Vielen jungen Frauen mangelt es an Selbstbewusstsein, ist sich unsere Community-Autorin sicher. Das erlebt sie jeden Tag bei ihrer Arbeit in einem Gleichstellungsbüro. Das Wort „Karriere” wird möglichst vermieden – woran liegt das?
Jungen Frauen fehlt oft das nötige Selbstbewusstsein
Vor ein paar Tagen saß ich in einem Präsentations-Workshop, den ich organisiert hatte und sah jungen Studentinnen dabei zu wie sie ein Vorstellungsgespräch übten: „Warum wollen Sie für uns arbeiten? Warum sind Sie für die Stelle geeignet?“ „Nun ja ich mag Kinder sehr gerne und unterrichte ganz gut. Ich kann gut etwas beibringen?“ – Die Antwort glich mehr einer Frage als einer Aussage.
Ich wackelte auf meinem Stuhl herum und hielt mich zurück, obwohl ich am liebsten aufgesprungen wäre, um zu rufen: „Du hast vorhin gesagt Lehren ist deine Leidenschaft, wenn du dich für den Job bewirbst, musst du doch davon
überzeugt sein, dass eben genau DU die Richtige für den Job bist!“
„Bescheidenheit ist eine Tugend, bringt aber nichts.“ (Mein Vater)
Immer wieder begegnet es mir bei meiner Arbeit in einem Gleichstellungsbüro, dass junge, intelligente, tolle Frauen daran zweifeln, dass sie intelligente, tolle Frauen sind. Sie sind besser in der Schule, sie machen die besseren Abschlüsse, aber bei Vorstellungsgesprächen oder anderen Präsentationssituationen präsentieren sie sich als ob sie kaum die Grundschule geschafft hätten.
Die Vorstellung, dass ein Bewerbungsprozess ein genuin egoistischer Prozess ist, bei dem es darum geht andere von der eigenen Eignung zu überzeugen, liegt vielen fern. Vielmehr muss oft erst daran gearbeitet werden, die Frauen erst einmal von sich selbst zu überzeugen.
Die Bewerbungstraining-Workshops, die mein Büro anbietet, sind für alle Geschlechter offen, aber werden nur von jungen Frauen besucht. Viele scheinen die Hoffnung zu haben, dass sich Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit lernen lässt – und sind dann überrascht, dass es eben keinen magischen Trick gibt, sondern sie selbst ihr größtes Hindernis darstellen.
Kein Wunder, denn wie oft wird Frauen auch heute noch (unbewusst) vermittelt, dass Tugenden wie Bescheidenheit und Genügsamkeit besonders für sie erstrebenswert seien. Wie die Prinzessinnen sollen die jungen Damen dann warten bis sie für die nächste Beförderung auserwählt werden – während die männlichen Kollegen an ihnen vorbei ziehen. Denn was mit Frauen passiert die nach Macht streben, hat man erst jüngst deutlich im US-Wahlkampf gesehen: die Häme und abfälligen Bemerkungen, die über Hillary Clinton ausgeschüttet wurden, legen eine tief verankerte Misogynie offen. Der vielleicht lächerlichste Vorwurf der Clinton dabei gemacht wurde, ist dass sie unsympathisch sei –während Donald Trump selbst der „Pussy Grab“ verziehen wurde.
Das böse Wort „Karriere“
Aber diese medialen Bilder und der Hass auf Frauen wirken leider. Obwohl die berufliche Erwerbstätigkeit von Frauen längst zur Realität gehört (wenn auch zu großen Teilen in Mini- und Teilzeitjobs), meiden viele Frauen das Wort „Karriere“ wie Donald Trump die Political Correctness. Das geht soweit, dass bei einem Berufs- und Lebensplanungs-Workshop einer Kollegin, schon fast Empörung unter den Studentinnen aufkam, als dass Thema Karriereplanung angesprochen wurde, da sie ja gar keine große Karriere machen wollten. Die Studentinnen waren übrigens alle Teilnehmerinnen eines Programms, dass ausdrücklich die Studentinnen in ihrer weiteren Karriereplanung im Übergang zwischen Master und Beruf unterstützen soll.
Was bleibt einem dazu sagen? Selbst Schuld? Sollen die Frauen sich eben mehr zusammen reißen und sich nicht so anstellen? Nein, ihnen das zu sagen nützt wenig, wenn ihre ganze Umwelt ihnen die meiste Zeit suggeriert, dass sie ja ihren zugewiesenen Platz nicht verlassen sollen. Die Aufgabe von Gleichstellungspolitik muss es neben strukturverändernden Maßnahmen auch sein, Frauen und Männer in alternativen Rollenbildern zu stärken.
Hilfestellung zur Stärkenfindung
Und dabei helfen zum Beispiel Workshops, wie der am Anfang beschriebene. Ziel des Workshops war es nicht, den Studierenden zu sagen „Kopf raus, Po rein,
Schultern gerade – und zack hast du Selbstbewusstsein“, sondern sie ihre eigene Stärken erkennen zu lassen. Aus einer schüchternen Person wird nicht durch einen Workshop eine vor Selbstbewusstsein strotzende Rampensau, aber man kann ihr zu der Erkenntnis verhelfen, dass auch ruhige Menschen Selbstsicherheit ausstrahlen können, wenn sie eben in stressigen Situationen einen ruhigen Kopf behalten. Gleichzeitig muss sie sich aber auch trauen dies eben in einem Vorstellungsgespräch als Stärke zu deklarieren und authentisch zu sagen: „So, das bin ich und ich bin gut so!“
Frauen und Männer dabei zu unterstützen ist meine tägliche Arbeit und dass ist nicht immer leicht, aber es ist es immer wieder wert, wenn man doch am Ende merkt, dass die Studentinnen mit einem Kopf voller neuer Gedanken aus dem Workshop gehen.
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