Foto: Anna Griep

Was du studierst, spielt am Ende keine Rolle – was wirklich zählt, sind Erfahrungen

Wenn ein Traum zerplatzt, ist es anfangs nicht leicht, eine neue Leidenschaft zu finden. Für Anna ging es vom Tanzen zum Geschichtsstudium. Ob sie damit glücklich wurde, erzählt sie im Interview.

 

„Heute würde ich mich für ein Studium mit mehr Praxis-Bezug entscheiden“

Wenn du von kleinauf einen Traum hast, der mit einem Mal platzt, stehst du auf einmal vor einem Berg aus Fragen und neuen Entscheidungen. Anna wollte, bis sie 19 war, Tänzerin werden. Nach einem Unfall musste sie sich auf einmal für eine andere Karriere entscheiden.

Auf ihre erste Studienwahl, Journalismus und Literatur, erhielt sie jedoch nur Absagen und musste ihre Pläne erneut ändern. Es folgte ein Geschichts-Studium. Wie wenig ihr diese Entscheidung letztlich jedoch zu ihrem heutigen Beruf verhalf, erzählt sie im Interview.

Was wolltest du als Kind gerne werden und warum?

„Meine Eltern haben mich mit sechs Jahren zum Ballettunterricht angemeldet. Mit sieben kam Flamenco dazu – meine große Leidenschaft. Daneben habe ich auch die klassischen Gesellschaftstänze und Hip Hop und Street Dance getanzt. Bis nach dem Abitur mit 19 bin ich damit recht erfolgreich gewesen und wollte Tanz studieren. Dann musste ich wegen einer Verletzung leider aussetzen und entschied mich gegen ein Tanzstudium.“

Wofür hast du dich stattdessen entschieden?

„Nach meiner Verletzung war es für mich nicht einfach, ein passendes Studium zu finden, da mein Weg eigentlich Richtung Tänzer-Karriere vorgezeichnet war. Ich versuchte in mich hineinzuhorchen, um herauszufinden, was mir liegen könnte, und bewarb mich schließlich für die Fächerkombination Journalismus und Vergleichende Literaturwissenschaften. Darauf folgten allerdings bloß Absagen, weshalb ich mich letzten Endes an der Uni meiner Heimatstadt, Essen, für Spanische Romanistik und Geschichte einschrieb. Das war eher eine Zufallsentscheidung. Geschichte war von den zulassungsfreien Fächern das, was mich am meisten interessierte.“

Hattest du trotz dieses Kompromisses einen neuen Plan für deine berufliche Zukunft?

„Nein, nicht wirklich. Ich tauschte erst noch einmal die Hauptfächer. Die romanistische Fakultät der Uni war sehr klein und der Unterricht erfolgte auf Deutsch, was ich sehr enttäuschend fand. Auf eine Übersetzertätigkeit wurde man so überhaupt nicht vorbereitet. Ich legte dann Geschichte mit dem Schwerpunkt mittelalterlicher Geschichte als erstes Hauptfach fest, ohne konkret an die möglichen Berufsaussichten zu denken. Im Hauptstudium gab es schließlich ein Pflichtseminar, das sich Historisches Praktikum‘ nannte und uns Möglichkeiten der Berufswahl für Geisteswissenschaftler nahebringen sollte. Darauf folgte ein sechswöchiges Pflichtpraktikum.“

In welchem Bereich hast du dieses Praktikum gemacht?

Das Pflichtpraktikum habe ich bei einem Radiosender absolviert. Ich hatte mich aber auch schon vor dem Hauptstudium um mehrmonatige Praktika bemüht, weil es mir sehr wichtig war, so früh wie möglich praktische Erfahrungen zu sammeln. In dieser Zeit war ich für Vollzeitpraktika in Eventagenturen und Agenturen für Live-Kommunikation, was letztlich dazu führte, dass ich eine Werksstudentenstelle bei der Stiftung Zollverein im Veranstaltungsmanagement bekam, was mir wiederum den Berufseinstieg in meine jetzigen Job ermöglichte.“

Der Bereich des Journalismus kam nicht mehr in Frage?

„Doch, diese Richtung habe ich auch eine Zeit lang weiter verfolgt. Nach dem Praktikum beim Radio habe ich mehrere Jahre als freie Journalistin gearbeitet – und das ganz ohne Journalismus-Studium. Daran habe ich ganz deutlich gesehen, wie wichtig praktische Erfahrungen sind. Ohne die Praktika wäre ich nicht auf meine heutige Tätigkeit gekommen und hätte bestimmt nicht das nötige Know-how.“

Kannst du beschreiben, aus welchen Aufgaben deine jetzige Arbeit besteht?

