Foto: Taghi Naderzad

Lisa Feldmann: „Ich lasse mir gerne von der jüngeren Generation die Welt erklären“

Seit November 2015 gibt es das Magazin L’Officiel nun auch in Deutschland. Wir haben mit der Chefredakteurin Lisa Feldmann über die neuen Herausforderungen, den Generationswechsel in der Medienlandschaft und ihre journalistische Karriere gesprochen.

 

L’Officiel: „Ein anderes Magazin für eine neue Welt“

Ein
großes goldenes Schild an der Eingangstür macht es mir leicht, die
Redaktionsräume der gerade in Deutschland erstmals erschienenen L’Officiel am Berliner
Gendarmenmarkt zu finden. Nun noch durch die große Tür und ein paar Stufen die geschwungene Treppe hinauf – und schon bin ich mittendrin in dem Mikrokosmos,
in dem ein Frauenmagazin im Premium-Segment noch einmal neu gedacht werden
soll.

Hinter
einer schweren Glastür liegt das Büro der L’Officiel- Chefredakteurin Lisa Feldmann,
die die deutsche Ausgabe gemeinsam mit ihrem Team entwickelt hat. Und die
58-Jährige ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt in der Branche, sondern hat
bereits bei zahlreichen Publikationen mitgewirkt, sei es bei der  Elle, der Cosmopolitan, dem Schweizer Magazin
Annabelle oder dem „Interview-Magazin  
umso mehr bin ich gespannt darauf, was sie nun mit dem neuen Format vorhat. Ein
Gespräch über vernachlässigte Zielgruppen, neue Welten und ihren Weg als
Journalistin. 

In der ersten Ausgabe finde ich viel Mode, Feminismus, Freundschaft, spannende Frauen und auch
Kochrezepte. Eigentlich ja die Zutaten für ein klassisches Frauenmagazin. Wie würden Sie die
L’Officiel beschreiben?

„Ja, natürlich sind die Themen, die Sie beschrieben haben, bei
uns drin. Aber die findet man auch im Magazin der „Zeit oder in der FAS. Es ist eigentlich
keine Frauenzeitschriften-Welt, sondern eine Welt, mit der man Zeit verbringt,
wenn man sich um sich selbst kümmert. Früher hat man gesagt, Frauen gehen mit
der Frauenzeitschrift am Wochenende eine Bindung ein, lesen sie in der Badewanne oder auf dem
Sofa. Deshalb dachte man auch lange, Frauenzeitschriften werden nicht online gehen. Ganz so ist es ja nicht gekommen, aber was stimmt, ist der Part mit dem Bonding, der Bereitwilligkeit, mit der du an ein Thema herantrittst.“

Wie meinen Sie das?

„Ich habe lange mit Kollegen vom „Spiegel gesprochen, die nun den Erscheinungstermin von Montag auf Samstag umgestellt haben und sie gefragt, worum es bei dieser Umstellung eigentlich ging. Und dabei ging es genau um das: der

Sonntagsmensch ist einfach ein anderer als der ‚Montagsmensch’, wenn es um die Fragen geht,
wie man Geschichten angeht und welche Themen
man bereit ist aufzunehmen.“

Was bedeutet das für das Format L’Officiel?

„Das bedeutet, dass es bei uns nicht um Nachrichten im klassischen Sinne geht. Auch setzen wir uns nur mit
politischen Themen auseinander, wenn sie sich im gesellschaftspolitischen Spektrum bewegen
– und natürlich in unserem Fall frauenpolitisch sind. Klar beschäftigt uns
auch das Flüchtlingsthema und wie es unsere Gesellschaft verändern wird, aber das stellen wir eben auf unsere ganz eigene Art und Weise dar.“

Auf der ersten Ausgabe war zu lesen: „Ein anderes Magazin
für eine neue Welt“. Wie ist das gemeint und was beschreibt diese neue Welt?

„Wir wenden uns an eine Zielgruppe, die zwischen 25
und etwa 45 Jahre alt ist. Diese ist in den letzten zehn, vielleicht sogar 20 Jahren
vernachlässigt worden. Weil alle dachten: Die gehen sowieso online, die lesen
kein Print mehr. Alle haben sich auf die ‚ältere Frau’ konzentriert, die sich interessiert, viel Geld hat und modeaffin ist. Aber die Generation darunter hat man links
liegen lassen, weil man sie verloren geglaubt hat. Ich glaube das nicht.
Aber natürlich ist auch unsere Zielgruppe unglaublich netzaffin, deshalb haben wir
zeitgleich zum Printmagazin auch unsere Website gestartet.“

Wie wichtig ist der Online-Auftritt für L’Officiel?

