„Arbeiten bei XY ist mehr als nur ein Job!“ Diese Zeile war auf dem Whiteboard im Konferenzraum einer x-beliebigen Firma zu lesen. Aber warum soll der Arbeitsplatz unbedingt etwas ganz Besonders sein?, fragt sich unsere Community-Autorin.
Wie besonders muss mein Arbeitgeber sein?
Wie bitte, dachte ich ein wenig verwirrt, als ich den Satz „Arbeiten bei XY ist mehr als nur ein Job!“ las. Denn wir reden hier nicht von einem hippen, trendy Startup. Im Gegenteil. Die Firma, um die es ging, ist gediegen und, Verzeihung, langweilig. Der Job hier ist nicht cool, spannend und abwechslungsreich, genauso wenig wie die Aufgaben der Kolleg*innen. Die Leute hier machen einfach einen Job – nicht mehr und nicht weniger. Es gibt wenig Raum für „Kreativität“ und „Dynamik“ und „Selbstverwirklichung“. Die Tage sind alle mehr oder minder gleich, die Arbeit recht eintönig. Es gibt auch nichts, was man daran ändern könnte, das liegt am Geschäftsfeld der Firma. Die Leute arbeiten nicht ungern dort, ist mein Eindruck – sie arbeiten gut und sind zufrieden, aber eben nicht mit besonders viel „Leidenschaft“ und „Herz“.
Die Firma wurde aber ganz offensichtlich von einem neuen Virus angesteckt, der durch die Arbeitswelt geistert: Es reicht für ein Unternehmen nicht, einfach gut zu funktionieren. Nein, die Arbeitnehmer*innen sollen sich völlig mit dem Unternehmen identifizieren. Es muss „mehr als nur ein Job sein“, man muss dafür brennen, begeistert sein, alles reinhängen, alle müssen eine große Familie sein, hinter dem großen Ziel stehen … Moment, liebe Arbeitgeber*innen, schaltet mal einen Gang runter. Das muss überhaupt nicht sein.
Es gibt Jobs, für die brennt man einfach nicht
Die Firma hatte vor einiger Zeit einen großen Workshop zur „Unternehmenskultur“ veranstaltet. Dabei kam unter anderem der Slogan „Arbeiten bei XY ist mehr als nur ein Job!“ rum. Liebe Firma XY, unter uns: Vergesst das ganz schnell wieder. Das wird nicht passieren – dafür seid ihr nicht hip und sexy genug, dazu ist das, was ihr macht nicht spannend genug. Und wisst ihr was? Das ist okay. Das ist überhaupt nicht schlimm. Bitte macht jetzt nicht den Fehler und verrennt euch darin, euer Unternehmen umkrempeln und die Kultur komplett verändern zu wollen.
Es gibt Jobs, für die brennt man nicht, die macht man einfach. Die Jobs in eurer Firma gehören dazu. Und daran werden keine Workshops, keine „After-Work-Events“ und „Teambuilding-Maßnahmen“ und was ihr euch da sonst noch ausgedacht habt, etwas ändern. Die Jobs bei euch werden immer Jobs sein, die eben gemacht, aber nicht heiß und innig geliebt werden.
Ihr seid einfach nicht cool genug – und das ist okay!
Ich will euch nicht ausreden, etwas für eure Belegschaft und eure Unternehmenskultur zu tun – bestimmt nicht. Fördert eine gute Stimmung, ein gutes Miteinander, tut etwas für eure Arbeitnehmer*innen – gerade, wenn man nicht das hipste Unternehmen unter der Sonne ist, ist das wichtig. Schafft gute Arbeitsbedingungen. Aber erwartet nicht von euren Mitarbeiter*innen, dass sie sich mit Haut und Haaren eurer Firma verschreiben. Das ist einfach zu viel verlangt. Ihr werdet enttäuscht sein am Ende, weil das, was ihr euch erhofft, nicht eintritt. Und die Mitarbeiter*innen werden ebenso unzufrieden sein, weil sie das, was ihr euch von ihnen erwartet, nicht leisten können. Es kann nicht überall zugehen wie im freakigen Gründergroßraumbüro, wo keiner nach Hause will, weil man gerade an so einer geilen Sache dran ist. Und das ist auch gut so.
Ich gratuliere jedem Menschen, der DEN einen Job gefunden hat, für den Arbeit keine Arbeit ist, weil er sie so gern macht. Das ist super – solange es in einem gesunden Maß passiert. Aber: Die wenigsten Menschen finden die totale Erfüllung im Job. Es geht nicht jeder voll in seiner Arbeit auf, nicht jede brennt für das, was sie tut. Das ist in Ordnung und normal. Nicht jeder Job gibt das her. Es will auch gar nicht jeder einen Job, dem er sich mit jeder Faser widmet und dem er ganz und gar gehört. Eine Firma kann ein gutes Klima haben und gute Ergebnisse erzielen, ohne all das.
Ich finde, wir sollten aufhören, uns unter Druck zu setzen, diese totale Erfüllung im Job zu finden. Und auch die Firmen sollten von dieser Erwartungshaltung wegkommen. Damit ist niemandem geholfen. Denn wenn wir dieses Idealbild für alle zum Maßstab erheben, dann werden auf Dauer viele unglücklich, weil sie das Gefühl haben, es laufe etwas falsch bei ihnen – Firmen wie Mitarbeiter*innen. Es läuft nichts falsch, ihr seid einfach: ganz normal.
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