Alexandra De Jong ist Chefin eines Yoga-Studios, betreibt eine Hebammenpraxis und hat sechs Kinder. Wie bekommt sie das alles unter einen Hut und wie wichtig ist es, zwischendurch auch mal loslassen zu können? Darüber hat Kathrin Mechkat mit ihr gesprochen.
Hebamme, Yogalehrerin und sechsfache Mutter
Alexandra De Jong hat ihre Leidenschaft fürs Yoga zum Beruf gemacht: Die 42-jährige ist Chefin eines Yoga-Studios in Buchholz bei Hamburg, betreibt eine Hebammenpraxis und hat sechs Kinder im Alter von neun Monaten bis 16 Jahren. Hier spricht sie übers Loslassen, ihr Mama-Mantra und warum sie bei der Hausgeburt ihres jüngsten Sohns Kopfhörer trug.
Du warst als Hebamme bei Hunderten Geburten dabei. Gebären Frauen, die Yoga machen anders?
„Ja, total! Denn in den Pränatalstunden lernen die Schwangeren in der Anstrengung loszulassen und bei ihrer Atmung zu bleiben. Wir bekommen ganz viel positives Feedback aus dem Krankenhaus und von den Frauen selber, die die Techniken aus dem Yoga mit in den Kreißsaal nehmen. So was bleibt im Herzen und im Kopf.“
Was macht den Unterschied?
„Die Frauen sind mehr bei sich und merken, wann sie Spannungen im Körper aufbauen und wissen, wie sie die loslassen können. Das kann man auch ganz alleine machen, selbst wenn die Hebamme nicht im Raum ist. Sie kriegen was an die Hand, womit sie arbeiten können. Bei Frauen, die kein Yoga machen, habe ich ganz oft erlebt, dass sie unheimlich viel Spannung aufbauen, bis der Körper zittert, weil er nicht mehr kann.“
Wie war das bei deinen eigenen Geburten?
„Mir ist es immer schon leicht gefallen, bei mir zu sein und meinen Körper die Arbeit machen zu lassen. Das ist ja das schwierige: Die Kontrolle abzugeben. Der Kopf will mitmachen. Ich habe bei allen Geburten versucht, ihn abzuschalten und meinem Körper nicht im Weg zu stehen. Meistens ist es ja so, dass der Körper nach unten drückt und die Frau dagegen hält. Dadurch wird die Geburt schmerzhafter und dauert länger. Meine letzte Geburt war wie eine Meditation. Ich habe mich die ganze Zeit auf meinen Atem konzentriert. Wenn Du viel meditierst, erleichtert das eine Geburt ungemein.“
Immer in Balance bleiben. Quelle: Privat
War es eine Hausgeburt?
„ Ja, bis auf mein erstes Kind habe ich alle Geburten zuhause in der Badewanne erlebt. Es war immer eine Hebamme dabei, weil ich in der Situation einfach nur Gebärende sein wollte. Ich wollte ganz bei mir sein. Beim letzten Kind habe ich zum ersten Mal Musik gehört bei der Geburt. Ich habe mir Kopfhörer aufgesetzt und die Augen geschlossen. Denn meine ganze Familie war dabei und zwei Hebammen, es war also richtig was los! Das hat mich immer wieder von meinem Fokus weggeholt. Die Kopfhörer haben mir dann sehr geholfen, ich habe sie gar nicht mehr runtergenommen bis das Kind da war (lacht).“
Was hast du gehört?
„Das Gayatri-Mantra und den Devi-Prayer.“
Apropos Mantra, hast du ein Mama-Mantra?
„Lass los! Sobald sich bei mir Spannung aufbaut im Kiefer und in den Schultern, achte ich darauf, das wieder loszulassen. Ich mache viele Körperscans, lasse zum Beispiel bewusst meinen Blick weicher werden, oder richte mich auf, indem ich das Brustbein hochziehe. Ich mache das garantiert 100 Mal am Tag. Ansonsten summiert sich das und alles wird fest.“
Hast du eine Lieblings-Asana, die du anderen Mamas empfehlen kannst?