„Diese Website ist
uns sehr wichtig und wir arbeiten alle genauso an der Website mit wie am
Heft. Früher habe ich morgens immer eine Stunde lang in Zeitschriften
gelesen, heute schaue ich mich auf Instagram um und habe alle meine Informationen beisammen. Natürlich
lese ich zusätzlich immer noch Magazine, und ich nehme in bestimmten
Situationen auch Dinge anders auf und wahr. So ist die Welt jetzt, genau darum
geht es. Eine Welt, in der die Informationen aus ganz unterschiedlichen
Richtungen, von ganz unterschiedlichen Medien kommen – aber denselben Spirit
haben. Und genau das machen wir mit unserer Website und unserem Heft: Sie
bilden dieselbe Welt ab und das ist schon sehr ungewöhnlich, wenn man sich in der aktuellen Medienlandschaft
umsieht. Natürlich passieren online auch eigene Geschichten
– aber sie entstehen aus der gleichen Haltung und mit demselben
Spirit.“

Werden denn auch viele Geschichten aus Frankreich
übernommen?

„Zum Teil. Die internationale Familie ist in diesen budgetsensiblen Zeiten natürlich auch ein enormer Vorteil, solange das, was wir übernehmen, unserem Geist entspricht
und wir die Frage: ‚Würden wir das auch so machen?’ positiv
beantworten können. Etwa 85 Prozent entsteht durch uns, und es bleibt eben
dieser kleine Teil übrig, von dem ich es absolut legitim finde, ihn zu übernehmen – auch wenn sich jedes Land selbst erfinden muss. Aber es gibt eben eine globale Community da draußen,
gerade in dieser Generation. Die siehst du bei Refinery 29, die siehst du auf Mytheresa.com und die siehst du bei Net-A-Porter. Diese Gruppe verbindet etwas,
es ist eine globale Community, die sich sehr nah ist.
Warum sollten wir das also für unser Heft nicht nutzen?“

Wer ist eigentlich Ihre Konkurrenz? Ganz klassisch: Vogue und Konsorten?

„Dort liegen wir natürlich am Kiosk und das ist auch richtig
so, wo sollten wir sonst liegen? Aber es gibt immer wieder Momente in diesen Segmenten, die etwas verändern. Ich bin etwa die Generation, die mit der Veränderung konfrontiert wurde, als die Marie Claire und die Elle bei uns auf
den Markt kamen. Die Marie Claire löste einen absoluten ‚Hallo-Wach-Moment’ aus. Da sagten alle:
‚Aha, es gibt auch diese Frau, die Brigitte-Frau nur mit Style.’ Dann gab es
plötzlich die Allegra, und der Start von Allegra war wirklich ein ganz
entscheidender Moment, weil die sich einfach die 90er-Jahre gegriffen und sie
auf ihre ganz eigene Art abgebildet und bespielt haben – und es einfach ganz anders machten als alle anderen.“

Wie hat sich dieses „Hallo-Wach ausgewirkt?

„Ich war damals bei der Cosmopolitan und dachte: Ja, ihr
habt so recht! Und ich habe versucht, das zu uns rüberzubringen, weil ich so
enthusiastisch war und dachte, jetzt beginnt eine neue Welt – doch das hat für
die Cosmopolitan nicht funktioniert. Wie auch immer, jedenfalls gibt es diese neuen
Momente und wir gehören vielleicht in die Welt von Vogue und Co., aber wir sind anders. Wir sind jünger,
und setzen ein Signal, dafür, dass ein Generationswechsel kommt, dass etwas
passiert. Und zeitgleich auch ein Signal für einen treuen Glauben. Einen Glauben daran, dass es diese Leser, die wir ansprechen, gibt.“

Hat das denn noch keiner gemacht?

