: Julia Hoffs Berufsleben verlief bislang in völlig unterschiedliche Etappen. Im Interview erzählt sie, wie wichtig es ist, keine Angst vor neuen Herausforderungen zu haben.

Das Timing muss stimmen

Julia hat in ihrem Berufsleben schon mehrmals neu angefangen: Sie hat mit einem Volontariat bei MTV gestartet, dort dann als Producerin gearbeitet, ein Frühstückscafé eröffnet und arbeitet jetzt, mit Anfang 40, bei Idealo als Country-Managerin – wir haben mit ihr über ihre verschiedenen Lebensabschnitte und den Mut, etwas Neues zu beginnen, gesprochen.

Dein Lebensweg liest sich ja eher wie ein spannender Roman als ein typisch geradliniger Lebenslauf. Woher kommt dieser Mut, einfach den alten Job hinter sich zu lassen, um dich dann in einem ganz neuen Bereich wiederzufinden?

„Ich weiß nicht, ob ich es Mut nennen würde. Manchmal geht es einfach um die momentane Lebenssituation. Mir haben schon oft Freunde gesagt: ‚Oh, du bist so mutig, dass du das mit dem Café gemacht hast!‘ In dem Moment habe ich mich aber nicht unbedingt mutig und stark gefühlt – ich wollte einfach eine Veränderung. Auf irgendeine Weise war das womöglich auch mutig in genau dieser Situation. Das eine Angebot kam um die Ecke und dann das andere. Dann auch die Freundin, mit der ich das Café gemacht habe, und so hat sich das immer von selbst ergeben.“

Und so hast du 2008 mit deiner kanadischen Freundin Kyla Boyle euer Café Aunt Benny eröffnet. War es für dich ein lang ersehnter Jugendtraum, den du dann endlich umsetzen konntest? Oder war diese Idee von der Selbstständigkeit eine spontane Idee unter euch?

„Ich würde sagen, dass es sich eher spontan entwickelt hat. Es ist nicht so, dass ich, seitdem ich fünf bin, immer gerne ein Café haben wollte. Aber ich glaube, dass ganz viele so etwas in sich tragen – diesen Traum vom Selbstständigsein, ein eigenes Geschäft haben. Das war schon immer etwas, das ich mir gut vorstellen konnte. Und nachdem ich länger in Australien und Neuseeland gereist war, hat sich die Sache mit dem Café danach ergeben und auch genau gepasst. Wir haben uns am Anfang immer wieder getroffen und dachten: ‚Ja klar können wir einen Laden zusammen aufmachen. Wieso eigentlich nicht?‘ Und so haben wir es dann einfach gemacht. Also, was heißt einfach? Wir haben uns erstmal Investoren gesucht – wir brauchten natürlich schon ein bisschen Startkapital. Dann mussten wir uns eine Location suchen und haben uns überlegt, was wir denn genau machen wollen. Welchen Kaffee wollen wir anbieten? Was für Sandwiches wollen wir anbieten? So wurde es immer konkreter und aufregender und plötzlich standen wir dann in unserem Café und hatten unseren ersten Tag.“

„Ich dachte mir: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘”

Aber zuerst bist du in dein Berufsleben mit einem Volontariat bei MTV gestartet und hast anschließend dort als Producerin gearbeitet. Dadurch konntest du Bands wie Die Ärzte oder Eminem betreuen und warst dann insgesamt sieben Jahre im Showbusiness tätig. Was war denn genau der Auslöser, der dich dazu gebracht hat, etwas anderes zu machen?

„Das war die Reise nach Australien und Neuseeland. Das war so ein Ding, dass ich noch machen wollte, bevor ich eine eigene Familie gründe. Ich wollte es auch gerne alleine machen und dachte: ‚Wenn nicht jetzt, wann dann?‘, das war mit Ende 20. Als ich dann wieder zurückkam, hatte sich alles ein bisschen verändert. Viele Kollegen hatten aufgehört. Die Sendung, die ich betreut hatte, gab es nicht mehr. So ist es dann bei MTV von selbst ausgelaufen.“

Welchen Berufswunsch hattest du denn als Teenager? Gab es da schon eine bestimmte Richtung, die du einschlagen wolltest?

