Foto: Anja Poeschke

Mama, verreise doch mal. Ich mache das auch jeden Tag

Dieser Bericht ist von mir frei erfunden und beschreibt meinen Blickwinkel, wie wichtig es ist, auf sich zu achten und trotzdem die Welt durch Kinderaugen zu betrachten

 

Heiss geliebter Transformer. In meiner Kindheit gab es ihn nicht, in meiner Jugend interessierte mich soetwas nicht. Aber mittlerweile lacht mich dieser Transfomer unseres Sohnes regelmäßig von meinem Nachttisch aus an. Nicht mehr weg zu denken und er hat mit Abstand die Südseereise aus meinem Kopf verdrängt.

Die Südsee lockt mich gerade so richtig und ich würde jetzt gern am Strand schlafen. Ich steigere mich gerade mental in meine Bikinifigur herein. Aber den Glaube an meine wohl verdiente Reise zur Südsee unterbreche ich dann doch nochmals mit der Suche nach einer Bauanleitung für Transformers.

War das Mittagessen für die Kinder heute eigentlich gesund genug? Es gab gestern ja schon Pasta. Und vorgestern auch. Sonntag gab es im Kino Chips. Dafür habe ich heute Mittag ganz wunderbare und ernst zu nehmende rote Erdbeeren im Dorfladen gekauft. Sie sind der gesunde Teil, den ich für heute einhalten konnte. Wo ist denn nur die Bauanleitung…..

Ach, vollmundige, saftige, duftende Erdbeeren
…..erinnern mich auch wieder an den Duft der Südsee.

Tja eine Reise, das wäre jetzt genau das Richtige. Seit 7 Jahren sind wir Eltern, sogar zweifach. Und null fach an die Südsee verreist. Die Südsee hat einen
Spielplatz, das ist das Meer. Wunderbar für Kinder, oder? Mehr braucht es
nicht. Ich muss nicht nach Spielgelegenheiten suchen. Ich kann mich direkt in
den warmen Sand legen und meinen Kindern zuschauen, anwesend sein, aber mich auch bestens, vor allem gepflegt, dabei erholen.


In meiner Wohngegend habe ich Spielplätze im Kopf, die ich mit sofortiger Wirkung ansteuern kann.  Das tuen wir auch, weil wir ja heute noch etwas Bewegung brauchen. Die Reise geht los. Inklusive Transformer und Bauanleitung, Taschen, Handtücher, Ersatzkleidung, Sandspielzeug, Fernglas, Fotokamera, Malkreide…..

Es ist aber nicht das Meer – hier erhole ich mich nicht, aber das ist nicht schlimm, denn dafür ist ja mein Reisewunsch stark ausgeprägt. Besonders, wenn der Spielplatz mit einem Wasserspielpark verbunden ist und sich der Sand in meine Hosentaschen gräbt, weil ich mich ja nicht südseetauglich im Bikini daneben setzen kann.
Stattdessen setze ich mich in meiner bequemen Hose auf eine frei gebliebene Ecke eines gerade angesagten und zu Erholungszwecken bescheidenen Objekts – eine Bank.

Es ist eben nicht der Südsee Sand, der meiner Haut schmeichelt, sondern es ist der schlammige Sand auf dem schlammigen Spielplatz, auf dem ich mich händeringend sauber halte.

So eine kleine Kinderhand, die mich dankbar streicheln möchte, ist schön.. Man kann sich ja im Brunnen das Gesicht schnell abwaschen.. An der
Südsee würde ich jetzt ins Meer springen und mich erfrischen. Herrlich… Schöne Palmen und wunderbare Kokosnüsse, aus denen ich frischen Fruchtsaft trinke, mein Mann hält mir die Hand und wir freuen uns auf 3 wunderbare Urlaubswochen in der Karibik…

„Liebe Mama, wo ist eigentlich mein Transformer?“ Was? Wurde ich eben geweckt, bin ich etwa eingenickt auf der Bank? Oh es ist gleich 18 Uhr, was essen wir denn heute noch zur Nacht? Ich kann doch nicht schon wieder ungesund kochen.

„Mein Transformer ist weg.“ Das ist uns ja noch nie passiert. Mein Sohn ist ein achtsamer Junge.
Ich stieg vor dem Spielplatz aus dem Auto und hatte doch den Transformer noch in meiner Handtasche.. Wo ist meine Handtasche?

Ich wurde aufmerksam durch die hinweisenden Worte einer Mutter, ganz liebevoll zu Ihrem Baby gebeugt, dass man doch nicht einfach fremde Handtaschen ausleert.. Meine neulich erstandene Kosmetik verteilt sich zwar gerade auf der feucht, sandigen Wiese neben dem überfüllten Papierkorb, aber ich bin doch froh, dass die Handtasche nicht geklaut wurde. Spielplätze scheinen einigermaßen sicher…

Am Meer hätte ich jetzt die liebevolle Stimme meines Mannes im Ohr und keine Handtasche dabei. Ich besäße dort nur mein Handtuch und meinen Bikini. Wie angenehm. Das Meer wäre ja der Spielplatz. Herrlich…

Ich habe den Lippenstift fort geworfen. Schlammiger Sand machte ihn unbrauchbar. Was solls. Das Geld ist seit den letzten 7 Jahren in Windeln, Kinderkleidung, Spielsachen, Kinderkino und Spielparks geflossen. Weshalb ich zwar gerade deshalb um meinen Lippenstift trauere, der nur mir gehört. Aber ich teile lieber die Freude an meiner Handtasche mit dem süssen Baby.

Da fällt mir ein, mein Training hat arg gelitten. Es wäre gut, das heutige Mittagessen zu verbrennen, ganz zu schweigen von der zwei – Tage-  Pasta. Und ich gäbe eine bessere Bikinifigur am Meer ab…. Habe ich jetzt die Bauanleitung auch wieder in die Tasche zurück gelegt?

Ich möchte heute Abend die Kinder ohne Ritual ins Bett bringen und meine Fotos vom letzten Urlaub sortieren. Es war eben nie die Südsee dabei. Und doch gefallen mir meine Fotos immer so sehr, dass ich denke, ich sollte sie an die Öffentlichkeit bringen. Jemand sollte von meinen Talenten erfahren.. Ich bin nicht immer nur auf dem Spielplatz mit sandigen Hosentaschen anzutreffen. Bis vor wenigen Minuten besaß ich auch einen Lippenstift in meiner Handtasche. Und ich möchte Geld verdienen für eine Reise ans Meer. Vielleicht mit meinen guten Fotos?

„Mama der Transformer ist ganz schmutzig.“  Ach je.
Mein neuer Lippenstift ist für heute auch hinüber, der war aus 100% natürlichen Inhaltsstoffen und so ernst zu nehmen wie meine Erdbeeren, die ich heute Mittag gekauft habe.. es tut mir wirklich leid um den Transformer.

„Komm mein Kind, ich nehme Dich an die Hand und wir sollten Dein Spielzeug im Meer etwas abwaschen und anschließend den Sonnenuntergang gemeinsam anschauen. Pass auf, da liegt ein Seeigel, wie schön er ist. Nein, der geht gewiss nicht kaputt, wir legen ihn ins Meer zurück. Ja natürlich kannst Du noch etwas im Sand spielen. Gut, dass es heute Abend noch ein schön gedecktes Buffet für uns zum Abendessen gibt. Ich freue mich schon auf die frische Kokosnuss…“

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