„Als die Harpers
Bazaar auf den deutschen Markt kam, da dachte man auch schon einmal: Jetzt kommt was Neues. Aber ich schätze, die sind zu sehr an
ihre corporate identity gebunden, deshalb konnten sie das nicht umsetzen. Hier war allerdings von Beginn an klar, und das war auch das unglaubliche Attraktive an dem Angebot: Ich darf die L’Officiel in Deutschland neu erfinden. Das Magazin ist
ja ein Joint Venture zwischen dem französischen Mutterhaus und einem
russischern Verleger – und die russische Ausgabe ist anders als in Frankreich beispielsweise unglaublich politisch. Denn die russische Chefredakteurin, Xenia Sobchak, ist nicht nur die Patentochter von Putin, sie bekämpft ihn auch ganz offen. Sie macht eine L’Officiel, bei der auch der
Verleger manchmal sagt: Bitte ein bisschen runter vom Gas! (lacht) –  aber das ist ihr total egal. Und ich glaube, das ist das Tolle an dem Format, dass es
außerhalb von Frankreich total unbeschrieben ist. Und wir wussten von Anfang
an: Es gibt nur eine Chance auf dem deutschen Markt, nämlich wenn wir jünger
und irgendwie anders sind.“

Aber ist der Markt für Frauenmagazine im Premium-Segment in
Deutschland nicht trotzdem bereits ausgeschöpft?
Ich habe das Gefühl, alles geht eher Richtung Nische, hin zu Themen wie
Psychologie, Landlust oder Crime. Ist da wirklich noch Luft?

„Wir werden sehen. Aber ich bin davon überzeugt: Wir sind
nicht wenige, wir sind viele. Ich glaube, es ist eine Frage der Kommunikation.
Deshalb sind uns auch die sozialen Netzwerke so wichtig. Ich glaube, es geht
einfach darum, die Leute zu erreichen. Das Prinzip Landliebe ist ein Konzept, das gar
nicht so weit von dem entfernt ist, von dem ich zu Beginn gesprochen haben. Da
geht es um ein bestimmtes Gefühl und darum, wann man es liest.
Erstaunlicherweise lesen es ja kaum Menschen, die ein Haus auf dem Land haben,
sondern eher Städter, die in zwei Zimmern leben. Es scheint also etwas mit
Eskapismus und Sehnsucht zu tun zu haben. Das ist bei uns nicht so. Aber auch bei uns geht es um ein bestimmtes Gefühl, dieses Gefühl, sich auf etwas zu freuen, sich zuhause zu fühlen. Und ich glaube auch, dass die
Magazine einfach ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Viele haben sich
verwässert, man spürt sie nicht mehr.“

Wie macht man es denn richtig?

„Ich liebe zum Beispiel das Porter
Magazin
, weil die sich eine unglaubliche Mühe machen und alles so liebevoll
aufbereiten. Bei jeder Spalte, bei jeder Kolumne und jedem kleinen Text wollen
die wirklich was sagen. Natürlich haben die ein unglaubliches Budget und können
es sich leisten, für jede Minigeschichte Topmodels und Starfotografen
einzusetzen. Das haben wir nicht – aber wir können diese Mühe übernehmen. Und wir
können übernehmen, uns immer wieder zu fragen: Was muss da noch rein und was
muss da noch gesagt werden? Wir wollen nicht als Spielball der Branche agieren und unsere Geschichten um Anzeigen bauen. Ein attraktiver Partner ist man nur, wenn man eine Kontur hat – und wenn das Gegenüber diese Kontur erkennen kann.“

Wie würden Sie eigentlich das Verhältnis von deutschen
Frauen und Mode beschreiben? Gucken, nicht kaufen?

„Nein, Deutschland ist ein wahnsinnig wichtiger Markt für
alle Brands und es ist ein Markt, auf den alle mit einer unglaublichen
Sensibilität reagieren, weil sie fast nirgendwo so ein Potenzial im Eins-zu-eins-Umsatz haben. Gerade in der analogen Welt. Die deutschen Frauen sind sehr
sophisticated, die wissen unglaublich viel – was aber auch nicht immer so war.
Ich war 15 Jahre in der Schweiz und diese Frauen hatten den Deutschen einiges
voraus. Aber das hat sich geändert. Es hat sich gezeigt, dass die deutschen
Frauen unglaublich viel wissen und viele Ansprüche haben und viel mehr bereit
sind, sich modisch auszuprobieren. Auch hier ist das eine neue Generation, ein
junges Publikum, das durch Mamas Kleiderschrank konditioniert wurde, das weiß,
was es will, das investiert und Mode mit einer Bedeutung
verbindet.“

Lassen Sie uns kurz über ihren Werdegang sprechen. Nach den 15 Jahren in der
Schweiz, wo sie lange Zeit die Chefredakteurin der Annabelle waren, sind Sie wieder nach
Deutschland gekommen, und haben die Chefredaktion des ,Interview’-Magazins
übernommen. Nun sind sie Chefredakteurin der L’Officiel. Hat Sie an diesem Angebot vor allem die
Möglichkeit zu gestalten gereizt, oder gab es noch etwas anderes?