„Ich wollte schon immer gerne Schauspielerin werden – auf der Bühne stehen und Leuten irgendwelche lustigen Sachen erzählen. Deswegen habe ich auch als Kind mit meinen Geschwistern viele Filme gedreht. Mit der Schauspielerei hat es dann trotzdem irgendwie nie geklappt (lacht). Ich habe auch bei MTV dann mal versucht, mich casten zu lassen. Aber da wurde mir gesagt: ‚Du bist zwar echt lustig, aber du wirkst zu alt‘ – da war ich gerade mal Mitte 20. Ich habe einfach nicht in das MTV-Schema gepasst und bin deswegen dann doch hinter der Kamera geblieben. Es war aber immer schon so in meinem Leben, dass ich mich habe treiben lassen. Es gibt Menschen, die von Anfang an wissen: ‚So, ich werde Krankenschwester oder Gärtner.‘ Bei mir war das aber nie so konkret. Ich habe immer rumgeschaut und wollte alles ausprobieren, was mich interessiert hat. Ich hatte auch das Glück, dass ich immer die Chance dazu bekommen habe. Dafür bin ich natürlich auch sehr dankbar.“

Bist du denn jemand, die grundsätzlich Herausforderungen liebt?

„Eine schwierige Frage. Es kommt drauf an: Ich muss nicht jede Woche super spannende Sachen machen und immer drei Nächte nicht schlafen können, weil ich so aufgeregt bin. Aber ich mag auch Herausforderungen wie jetzt bei Idealo. Aber generell ist es bei mir so 50:50. Wenn ich gar keine Herausforderung hätte und mich gar nichts im positiven Sinne mal aufregen würde, wäre mir langweilig. Aber ich lebe auch gerne mal so in den Tag hinein und bin entspannt.“

Hattest du denn auch mal Momente, in denen du vor neuen Situationen Angst verspürt hast?

„Als wir das Café planten, habe ich mir schon oft Sorgen gemacht, weil es wie eine Art Baby für uns war. Man muss sich darum kümmern, und wenn man nicht gerade fünf oder zehn Cafés hat, kommt am Ende auch nicht viel raus. Damals hatte ich schon manchmal Existenzängste und habe mich gefragt, wie wir noch mehr Geld verdienen können oder wie und wann ich meine Familie gründen will. Aber dadurch, dass ich ja mit einer Kanadierin das Café gemacht habe – und die Nordamerikaner, wie ich finde, per se mutiger sind, was Selbstständigkeit angeht – hat sie mich immer ganz gut mitgerissen: ‚Komm, das ist doch alles super.‘ Das tat mir gut, damals zu lernen, mit meinen Sorgen umzugehen, und mir selbst zu sagen: ‚Angst musst du haben, wenn das Flugzeug abstürzt, aber nicht, wenn du keinen Job hast.‘ Jetzt habe ich eher nicht mehr so viel Angst. Nur manchmal um meinen Sohn, wenn er irgendwo herumklettert.“

Und nun bist du bei der Online Vergleichs- und Verkaufsplattform Idealo. Was sind denn genau deine Aufgaben als Country-Managerin für Österreich? Wie sieht ein herkömmlicher Tag bei dir aus?

„Wenn ich morgens reinkomme, gucke ich mir erst einmal recht trocken die Zahlen an. Ansonsten bringe ich immer die Leute aus den verschiedenen Abteilungen zusammen, sei es Vertrieb, Content und viele andere Bereiche. Dann überlegen wir strategisch, wie wir mit Österreich weitermachen können. Das kann dann aus einer Marketing-Idee oder einer PR-Aktion bestehen. Als Country-Managerin hat man die Budget-Verantwortung, plant die Ausgaben für das kommende Jahr. Es ist ein Mix zwischen ‚ein Auge auf die Zahlen haben’, aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Menschen, sich Sachen zu überlegen und auch kreativ zu sein. Diese Mischung finde ich total schön.“

„Soll man die harte, taffe oder lieber die befreundete Vorgesetzte sein? Ich glaube, ich bin so etwas dazwischen.”

Was macht dich als Chefin aus?

„Das ist ja ein großes Thema, wie man als Chef oder Chefin sein soll. Soll man die harte, taffe oder lieber die befreundete Vorgesetzte sein? Ich glaube, ich bin so etwas dazwischen. In meinem Unternehmen sind die Hierarchien sehr flach. Ich möchte auch, dass die Leute immer das Gefühl haben, dass sie zu mir kommen können, auch wenn es ihnen schlecht geht oder wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, damit ich vermitteln kann. Ich bin von Natur aus relativ lustig. Deswegen kann es auch mal vorkommen, dass ein lustiger Spruch von mir kommt und wir dann alle lachen. Deswegen denke ich schon, dass das Team gerne mit mir arbeitet.

Wie sieht deine Zusammenarbeit mit deinem Team aus?

