Lina Mallon hat kürzlich mit ihrer Kolumne über eine Affäre mit einem vergebenen Mann für Aufruhr gesorgt. Wir haben mit der Hamburgerin über den Text und den Umgang mit solch persönlichen Themen gesprochen.
„Ich will über das schreiben, was ich fühle“
Wie es sich anfühlt, die Affäre eines vergebenen Mannes zu
sein und auch, wie es ist, wenn dieses Kartenhaus irgendwann zusammenbricht,
darüber hat Lina Mallon in ihrem Kolumnentext „Ich war die andere Frau“ geschrieben
und damit viele bewegt. Und das beileibe nicht nur im positiven Sinne. Wir
haben mit ihr über diesen Text, den Umgang mit persönlichen Themen im Netz und über
ihren Blog gesprochen. Außerdem hat sie einen wichtigen Tipp für
alle auf Lager, die auch gerne mit dem Bloggen anfangen wollen.
Dein Text „Ich war die andere Frau“ hat viele Menschen
bewegt. Wie lange hast du überlegt, deine Affäre und deine Gefühle in dieser
Angelegenheit mit der Öffentlichkeit zu teilen?
„Ich hatte den Beitrag Monate im Kopf und dann in Notizen
vor mir liegen, im Oktober 2015 schrieb ich ihn und habe ihn dann schließlich
jetzt veröffentlicht. Ich wollte einen echten, authentischen Artikel schreiben,
in den sowohl meine damaligen als auch jetzigen Standpunkte einfließen. Ich
wollte weder diese Affäre glorifizieren und eine dramatisch tragische
Liebesgeschichte daraus machen – so sah ich die Geschichte, während ich noch
drinsteckte – noch geläutert und so
viel klüger über meinen Erfahrungen schweben, als wäre ich jetzt gegen jeden
weiteren Fehler erhaben. Die Sache ist nämlich die: das bist du nicht, auch
wenn du dir so verdammt sicher bist.“
Aber hattest du nie den Gedanken, dass das doch etwas zu
persönlich sein könnte?
„Privat habe ich so viel Distanz zu dieser Affäre und der Vergangenheit
gewonnen, sie ist für mich tatsächlich so klein und fremd geworden, dass es
sich nicht mehr anfühlt, als würde ich über etwas sehr Persönliches oder
Intimes sprechen, wenn ich darüber schreibe. Und ich denke, genau das war auch nötig,
um den Text zu veröffentlichen. Du musst dir vorher bewusst sein, wie sehr er
polarisiert und wie sehr er anderen Menschen unter die Haut gehen kann. Nicht
nur im positiven Sinn. Hätte ich noch kopfüber in dieser ganzen Geschichte
gesteckt, hätte ich die teilweise sehr starken und intensiven Reaktionen auf
den Artikel sicher nicht so gut ausgehalten oder viel mehr richtig einordnen
können. Mir hätte dieser Schritt zurück vom Thema gefehlt.“
„Es gab viele sehr emotionale Reaktionen
von Frauen, die gerade betrogen worden waren. Deren Schmerz kriegst du voll ab.“
Wie waren denn die Reaktionen, als du den Text bei dir
veröffentlicht hast?
„Die meisten Reaktionen waren zwar durchweg positiv, aber ich bekam auch via
Mail oder privater Message sehr viele, sehr emotional aufgeladene Kommentare
von Frauen, die gerade betrogen worden waren. Deren Schmerz kriegst du voll ab.
Ich bekam sogar einen Brief nach Hause geschickt, handschriftlich, mit Fotos
von Kindern, in denen mir eine betrogene Ehefrau schrieb, dass sie hofft, dass
ich diese Bilder angucke und in drei Leben schaue, die ‚Frauen wie ich’ zerstört
haben. Das lässt einen natürlich nicht kalt, aber wenn du den Abstand wahrst,
kannst du sie trotzdem verstehen, nachvollziehen, woher die Worte oder die
Emotionen kommen und dass du nur ein Ventil für einen Menschen bist, der gerade
einfach sonst nicht weiß, wohin er mit sich soll.
Auf der anderen Seite ist das aber auch wieder ein Grund, wieso ich solche
Artikel schreibe. Also nicht um punching ball zu sein, sondern vielleicht
jemand, der manchmal die Dinge laut sagen kann, für die anderen die Worte
fehlen. Außerdem ist das Schreiben meine Art, aus richtigen sauren Momenten
ne gute Limonade zu machen. Und dieser Artikel? Vielleicht auch der finale
Mittelfinger an jenen Typen, der auch heute noch die Frauen klein macht und
sich dafür von ihnen auch noch beklatschen lässt, das kann ich nicht leugnen.“
„Affären sind heute viel emotionaler aufgeladen. Es ist nicht mehr nur im
Dunkeln bei Gelegenheit vögeln und sich danach leise schämen.“
Auch bei uns wurde die Kolumne veröffentlicht und da gab es durchweg positive Resonanz – insbesondere für deinen Mut. Wieso, glaubst du,
können sich eben auch so viele Menschen darin finden oder zumindest etwas damit
anfangen? Ist Fremdgehen also doch ein Massenphänomen?