„Sagen wir mal so, ich habe eigentlich nach dem Ende beim ,Interview’-Magazin gedacht, das war es jetzt. Ich bin ja auch nicht mehr die jüngste
und es rücken lauter junge Frauen nach, die hier bald übernehmen sollen,
die sich hier abbilden
sollen und ihre Fußspuren in der deutschen Medienlandschaft spürbar machen müssen. Und
ich glaube, das muss gepusht werden! Ich hatte mir also noch gar keine Gedanken
gemacht, wie genau es weitergeht. Ich habe dann wieder angefangen, mehr zu
schreiben, hatte Beratermandate in der Schweiz und bin davon
ausgegangen, dass es nun eher in diese Richtung geht. Aber als das Angebot kam und das dann auch
noch in Kombination mit dieser jungen Redaktion, da dachte ich: Ja, das wäre was.
“ 

Warum hat Sie das so gereizt?

„Ich habe in meiner Zeit in der
Schweiz ein Magazin entwickelt und eine zeitlang als Chefredakteurin begleitet, das ‚Friday Magazine’, bei dem ich
ausschließlich mit Anfang-20-Jährigen zusammen gearbeitet habe. Das war so ein Privileg,
so ein Vergnügen und ich bin heute noch mit allen befreundet. Es war einfach so
großartig, sich von ihnen einladen zu lassen, zuzuhören und sich von ihnen die
Welt erklären zu lassen. Und das ist gerade wieder so: zuhören und staunen. Es
gibt bei uns in der ersten Ausgabe dieses Interview mit der Feministin Laurie Penny, wo ich
gesagt habe: Ja, ist das denn so neu? Da bin ich hier ganz schön zusammengefaltet
worden – und ich merkte: Sie haben ja so recht. Aus ihrer Sicht ist in Sachen
Feminismus
ja nichts passiert, es gibt in dieser Sache noch immer so viel zu
tun. Die Referenzen haben sich einfach verändert. Es gibt
neue Namen und man muss sich auch mit Persönlichkeiten wie Kim Kardashian und Kanye West
auseinandersetzen, und verstehen, was die Message ist. Ob man das nun mag oder
nicht. Da lasse ich mich gerne von den Jüngeren an die Hand nehmen und
bin super happy, das auch sie Lust darauf haben.“

Auch das ,Interview’-Magazin ist ein Ableger eines
internationalen Titels – hier ging das nicht so gut auf. Flößt Ihnen das
Respekt im Hinblick auf den Start von L’Officiel ein?

„Das ,Interview Magazin hat ein ganz anderes Thema, es
ist eher vergleichbar mit dem Konzept, das die Vanity Fair in Deutschland hatte.
Das sind so Konzepte, die auch in Amerika nicht aufgehen.
Aber dort reicht ein Stadtteil in New York, um die Auflage zu
sichern. Wobei das beim ,Interview Magazin’ auch nicht so ganz stimmt, aber es bringt eben genug Image für alle Beteiligten mit. Doch diese Art von Heft
hierher zu bringen und zu glauben, wir machen das hier zu einem erfolgreichen
Konzept, das funktioniert meiner Meinung nach nicht. So ein Heft braucht eine Seele. Und Seele heißt nicht: Wir füllen
jetzt die teuersten Ingredienzen ein, stellen das hin und sagen: viel Spaß damit. Wenn ich nicht weiß, was die mir sagen wollen, ich es
nicht spüre, dann geht man keine Verbindung mit dem Magazin ein. Das hat keine Substanz.“ 

Wie kann man denn eine solche Substanz schaffen?