„Wir machen ganz viele agile Sachen, zum Beispiel mit unserem österreichischen Team alle drei Monate eine Retrospektive. Dann wird zurückgeschaut, wie du dich die letzten drei Monate im Team gefühlt hast. Jeder kann sagen, was er schön fand und was nicht. Und falls die Kommunikation zwischen den Teams mal nicht stimmt, wird darüber gesprochen und nach Lösungen geschaut. Dann ist jeder dazu aufgerufen, ganz ehrlich zu sagen, was vielleicht auch nicht mit mir als Chefin gepasst hat. Ich freue mich natürlich auch immer über Feedback, auch wenn das mal negativ ausfällt. Dann kann man nämlich darüber reden.“

Was ist dir denn in einem Job wichtig, damit du zufrieden bist?

„Die ‚Work-Life-Balance‘ ist besonders in den letzten Jahren mit Kind und Familie ein Aspekt, der wichtig geworden ist. Wenn einem die Arbeit viel Spaß macht, man ein super Team hat und die ganze Umgebung total schön ist – dann passt es. Bei uns sind viele verschiedene Menschen aus allen Kulturen und alle verstehen sich gut. Das finde ich sehr wichtig. Und genauso hat man auch Aufgaben im Job, die einen ausfüllen, bei denen man merkt, dass man ein Ziel hat. Ich habe jetzt Österreich als mein Projekt und das möchte ich voranbringen und erfolgreich machen. Und wenn das dann klappt und man sieht, dass die Zahlen steigen oder dass man ein Interview mit einem österreichischen Magazin hat, freut man sich dann natürlich auch. Das ist wirklich die Balance. Es muss arbeitsmäßig Spaß machen, aber man muss auch die Freiheit haben, zu sagen, dass man nächsten Montag nicht kommen kann, weil die Waschmaschine angeliefert wird.“

„Ich denke, dass jede Station genau in meinem Leben gepasst hat – das Timing hat immer gestimmt.”

Hast du denn mit jedem Berufswechsel eine wichtige Erfahrung für dich mitnehmen können?

„Jetzt bin ich bald Anfang 40 – die bisherigen Stationen in meinem Leben waren alle schön, und sie haben immer zu meinem Leben damals gepasst. Bei MTV war es auch mal öfters eine 60-Stunden-Woche, weil es um Live-Shows ging und dann musste man natürlich im Büro bleiben. Den Job mit einer Familie zu vereinbaren, wäre schwierig gewesen. Auch das Café war sehr zeitintensiv, weil man außer montags immer arbeiten musste. Deswegen passt dieser Job jetzt ganz gut, weil es sehr familienfreundlich ist. Ich kann sagen, dass ich gerne vier Tage die Woche arbeiten möchte und habe so einen Tag mehr mit meiner Familie – ohne, dass man das Gefühl haben muss, dass es bei der Arbeit nicht gut angesehen wird. Ich denke, dass jede Station genau in meinem Leben gepasst hat – das Timing hat immer gestimmt.“

Was war bisher deine größte Herausforderung und wie hast du sie gemeistert?

„Das Aufregendste war das Café, weil es etwas ganz Neues für mich war: das erste Mal einen Businessplan schreiben, sich Gedanken darüber zu machen, was für einen Kaffee man nimmt oder wie teuer ein Sandwich sein soll. Oder auch, wie viel man den Angestellten bezahlen soll und wo man die überall anmelden muss. Es gab so viel Neues. Aber das hat man dann trotzdem hinbekommen, weil man es ja auch wollte. Das war schon wirklich eine große Herausforderung.“

Würdest du sagen, dass es als Quereinsteiger schwerer ist in neue Bereiche einzusteigen oder ist es heutzutage sogar eher von Vorteil, da man auch über Wissen in anderen Gebieten verfügt?

„Ich finde es schwierig, das pauschal zu beantworten. Es kommt darauf an, was für ein Mensch man ist. Du bist zum Beispiel ein Entwickler bei uns, der den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt und programmiert. Dann wirst du das wahrscheinlich schon dein ganzes Leben lang gemacht haben, weil es dir Spaß macht und du dich verwirklichen kannst. Jetzt war das ein richtiger Quereinstieg, ich war vorher noch nie im E-Commerce. Natürlich kannte ich das Internet, aber besonders viele Erfahrungen hatte ich jetzt nicht. Nach zwei, drei Monaten hatte ich dann einen ganz guten Durchblick, wie alles so funktioniert. Mit den Jahren habe ich mir dann immer weiter Sachen angeeignet. Man muss Interesse an den neuen Themen haben und von selbst heraus proaktiv schauen, immer neue Informationen zu bekommen. Man muss fragen und mit Leuten sprechen, sich mit ihnen treffen. Dann ist es egal, ob du Quereinsteigerin bist oder nicht. Du musst es von dir selber aus wollen.“

„Man muss Interesse an den neuen Themen haben und von selbst heraus proaktiv schauen, immer neue Informationen zu bekommen.”

