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Warum Frauen im „Neo Magazin Royale” anscheinend nichts zu suchen haben

Ich habe ja nichts gegen Jan Böhmermann, aber …

 

Juhu, eine Frau!

Ja, ich gebe zu, die Überschrift klingt reißerisch und ja, man könnte mir Clickbaiting unterstellen, deshalb zwei Dinge vorweg: Ich mag Jan Böhmermann sehr (und daran wird auch dieser Artikel nichts ändern) und ich bin selbst eine Frau – aber fangen wir vorne an. Als Jan Böhmermann, Moderator des Neo Magazin Royale und flauschige bessere Hälfte von Olli Schulz, im April in einer Folge seines Satiremagazins verkündet hat, dass in der darauffolgenden Woche Johanna Maria Knothe zu Gast sein würde, habe ich mich gefreut. „Juhu, endlich mal wieder ein weiblicher Gast!“, war zwar nicht mein erster Gedanke, aber der zweite direkt nach: „Cool, die kenn ich von Bambule mit Sarah Kuttner und außerdem verschönern ihre klugen, teils feministischen Posts seit einigen Jahren meinen Facebook-Feed.“ 

Jan Böhmermann betont öfter mal, dass die Überzahl männlicher Studiogäste nicht an mangelnden Einladungen in Richtung der weiblichen Prominenz läge – und das glaube ich ihm auch – aber aus irgendeinem Grund scheinen sich die Frauen nicht so recht in die Nähe jenes Mannes zu trauen, der nicht nur für den „Varoufake“ verantwortlich ist, sondern auch den Mut hatte, den türkischen Staatschef zu kritisieren.

Die nackten Fakten

Aber um mal mit Zahlen-Konfetti zu werfen: Das Neo Magazin gibt es seit 2013, seit 2015 ist es „Royale“ geworden und während dieser gesamten Zeit waren bis Ende April 2017 in insgesamt 105 Ausgaben rund 90 Männer zu Gast und nur knapp 30 Frauen. Da kann man beinahe traurig werden. Für die nächste Staffel würde ich mir ein ausgeglicheneres Gästeverhältnis wünschen. Warum das schwierig werden könnte, will ich am Beispiel der Sendung vom 20. April 2017 verdeutlichen. 

Mit Johanna Maria Knothe hatte es endlich mal wieder eine Frau gewagt hat, sich dem Mann zu stellen, dessen Satire-Single: „Menschen Leben Tanzen Welt“ eine Weile auf Platz zehn der deutschen Single-Charts war. Aber das nur nebenbei … Spulen wir doch lieber bis zu dem Moment vor, in dem die „Knick-Knack-Knothe“ neben dem Böhmermann Platz nimmt:

Jan findet’s schön, dass sie da ist, ich ebenfalls und sie selbst wohl auch, weil: ihre Arme ruhen entspannt auf der Sofalehne. Interview kann also losgehen. Ein bisschen Small-Talk und blabla vorweg, dann wird über ihr neustes Projekt geredet: „Wir wenn nicht jetzt“. Mit dem möchte Knothe junge Menschen wieder mehr für Politik begeistern. Also erzählt sie ein bisschen davon und so gerne ich die Knothe mag: Sie verkauft sich dabei mies. „Politik ist nicht geil“, sagt sie, aber genau das würde sie gerne ändern. Ich finde Politik auch nicht geil, bin quasi also Zielgruppe ihres neuen Formats (Yay!), aber was sie da so erzählt finde ich so gähnend langweilig, dass ich mir verkneifen muss, nicht nebenher Candy Crush Saga zu spielen. Aber natürlich hat das „Sich-schlecht-Verkaufen“ immer noch nix mit Frau-Sein zu tun, möglicherweise aber ein bisschen mit dem schlecht geführten Interview. Aber mal ehrlich: Wer von Jan Böhmermann ein gut geführtes Interview erwartet, der trauert vermutlich auch Stefan Raab hinterher.

Sexismus in guter alter Fahrlehrermanier 

Glücklicherweise rückt Böhmermann aber endlich damit raus, was er eigentlich mit seinem Gast vorhat. Johanna Maria Knothe hat keinen Führerschein, ist aber gerade dabei ihn zu machen. Perfekter Anlass für ein kleines Spiel: CAR WARS. „Johanna, halt dich fest.“ Schnell noch kurz gottschalkesk eine böhmermannsche Hand aufs Knie der Knothe gepatscht, dann Schnitt der Szene und schon geht das Spiel los. Und vielleicht liegt es daran, dass ich ebenfalls keinen Führerschein besitze und wie Knothe auch unter Prüfungsangst leide, aber ich habe ab Sekunde eins dieses Spiels einfach nur noch Mitleid mit der Frau, die nun gar nicht mehr entspannt wirkt.

Während Böhmermann als sexistischer Fahrlehrer verkleidet hinter Knothe in einem Fahr-Simulator Platz nimmt, soll sie ihre Fahrkünste unter Beweis stellen, scherzhaft sexistische Kommentare des Moderators inklusive. Jetzt langweile ich mich zwar nicht mehr, aber ich beginne, das ganze Spektakel zunehmend nur noch als widerlich zu empfinden. Und wenn man Johanna so ins Gesicht sieht: sie auch. Der Simulator scheint zudem schwer zu steuern zu sein – wovon Böhmermann sich am Ende auch selbst überzeugt – und doch wird sich bei jedem Abwürgen des Motors über die Frau mit der Prüfungsangst lustig gemacht.

Hahaha, Sexismus, Hahaha 

Böhmermann beziehungsweise die Redaktion des Neo Magazin Royale hätten sich alles ausdenken können, jetzt wo endlich mal wieder eine Frau zu Gast ist. ALLES! Aber sie entscheiden sich für schwachsinniges Herumgefahre in einem idiotisch zu steuernden Fahrsimulator. Witzig? Nö. Oder vielleicht habe ich auch einfach nur zwischen Johannas Suche nach der Kupplung, Böhmermanns gönnerhaften Kommentaren und William Cohn als belehrendem „Fahrprüfer“ meinen Humor verloren.

„Ich glaube in den 70er Jahren war’s, dass eine Blondine zuletzt so vorgeführt wurde“, meint Knothe zum Schluss. Traurig irgendwie, dass ihr diese Erkenntnis noch während der Sendung kommt. Immerhin ist sie ja blond – und eine Frau. Ich wundere mich nun jedenfalls nicht mehr, warum Böhmermann kaum weibliche Gäste hat.

Hier gibt’s die ganze Folge Neo Magazin Royale zum Nachschauen.

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