„Ich glaube, dass wir heute nicht mehr oder weniger
fremdgehen, als man es vor drei Generationen tat, aber wir tun es auf eine ganz
andere Art und Weise. Je geläuterter, selbstbestimmter, angeblich optimierter
und reflektierter eine Generation sich gibt
– und mal ehrlich, unsere Generation glaubt ja gern, sie hätte das
Leben, die Liebe und überhaupt jedes Scripting durchschaut – desto verbotener
oder besser gesagt verpönter werden wieder vermeintlich kopflos getroffene oder
verwerfliche Entscheidungen, wie eine Affäre zu beginnen oder überhaupt fremdzugehen.
Jeder weiß, dass es rauskommt, jeder weiß, dass es nicht gut
geht und mindestens eine, meistens aber zwei bis drei verletzte Personen nach
sich zieht und trotzdem tut man es. Das ist ein bisschen wie eine Rebellion
gegen die auferlegten Grenzen, und Grenzenlosigkeit fühlt sich nach eben jener
Freiheit und jenem Ausbruch an, den wir ständig suchen, um uns davon zu
überzeugen, dass wir wirklich leben. Eine leidenschaftliche Affäre ist fast wie
ein modernes Memento mori. Du versteckst sie nicht nur, du genießt sie auch.
Gerade weil sie mit Ansage falsch ist, meinen viele, in einer Affäre die ganz
große Anziehung zwischen zwei Menschen ausmachen zu können, die eine ‚gesunde’
Beziehung gar nicht hergibt, auch wenn das völlig romantisierter Blödsinn ist. Trotzdem
sind Affären heute viel emotionaler aufgeladen. Es ist nicht mehr nur im
Dunkeln bei Gelegenheit vögeln und sich danach leise schämen. Und vielleicht
traf der Artikel deswegen einen Nerv bei vielen, weil ich ganz offen zugebe,
dass sich diese Affäre über eine gewisse Zeit unheimlich gut angefühlt hat.“
In einem anderen Text schreibst du über leise Gefühle für
einen Mann – die ersten, die du für einen Kerl nach einer
schmerzhaften Trennung hattest. Mit
solchen Themen macht man sich doch wahnsinnig angreifbar – hast du davor keine
Angst?
„Ja, die Kolumnen machen mich angreifbar, das ist wahr. Und
gerade in diesem Fall ist sie für mich vielleicht auch zur Falle geworden, denn
nach der Veröffentlichung erkaltete das Verhältnis zu jenem Mann
augenblicklich. Ich weiß bis heute nicht, ob er sich von den Gefühlen oder
davon abgeschreckt fühlte, dass ich sie aufschrieb und veröffentlichte. Dennoch würde es sich für mich falsch anfühlen, die Kolumne
oberflächlicher zu schreiben oder von mir selbst zu entfernen. Für mich ist ein
Text nur gut, wenn er wirklich aus dem entstanden ist, was ich fühle und nicht
aus dem ‚was ich öffentlich sagen könnte, ohne dass mir jemand zu tief ins
Innerste blicken würde.’
Trotzdem zögere ich seitdem öfter als sonst und veröffentliche manche
Artikel zeitversetzt, einfach um dem jeweiligen Mann, den ich date, nicht zum
Exponat zu machen und ihm gleichzeitig auch nicht fünf Schritte
Informationsvorsprung zu geben.“
Wie gehst du eigentlich mit Hatern um? Gibt’s da eine
Strategie, die sich für dich bewährt hat?
„Wer sich online sehr persönlich zeigt und Angriffsfläche bietet, der braucht
ein starkes Offline-Leben. Ich habe das Glück, dass ich großartige Freunde
habe, die teilweise auch gar nichts mit der Bloggerblase zu tun haben und dann
immer mal wieder die Dinge ganz unbewusst für mich zurück in die richtige
Wertung setzen. Ich finde die Balance zwischen einem dicken Fell und bestehender
Selbstreflexion sehr wichtig. Ich kann nicht jeden Mist aufnehmen und mich
daran aufreiben, aber ich fühle mich auch nicht so fabelhaft und unantastbar,
dass ich im Bezug auf Kritik wie Teflon sein muss. Man muss abwägen lernen,
woher sie kommt, welchen Hintergrund sie hat und worauf sie abzielt. ‚Choose
your battles wisely’ ist ein ziemlich gutes Mantra. Es ist definitiv ein
Prozess, aber mittlerweile fällt es mir sehr leicht, stumpfes Haten
auszublenden.“
Auf deinem Blog geht es neben persönlichen Geschichten und
Kommentaren vor allem um Mode und Lifestyle. Was bedeutet dir Mode und wie
schafft man es als Modebloggerin noch, sich von all den anderen Angeboten
abzugrenzen und etwas Eigenes zu machen?