Was würdest du Frauen und Männern raten, die auch überlegen, nochmal neu anzufangen, aber sich einen Quereinstieg nicht zutrauen?

„Wenn man wirklich etwas Neues machen will und man erhält die Chance, sollte man diese auf jeden Fall ergreifen. Klar würde ich auch gerne Stand-up-Comedy machen oder in der Serie von Bastian Pastewka mitspielen. Das sind Träume, die man so hat, die aber schwierig umzusetzen sind. Aber ich glaube, wenn man wirklich die Möglichkeit dazu hat, seinen Traumberuf oder etwas Neues auszuprobieren, dann würde ich natürlich jedem sagen, dass man es versuchen soll. Es kommt aber auch immer darauf an, wo man gerade im Leben steht. Gerade wenn man noch jung und unabhängig ist, würde ich jedem raten, so viel wie möglich auszuprobieren. Wenn man dann hoffentlich irgendetwas findet, was einem Spaß macht, sollte man auch dranbleiben. Ich hatte auch oft mal Zweifel, zum Beispiel mit dem Café oder auch bei meiner Stelle jetzt. Aber ich habe dann trotzdem immer diesen inneren Antrieb gehabt: Ich mache das jetzt einfach. Was soll mich zurückhalten? Nur meine eigene Furcht oder Angst, dass man es vielleicht nicht schafft? Ja, aber dann finde ich nie heraus, ob ich es schaffe. Immer wenn man irgendetwas Neues macht, sei es eine Präsentation vor hundert Leuten oder einfach irgendwo zu singen, macht genau das einen stark.“

„Wenn man wirklich etwas Neues machen will und man erhält die Chance, sollte man diese auf jeden Fall ergreifen.”

Gäbe es denn auch für dich einen nächsten Schritt, den du in Zukunft gehen würdest?

„Im Moment fühle ich mich total wohl und es macht total viel Spaß, hier zu arbeiten. Das liegt bestimmt an meinem tollen Team. Ich arbeite ja im Bereich International und habe Kollegen aus Spanien, aus Italien, einer ist auch aus Frankreich und man hört hier alle möglichen Sprachen. Da ich einen fünfjährigen Sohn habe, passt es mit der Zeiteinteilung ganz gut. Momentan würde ich aber schon sagen, dass ich nicht in so einer Umbruchstimmung bin wie ‚Oh, ich muss jetzt was Neues machen.‘ Aber ich würde es für die nächsten Jahre auch nicht ausschließen. Mal gucken, wo es mich dann hintreibt.“

Du hast mal gesagt, dass du in den letzten Jahren versucht hast, dich nie zu verstellen und auch immer deine Meinung äußerst. Ist das für dich dein Leitfaden, der dich durch dein Leben und deinen Job bringt?

„Auf jeden Fall, weil ich schon sagen muss, dass ich auf meinem Weg oft Menschen kennengelernt habe, gerade im Beruf, die manchmal einfach Sachen gemacht haben, um zu gefallen oder um damit weiterzukommen. Da habe ich mir immer gedacht: ‚Aber das bist du doch gar nicht.‘ Aber genauso habe ich mich dann manchmal in diesen Situationen gefragt, ob ich mich jetzt auch verstellen muss oder mich zurückhalten soll, obwohl ich eigentlich eine andere Meinung habe. Das habe ich dann aber nie gemacht und bin deswegen auch ein, zwei Mal angeeckt. Wenn du Glück hast, triffst du auch auf Menschen, die dich respektieren und einverstanden sind, über diese verschiedenen Ansichten zu sprechen. Aber natürlich gibt es auch die Menschen, die von ihren Angestellten keine abweichenden Meinungen akzeptieren. Ich habe aber dann trotzdem immer weitergemacht, weil ich es mir einfach nicht vorstellen konnte, mich zu verstellen, um irgendjemandem zu gefallen, oder um irgendwie weiterzukommen. Das ist einfach nicht mein Naturell. Jetzt kann ich auch rückblickend sagen, dass es so auch in Ordnung war.“

Mehr bei EDITION F

Ganz ehrlich: Wir selbst sind unsere größte Herausforderung. Weiterlesen

Berufliche Neuorientierung: Mut, der sich lohnt. Weiterlesen

Wie ich mir nach einem Burnout meinen neuen Beruf erfand. Weiterlesen

Anzeige