„Handstand, er bringt einem so viel bei! Er fordert Dich, denn Du brauchst Spannung und Ausrichtung dafür. Du lernst über Deine Grenzen hinwegzugehen. Die meisten Leute haben Angst vorm Fallen oder dem Überkopfsein. Das gilt auch für mich. Er gibt mir aber auch ganz viel Kraft. Und es gibt so viele Varianten! Mir wird nämlich immer schnell langweilig …“
Langweilig wird es bestimmt nicht, wenn du mit deinen sechs Kindern Yoga machst…
„(lacht) Mit ihnen mache ich am liebsten Aerial-Yoga und Acro-Yoga.“
Wie beeinflusst Yoga dein Muttersein abseits der Matte?
„Ich bin viel geduldiger und offener, das anzunehmen, was meine Kinder mitbringen. Ich erwarte nicht so viel von ihnen, sondern nehme sie so wie sie sind.“
Das hast du sehr schön gesagt. Kleiner Rückblick: Erinnerst du dich noch an deine erste Yogastunde?
„Oh ja, ich musste damals mit meinem Sohn für zwei Wochen ins Krankenhaus in Quarantäne. Er hatte mit neun Monaten eine ansteckende Virus-Erkrankung. Weil ich das Zimmer nicht verlassen durfte, habe ich mir die „Intensive Yoga“-DVD von Young-Ho Kim gekauft und es hat sofort Klick gemacht. Die fließenden und tänzerischen Elemente vom Vinyasa-Yoga waren von Anfang an mein Ding! Das ist jetzt sieben Jahre her.“
Und dann bist du auch in Kurse gegangen?
„Nein, gar nicht, ich habe nur zuhause mit Büchern und DVDs von Shiva Rea und Bryan Kest geübt. Ich habe auch ganz viele Sachen aus dem Yoga in meine Rückbildungskurse integriert und mich dann ziemlich schnell entschlossen, eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin zu machen. Nach einer Stunde bei Qbi war mir klar, dass ich das Teacher Training bei Power Yoga Germany machen möchte. Kurz nach der Anmeldung habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin, was natürlich erstmal doof war (lacht).“
Wie ging’s weiter?
„Ich bin heulend da hin und meinte: ‚Es wird nichts‘. Ich hatte mich doch so gefreut auf die Ausbildung, das war für mich das totale Highlight! Ich dachte: schwanger kann ich das jetzt vergessen, weil ja auch mein Termin ziemlich zeitgleich mit der Prüfung war. Es hat sich dann aber alles gefügt. Zehn Tage nach der Geburt habe ich meine Prüfung gemacht und bestanden.“
Zehn Tage danach?
„Genau – so wie ich das als Hebamme niemals einer Mutter empfehlen würde … Mein Mann hat mich mit den Kindern zur Prüfung begleitet und mir das Baby zum Stillen gebracht.“
Macht er auch Yoga?
„Ja, er macht bei Eric Bennewitz Männeryoga. Und wir haben mal eine Acro-Yoga-Immersion zusammen in London gemacht.“
Und wer hat auf die Kinder aufgepasst?
„Mein Vater. Das war hart – der war total fertig. (lacht)“
Wie teilst du dir Deine Arbeit ein?
„Vormittags und Abends sind meine Arbeitszeiten. Morgens mache ich Hausbesuche und unterrichte Rückbildungskurse. Abends stehe ich als Yoga-Lehrerin auf der Matte oder führe Gespräche in der Hebammen-Praxis.“
Um wieviel Uhr steht ihr auf?
„Wir müssten eigentlich früher aufstehen. Wir kommen öfter mal in die Bredouille (lacht). Es wird dann aber doch immer halb sieben. Für eine Yoga-Routine bleibt da keine Zeit. Abends komme ich oft erst 23.00 Uhr nach Hause von der Arbeit und gehe dann so um 23.30 bis 0 Uhr ins Bett. Das ist ein langer Tag. Ich bin aber eher ein Abendmensch und habe dann immer einen sehr hohen Leistungspegel.“
Wie sieht Deine eigene Übungs-Praxis aus?
„Wenn ich meine Klassen vorbereite, mache ich mir Musik an, lasse es laufen und gucke, was aus meinem Körper rauskommt. Ein Free-Flow. Jetzt bin ich aber an einem Punkt, dass ich mal wieder Input von außen brauche.“
Das Interview wurde zuerst auf MOMazing – Das Mama Yoga Love Mag veröffentlicht. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.
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