„Oh, das ist schwer. Ich bin noch dabei, für mich einen
eigenen Weg zu finden. Ich stehe noch immer an dem Punkt, an dem ich Mode und
ihre Ausdrucksformen liebe, aber völlig genervt von den Püppis bin, die ihre
Relevanz einem Instagram-Hype verdanken und den Begriff ‚Influencer’ ad
absurdum treiben. Mich kann keine Frau wirklich beeinflussen, deren Talent
ausschließlich darin besteht, in Presse-Samples zu passen, die man für sie
ausgesucht hat und sich dann von Dritten ablichten zu lassen. Mag sein, dass
ich komplett am Fame vorbeilaufe und mehr aus meiner Reichweite machen könnte,
wenn ich besser mitspielen würde, aber ich habe für mich entschieden, dass
meine Arbeit mehr sein soll als ein Coachella-Festival und der passende
Hashtag. Das heißt auch, dass ich aktuell beinahe 80 Prozent meiner Anfragen
absage und noch nicht richtig weiß, wie das Finanzierungsmodell meiner Arbeit
in Zukunft aussehen kann.“
Kannst du dich denn dann trotzdem finanzieren?
„Ja, ich habe 2011 angefangen zu bloggen und betreibe es
seit 2014 hauptberuflich.“
Du schaffst es ja sehr gut, auf dich aufmerksam zu machen. Hast
du vielleicht Tipps für andere, die gerade ihren Blog starten?
„Ich hab immer nur einen blöden Satz, den auch beinahe jeder bekommt, der mir mailt:
‚Wenn du bloggen willst, dann fang damit an, weil du etwas zu zeigen hast und
nicht, weil du gesehen werden willst und beginne nur damit, wenn du auch
wirklich was zu sagen hast und nicht nur mal kurz gehört oder beklascht werden
willst.’ Der
stammt nicht einmal von mir, sondern von meinem ersten Redakteur während eines
Praktikums. Der warf damals einen Blick auf meine Arbeit und sagte mir, ich sei
sehr gut, wäre aber viel besser, wenn ich schreiben würde, was ich wirklich
denke und nicht das, von dem ich glaube, dass es funktioniert. Er hat nicht
erwähnt, dass das eine ziemlich langwierige Geschichte ist. Aber trotzdem folge
ich dem bis heute.“
„Auf Twitter bin ich ein ziemliches
PR-Desaster.“
Welche Kanäle sind zum Beispiel wichtig und was sollte man
lieber nicht tun?
„Ich nutze Instagram oder Twitter völlig impulsiv und so,
wie ich gerade Spaß daran habe, gerade auf Twitter bin ich ein ziemliches
PR-Desaster und halte nicht viel von der ‚Image-Optimierung meiner Person als
Marke’ oder diesem Quatsch, den man mir immer mal wieder vorsäuselt, wenn es
darum geht, mich stärker aufzustellen. Ich bin aber auch einfach nicht gut darin.“
Gibt es jemanden, der dich in der Blogosphäre besonders inspiriert?
„Da kann ich gar nicht alleine auf Namen abzielen. Es sind
ganz generell Frauen, die ihre eigenen, manchmal auch unpopulären
Entscheidungen treffen. Damit meine ich nicht Krawallbräute, sowas kann ja auch
leise passieren. Wenn man sich viel in der Blogosphäre bewegt, Menschen privat
kennenlernt und dann mit dem Online-Auftritt vergleicht, kann man schnell
enttäuscht sein, wie wenig von der angeblichen in der eigentlichen Person
steckt. Selbstbestimmtheit tippt sich eben leichter, als sie auch zu leben.
Umso großartiger finde ich die Persönlichkeiten, die sich nicht scheuen, auch
mal ganz unwirksam nicht mitzumachen, eigene Wege zu gehen und die keine Angst vor
Fehlern haben.“
Und zu guter Letzt: Du wohnst in Hamburg – was sollte man
denn da derzeit unbedingt sehen, besuchen und/oder probieren?
„Frühling in Hamburg heißt für mich: draußen sitzen und gut
essen! Ich gehe unheimlich gern an Sonntagen mit Freunden aus oder in meiner
Mittagspause einfach irgendwohin, wo man mir Sonne und guten Kaffee serviert.
Ich liebe ja das
‚alte Mädchen’ in der Schanze, die ‚Brooklyn Burger Bar’ (still my
favourite) in der Innenstadt oder das ‚Glück und Selig’ im Heußweg. Aktuell führen
mich meine Freunde wöchentlich in einen neuen Laden in Eimsbüttel aus, damit
ich meine neue Nachbarschaft besser kennen lerne. In dieser Woche wollen wir
das ‚Vin Aqua Vin’ testen, das hier neu aufgemacht hat.“
Alle Artikelbilder: Lina Mallon
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