„In
meiner Zeit bei der Zeitschrift Tempo war das amerikanische ,Interview’-Magazin
für uns die Bibel. Sie hatten damals einen Artdirektor, Tibor Kalman, den ich
wahnsinnig bewundert habe. Er hat in den 90er-Jahren eine Bildsprache
erfunden, die man noch nicht kannte und die irre aufregend war. Das hat alles zusammengehalten. Das war so eine
starke Message aus einer neuen Welt, und dazu kamen die Kunst- und Kulturthemen, so dass
du jede Person, die dort auftauchte, automatisch
in diese neue Welt getan hast, ganz einfach, weil der Rahmen so stark war. Das war sehr
beeindruckend. Es gibt auch heute noch Ausgaben, die mich beeindrucken. Aber
eben auch andere, wo man sofort sieht: Das ist einfach nur Geballere aus
riesigen Rohren (grinst).“

Apropos Tempo: Wie schauen Sie auf die Zeit Anfang der 90er-Jahre zurück und was haben Sie aus ihr
mitgenommen? Schließlich konnte man dort unglaublich viel ausprobieren!
Stichwort: Gonzo-Journalismus.

„Das Entscheidenste war, glaube ich, tatsächlich die neue
Bildsprache. Ich hatte bis dahin überhaupt keine richtige Vorstellung davon,
dass Artdirektion so wahnsinnig wichtig ist. Ich dachte, der Text ist wichtig
und dann sollen die das eben auch noch irgendwie gut aussehen lassen. Auch, dass
die Übermittlung der Geschichte ganz stark davon abhängt, welche Bildsprache
der Fotograf spricht, war mir nicht klar. Ich habe in der Zeit
angefangen, The Face und I-D zu lesen und das, was Neville Bordy, der Artdirector von The Face, damals gemacht hat, das hat mir sehr eingeleuchtet und es hat auch mein Vergnügen
geweckt. Was dort passierte, war auch unser Anspruch bei Tempo. Ich war in dieser Zeit auch auf meinen ersten Modeschauen in Paris, wir haben nächtelang über das, was dort geschah, geredet, die Leute interviewt und kennengelernt. Da passierte Mode neben den etablierten Namen. Und bei der Tempo konnten wir damit
spielen.“

Sie waren schon bei so vielen Magazinen. Können Sie
festmachen, was die wichtigste berufliche Station war?

„Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die Zeit bei der
Annabelle eine ganz wichtige Zeit war, aus ganz simplen Gründen. Das Außmaß der Autonomie der Chefredakteure in der Schweiz ist für deutsche Verhältnisse unvorstellbar groß. Kein Mensch redet dir je rein – du bist der Chef
deines eigenen kleinen Unternehmens. Es sei denn, es gibt richtige Probleme. Da
kommt dann zu Ende des Jahres auch mal der Geschäftsführer und fragt, was da
los ist. Aber im Grunde hast du dein Budget, das auch noch mal ein ganz anderes
als in Deutschland ist, und innerhalb dieses Budgets bist du autonom mit dem, was du tust. Dazu kommt ein weiterer Vorteil, nämlich dass bei der Annabelle
und vielen anderen Magazinen ein Großteil der Leser, um die 65 Prozent,
Abonnenten sind. Das schafft enormen Freiraum, etwa für die Gestaltung des Covers. Man konnte viel
spielen und hatte eine unglaubliche Power, journalistisch zu arbeiten und das
wiederum wurde sehr geschätzt. Es ist ein unglaubliches Vergnügen, ein Magazin in dieser Welt zu machen. Aus meiner
journalistischen Perspektive war das großartig, ich habe wahnsinnig viel von dem, was ich wollte, umsetzen können. Aber es gab
viele Stationen, die aus unterschiedlichen Gründen ganz viel Sinn gemacht
haben. Ich bin wahrscheinlich die letzte Generation, die so lange in einem
Bereich gearbeitet hat. Ihr werdet euch wieder anders erfinden müssen mit euren
Talenten. Weil man mehr schauen muss: Wer will das noch und in welche Kanäle
kann das dann fließen?“

Und welche Entscheidung war im Nachhinein vielleicht nicht die beste?

„Wahrscheinlich die Entscheidung, zum ,Interview-Magazin zu gehen – dafür kann man aber auch
niemandem die Schuld geben. Ich habe das zuvor falsch eingestuft und die haben
mich auch falsch eingestuft, wie das eben manchmal so ist. Das, was ich daraus machen wollte und auch sollte – denn die Idee, mehr in den Frauenbereich zu gehen, kam ja
eigentlich vom Chefredakteur damals – das
ging einfach nicht. Das Heft war nicht dafür gemacht, es hat eben seine ganz
eigene DNA und die passte nicht zum neuen Konzept. Aber
andererseits wäre ich sicher nicht
hier, wenn ich nicht bei ,Interview gewesen wäre.“

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