In ihrem Buch „Mein längster Lauf“ schildert Rosie Swale Pope eindrücklich, was sie vor 16 Jahren dazu bewegt hat, loszulaufen und über 30.000 Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Eine unglaublich berührende Geschichte.
5 Jahre, 29 Heiratsanträge, 53 Paar Schuhe
Manchmal erleben wir Situationen in unserem Leben, die nach Veränderung
schreien. Schicksalschläge, Wendepunkte und Verluste stellen viele von uns vor
große Herausforderungen. Als die Autorin Rosie Swale Pope ihren Mann Clive an
den Krebs verliert, bricht für sie eine Welt zusammen. Die 57-Jährige sucht
nach einem neuen Sinn in ihrem Leben und beschließt einmal um die Welt zu laufen: Um ihre Trauer zu verarbeiten und um etwas zu tun, das einen Beitrag für die Allgemeinheit leistet.
Rosie startet einen Charity-Lauf um die ganze Welt, vernetzt sich mit Hilfsorganisationen und macht dabei auf die Wichtigkeit der Krebsvorsorge
aufmerksam. Mit einem Zelt und dem Allernötigsten zum Überleben, durchquert sie Europa, Russland, Asien und Nordamerika. Begegnungen mit Wölfen, Bären oder bärtigen nackten Männern, die sie verfolgen, gehören ebenso zu
ihrer Tagesordnung wie erfrorene Zehen und Schneestürme. Als sie nach 5 Jahren, 29 Heiratsanträgen und 53 Paar zerschlissenen Schuhen wieder in ihrer Heimat Wales ankommt, ist sie zwar körperlich erschöpft, aber um unzählige Erfahrungen und Freundschaften reicher. Ein Buch für alle passionierten Läufer, Weltenbummler und die, die nach einem Schicksalsschlag neuen Lebensmut schöpfen wollen. Wir stellen euch einen Auszug daraus vor:
Einmal um die Welt
Auch Sibirien war eine der vielen Stationen auf Rosies Reise. Quelle: Steven Seaton
Am nächsten Morgen sind sie verschwunden. Ich bin auf einer einsamen Straße unterwegs, die sich meilenweit durch den Wald erstreckt. In den letzten paar Tagen habe ich nicht mehr als ein oder zwei Fahrzeuge gesehen, die unterwegs zu den Bergwerken im fernen Osten Russlands waren. Hier gibt es auf Hunderten von Meilen keine Häuser und ich frage mich, ob diese Wölfe je zuvor einen Menschen gesehen haben.
Im Laufe der nächsten Tage taucht das Rudel immer wieder auf, wenn ich mein Nachtlager errichte, um bei Tagesanbruch erneut zu verschwinden. Durch die Anwesenheit der wilden Tiere fühle ich mich unbehaglich – und doch tröstet mich ihre Nähe zugleich auf eine Art, die ich nicht ganz verstehe. Es ist, als ob sie mit mir zusammen laufen. Nach ungefähr einer Woche verschwinden sie ganz. Ich glaube, sie tun es, weil ich ihr Revier verlassen habe; ich habe eine unsichtbare Grenze überschritten.
Diese wunderschönen Tiere mit ihren uralten Instinkten und seltsamen Gewohnheiten gaben mir Kraft, die schmerzlichen Erinnerungen wieder
hervorzuholen, warum ich meinen Lauf überhaupt angetreten bin. Am 12. Juni 2002 starb mein Ehemann Clive in meinen Armen. Wenn wir uns früher überlegt hätten, zum Arzt zu gehen, dann wäre er jetzt vielleicht noch bei mir, denn Clive hatte Prostatakrebs. Nach seinem Tod wusste ich, dass ich etwas tun musste. Die Menschen überzeugen, sie ermahnen und bitten, zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen. Ich musste eine Möglichkeit finden, andere aufzurütteln, egal, wie sehr sie es hassten, zum Arzt zu gehen oder über intime Dinge zu sprechen. Der Krebs kennt keine gesellschaftlichen Tabus.
Ich bin nur eine gewöhnliche Frau, aber wenn ich einfach zu Hause geblieben wäre und in meinem Garten Unkraut gejätet hätte, dann hätte sich nichts verändert – das ist der Grund, weshalb ich um die Welt laufe und in kalten Wäldern zusammen mit Wölfen schlafe. Wenn meine Botschaft auch nur ein einziges Leben rettet – dann war es das alles wert.
aus: „Mein längster Lauf: 5 Jahre 29 Heiratsanträge 53 Paar Schuhe – einmal um die Welt“, Eden Books, 4. Mai 2018, 317 Seiten, 14,95 Euro
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