„Ich arbeite bei einer Bildungsinstitution der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft im Veranstaltungsmanagement und bin als Projektleiterin für die repräsentativen Großveranstaltungen unseres Trägers, dem Verband der deutschen Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen, zuständig. Zu meinen Aufgaben gehören die Konzeption, Organisation und Durchführung von Kongressen – neben der Budgetierung und Abrechnung gehören also auch das begleitende Marketing, die Akquise von Ausstellern und Sponsoren sowie die Koordination von externen Dienstleistern zu meinem Job.“

Das klingt nach vielen verschiedenen Arbeitsbereichen. Wie kann man sich deinen Arbeitsplatz vorstellen?

„Die meiste Zeit verbringe ich klassisch im Büro. Aber auch Geschäftsreisen gehören zur Veranstaltungsbetreuung dazu – die Events finden oft in Kongresszentren oder Hotels in ganz NRW statt. Im Zuge der Abendveranstaltungen gehören dann auch besondere Locations, wie Restaurants mit Blick auf die Skyline von Köln oder historische Gebäude, zu meinen Arbeitsstätten.“

Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit im Veranstaltungsmanagement?

Die Abwechslung – ich stehe täglich mit vielen verschiedenen Personen in Kontakt und sehe Orte, die ich vermutlich privat nicht alle kennengelernt hätte. Gleichzeitig reizt mich die Herausforderung, über längere Zeiträume den Überblick über die kleinsten Details zu bewahren. Dass das tägliche Jonglieren mit Zahlen einmal zu einer Leidenschaft werden würde, hätte ich mir sicher früher nicht so ausgemalt.“

Würdest du dich heute noch einmal für ein geisteswissenschaftliches Studium entscheiden?

„Vermutlich nicht – obwohl ich auch heute noch der Meinung bin, dass man sein Studium nicht allein nach den Berufsaussichten wählen sollte, wäre meine damalige Kombi dennoch nicht mehr das Richtige für mich. Heute gibt es eine Vielzahl von Studienmöglichkeiten, die es zu meiner Zeit noch nicht gab. Vielleicht würde ich ein Studium wie Kommunikationswissenschaften und Marketing oder Grafikdesign wählen. In diesen Bereichen gibt es mittlerweile auch duale Studiengänge mit mehr Praxisbezug.“

Hattest du vor deinem Berufsleben manchmal Zweifel, ob du dich für das richtige Studium entschieden hast?

„Ja. Zweifel gab es immer mal wieder. Einige meiner Kommilitonen haben daher das Studium nicht abgeschlossen. Ich hätte mit dem Studienabschluss auch die Möglichkeit gehabt, eine universitäre Laufbahn einzuschlagen, habe mich aber dagegen entschieden und diese Entscheidung nicht bereut.“

Welche Tipps würdest du anderen geben, die Zweifel haben, ob ein geisteswissenschaftliches Studium das Richtige ist?

„Ich kann anderen nur empfehlen, etwas zu studieren, was sie wirklich interessiert. Erfahrungsgemäß ist die Abbruchquote bei Studiengängen, die man aufgrund der Vorstellungen der Eltern oder vielversprechenden Berufsmöglichkeiten wählt, und die sich im Laufe der Jahre auch wieder verändern können, deutlich höher. Nicht allen liegt ein betriebswirtschaftliches oder technisches Studium. Zudem sind die Geisteswissenschaften auch in der heutigen Zeit nicht weniger wichtig.

Außerdem rate ich jedem, sich durch Praktika einen persönlichen Einblick in Bereiche zu verschaffen, die man sich als Beruf vorstellen kann. Das kann auch dazu führen, dass man merkt, dass dieser Bereich doch nicht so ist, wie man dachte. Die gesammelten Erfahrungen machen sich nicht nur gut im Lebenslauf; auch die geknüpften Kontakte zu Unternehmen oder der Universität erleichtern nach dem Studium den Berufseinstieg, denn viele Stellen werden zunächst intern vergeben –  da ist es gut, wenn man einem Unternehmen oder einer Institution bereits bekannt ist.“

Was möchtest du persönlich gerne noch erreichen? Siehst du dich zukünftig im selben Job?

„Ich nehme derzeit an einer Fortbildung teil, um meine Kenntnisse zu erweitern und meine Aufstiegschancen im Unternehmen zu verbessern. Gleichzeitig habe ich einen Job, den man in dieser Form nicht bis ins hohe Rentenalter machen kann. Ich bin mir sicher, dass noch einige Stationen auf dem Weg dahin auf mich warten. Welche genau das sind, wird die Zukunft zeigen.“

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