In Deutschland hat jede*r politisch Verfolgte das Recht auf Asyl. CDU-Politiker Friedrich Merz hat dieses Grundrecht in Frage gestellt. Ein Kommentar.
Sollte man wirklich offen über das Recht auf Asyl diskutieren?
Bei der CDU-Regionalkonferenz in Thüringen stellten sich gestern die Anwärter*innen auf den Parteivorsitz den Parteimitgliedern vor. Neben Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn fiel besonders Friedrich Merz auf – mit einer Forderung zum Asylrecht. Deutschland, so Merz, sei das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen habe. Obgleich er Europäer sei, vertrete er schon lange die Meinung, über das Recht auf Asyl müsse man „offen reden“, insbesondere, wenn „eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft gewollt“ sei. Offen über Grundrechte reden – das heißt für Merz, diese zur Debatte zu stellen.
In Deutschland lässt das Individualrecht zu, dass jede Person, die in Deutschland Asyl beantragt, mit ihren individuellen Gründen gehört wird. Jede politisch verfolgte Person kann vor einem Gericht ihr Recht auf Asyl einklagen.
Flucht und Klimawandel
Außerdem äußerte sich Merz kritisch zum geplanten UN-Migrationspakt. Dieser soll die internationale Zusammenarbeit zwischen Staaten in Zeiten stärken, in denen immer mehr Menschen aus den verschiedensten Gründen ihre Heimatländer verlassen. Dabei bleibt allerdings weiterhin die Souveränität der einzelnen Staaten gewahrt und die Inhalte des Paktes sind juristisch nicht bindend. Trotzdem sieht Merz in dem Pakt eine Gefahr, wenn dieser für „neue Asylgründe“ sorgt. Der Klimawandel dürfe nicht als Asylgrund gelten, da er nicht mit politischer Verfolgung gleichzusetzen sei, so Merz. „Das sind Dinge, die wir in Deutschland auch durch die Hintertür nicht akzeptieren können.“
Der ansteigende Meeresspiegel, Wetterextreme, Waldbrände und fortschreitende Wüstenbildung – alles Folgen des Klimawandels – versteht Merz also nicht als Grund, in einem anderen Land Zuflucht zu suchen. Obwohl der Lebensstil und die Industrie der sogenannten westlichen Welt einen erheblichen Anteil daran tragen, dass sich die Erde immer schneller erwärmt, sieht es Merz nicht ein, Menschen, deren Heimatländer durch den Klimawandel unbewohnbar werden könnten, in Deutschland aufzunehmen. Dass er selbst zwei private Flugzeuge besitzt und auch darüber hinaus bisher nicht durch einen besonders klimafreundlichen Lebensstil aufgefallen ist, wirkt daneben geradezu grotesk.
Verlust des gemeinsamen Nenners
Das Recht auf Asyl ist nicht nur ein Grundrecht, es ist auch ein Menschenrecht und damit im ersten Artikel des Grundgesetzes festgeschrieben: „Das Deutsche Volk bekennt sich […] zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
Friedrich Merz ist nicht die erste Person, die sich dafür ausspricht, dass Grund- und Menschenrechte zur Diskussion gestellt werden, und er wird nicht die letzte Person sein. Mit seiner Haltung zum Asylrecht zeigt er jedoch, in welche Richtung sich eine CDU unter seiner Führung bewegen würde: Noch tiefer hinein in die Kreise derer, die sich in ihrem grenzenlosen Hass plötzlich der Grenzen ihres Geburtslandes bewusst werden und diese vor einer empfundenen Bedrohung schützen wollen. Dabei gerät der Schutz jener Menschen, die diesen aufgrund von Krieg, des Klimawandels oder starker Armut benötigen, immer weiter aus dem Fokus. Die Grundrechte sind das Fundament unserer Gesellschaft. In dem Moment, in dem wir sie als gemeinsamen, gesamtgesellschaftlichen Nenner verlieren, verliert auch unsere Demokratie ihren Halt.
Titelbild: CDU/Laurence Chaperon
Der Originaltext von Katharina Alexander ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
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