Warum finden es fast alle Menschen schrecklich, ihre eigene Stimme zu hören? Kann man eine angenehmere Stimme trainieren und was sagt unsere Stimme über unsere Persönlichkeit aus? Nicola Tiggeler ist Sprechtrainerin und weiß Antworten.
Die Bedeutung unserer Stimme
Nicola Tiggeler ist in ihrem Job als Schauspielerin in vielen TV-Filmen und Serien zu sehen, sie spielt in verschiedenen Theaterproduktionen und arbeitet auch als Sprecherin und Moderatorin. Sie unterrichtet Menschen in stimm- und sprechintensiven Berufen als Stimmlehrerin an verschiedenen Hochschulen und in Einzelcoachings, Seminaren und Trainings. Außerdem bietet sie spezielles Stimm-Coaching für Frauen an. Ein Gespräch über Stimmen.
Was bedeutet Stimme für dich?
„Seit es mich gibt, zumindest seit ich denken kann, ist Stimme ,mein Ding’. Mit vier Jahren habe ich beschlossen, Opernsängerin zu werden und seither habe ich alles ausprobiert, was meine Stimme kann: singen, sprechen, spielen, lesen, moderieren…“
Was fasziniert dich an dem Thema Stimme?
Die Stimme ist so wichtig und wird so oft unterschätzt! Um unsere Optik kümmern wir uns meistens ausgiebig oder zumindest bewusst, aber die Stimme soll einfach funktionieren, fertig. Dabei äußert unsere Stimme ganz unmittelbar unsere Stimmung: Sie erzählt, wie wir uns fühlen, ob wir zu dem stehen, was wir sagen, ob wir im Einklang mit uns sind. Und: Jede Stimme ist einzigartig, es gibt sie wirklich nur einmal auf der ganzen Welt.“
Dein Mann ist auch Schauspieler.
Hast du dich zuerst in deine Stimme verliebt?
„Wenn ich ganz ehrlich bin: nein! Ich habe
ihn am Theater kennengelernt, er war gerade mal 25 Jahre alt und sah einfach
unfassbar gut aus. Insofern fiel er mir gleich auf, obwohl wir nur wenige
Berührungspunkte hatten. Später habe ich dann festgestellt, dass er Gottseidank
auch eine sehr schöne Stimme hat…“
Achtest du denn bei jedem Menschen
zuerst auf seine Stimme? Und gibt es Menschen, die keine schöne Stimme haben?
„Ich bin tatsächlich
ein sehr akustischer Mensch. Und durch meine Arbeit bin ich daran gewöhnt, auch
die Zwischentöne und die wirkliche Botschaft zu hören. Oft sind Äußerungen
nicht ,stimmig’, wenn das ,Wie’ nicht zum ,Was’ passt.
Ich glaube nicht, dass Menschen mit
hässlichen Stimmen geboren werden, sondern dass die passende persönliche Stimme
mitgegeben wurde. Es gibt nur leider eine Menge Möglichkeiten, diese
persönliche und freie Stimme im Laufe des Lebens durch körperliche und
seelische Verspannungen zu behindern. Sie einzuengen, klein zu machen oder
durch unschöne Sprechverhaltensweisen die eigene Wirkung zu minimieren. Diese
Verspannungen und Angewohnheiten sind erworben und nicht angeboren, deswegen
können wir sie auch wieder verändern, wenn wir wollen.“
Die meisten Menschen finden ihre
eigene Stimme erst mal schrecklich, wenn sie sie das erste Mal zum Beispiel auf Band hören. Was kann man
dagegen tun?
„Ich bin immer
wieder erstaunt, wie viele Menschen gar kein oder wenn, dann ein schlechtes
Verhältnis zu ihrer eigenen Akustik haben. Zum Beispiel kenne ich kaum jemanden, der
seine eigene Ansage auf dem Anrufbeantworter oder der Mailbox mag. Also, mein
erster Rat: sich immer wieder aufnehmen und anhören, sich an den eigenen Klang
gewöhnen. Und beispielsweise vor wichtigen Präsentationen mindestens den Anfang
und das Ende laut üben und aufnehmen. Oder die Kernbotschaften, die man bei
einem Meeting unbedingt rüberbringen will, selber anhören: Klinge ich
überzeugend und motivierend? Wie ist mein Tempo, meine Dynamik? Habe ich
störende Angewohnheiten wie zum Beispiel ,Ähs’ oder Füllwörter drin?, und so weiter. Vieles kann man selbst durch Selbst-Bewusstsein und Aufmerksamkeit gut
korrigieren. “
Warum sollte sich jeder mit dem Thema
Stimme beschäftigen?
„Überspitzt gesagt: ,Voice
sells’. Eine angenehme, überzeugende Stimme und ein gutes Sprechverhalten
ist für wirklich jeden wichtig. Wenn man mich fragt: lebenswichtig! Egal, in
welchem Beruf man arbeitet.“
Frauen haben oft eine piepsige oder zu
hohe Stimme und werden dadurch oft nicht ernst genommen. Kann man daran
arbeiten?
„Ganz klar: ja! Es gibt viele
Möglichkeiten, die Stimme wärmer, voller und angenehmer klingen zu lassen. Und
ganz wichtig dabei: Es geht nie darum, die eigene Stimme zu verstellen, sondern
das vorhandene Potenzial voll auszuschöpfen.“
In deinem Buch sind ganz viele
Übungen. Wir alle haben aber nur ganz wenig Zeit. Wenn ich wirklich nur fünf Minuten am Tag habe: Was mache ich in diesen 5 Minuten am besten, um meine
Stimme zu trainieren?
„Die Beschäftigung mit der eigenen Stimme
ist immer auch die Beschäftigung mit der eigenen Persönlichkeit, und das ist
gut so… Insofern sollte man da ruhig etwas Bewusstsein und Zeit investieren.
Im Einzelcoaching oder in Seminaren kann man mit einem guten Stimmtrainer sehr
bald und effektiv die Basis-Übungen lernen. Und dann ist es überhaupt kein
Problem, mit einem eigenen Mini-5-Minuten-Programm die Stimme
weiterzuentwickeln oder aufzuwärmen.“
Hast du Tricks, die ich in meinen Alltag integrieren kann?
„Es gibt kein Zauberrezept. Aber wenn ich
ein Bewusstsein entwickele für die drei Grundpfeiler einer entspannten und
überzeugenden Persönlichkeit, nämlich: Haltung – Atem – Stimme, dann reichen
schon kleine Erinnerungsanker. Und erfreulicherweise werden diese positiven
Anker irgendwann vom eigenen System übernommen und man muss nicht mehr dran
denken.“
Du stehst selber ja viel auf der Bühne
oder gibst Workshops. Wie schaffst du es trotz Lampenfieber (ich gehe jetzt mal
davon aus, dass auch du ein wenig Lampenfieber hast), eine ruhige und klare
Stimme zu haben?
„Das ist eine Frage der Atemtechnik und
der mentalen Einstellung, und damit lernbar. Ich sage gerne: ,Lampen-Angst’ ist blöd, weil es verhindert, dass ich meine volle
Größe zeige. Lampen-Fieber ist wichtig, hilfreich und kann man gut in ,Lampen-Freude’ verwandeln.“
Verrätst du uns zu guter letzt noch
deine Lieblingsstimme weiblich und männlich?
„Die meiner Kinder (lacht)“.
Nicola Tiggeler: Mit Stimme zum Erfolg. Anklang finden, überzeugen und begeistern. C. H. Beck, März 2016, 127 Seiten, 9,90 Euro.
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