Für Menschen, die Ruhe und Rückzugsorte für ihr inneres Gleichgewicht dringend benötigen, können große Familienfeste vor allem eines sein: anstrengend. Mit den richtigen Strategien lassen sich Feiertage und Familienfeiern besser bewältigen.
Neurodivergente Personen empfinden oft schon den ganz normalen Alltag als herausfordernd – durch laute Umgebungen, viele Menschen oder enge Zeitpläne. Sie nehmen Umweltreize intensiver wahr als andere, weshalb die sogenannten „besinnlichen Tage“ bei ihnen alles andere als erholsam sind. Weihnachten und ähnliche Familienfeste wie Hochzeiten oder runde Geburtstage laufen schließlich nicht unbedingt ruhig und friedlich ab.
Der Begriff Neurodivergenz beschreibt verschiedene Gehirn- und neurologische Besonderheiten, die von der gesellschaftlichen Norm (neurotypisch) abweichen. Zu den häufigsten Formen der Neurodivergenz zählen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung), Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), Legasthenie (Dyslexie), Hochbegabung, Tourette-Syndrom, Hochsensitivität. Das Konzept der Neurodivergenz zielt darauf ab, die Vielfalt neurologischer Funktionsweisen anzuerkennen und zu respektieren. Es fordert eine Abkehr von der Pathologisierung dieser Unterschiede und strebt stattdessen eine Unterstützung und Förderung neurodivergenter Menschen in ihrer Individualität an. [Quellen: BZND, Universität Hildesheim]
Trotzdem bedeutet das nicht, dass neurodivergente Personen die Feiertage komplett isoliert zu Hause oder in einer Berghütte verbringen oder Besuche bei Familie und Freund*innen absagen müssen. Wer die eigenen Bedürfnisse kennenlernt und immer besser weiß, wie er*sie gut für sich sorgen kann, wird auch die Herausforderungen eines großen Festes meistern – und das ohne danach gleich einen Wellness-Urlaub einplanen zu müssen. Hier sind ein paar Möglichkeiten: .
1. Achte auf ausreichend Schlaf!
Schlafmangel macht selbst weniger empfindlichen Menschen zu schaffen. Für Neurodivergente kann er eine enorme Belastung sein. Geh also ruhig früher schlafen oder bitte darum, morgens nicht geweckt zu werden. Ein ausgeruhter Geist ist besser gewappnet für die Feierlichkeiten.
2. Sorge für einen Rückzugsort
Suche dir im Vorfeld, falls möglich, einen Ort, in das du dich bei Bedarf zurückziehen kannst. Falls allein die Vorstellung, mit vielen Menschen unter einem Dach zu sein, für Stress sorgt: Versuche, das zu thematisieren. Sprich offen mit deiner Familie oder deinen Freund*innen darüber – sie werden verstehen, dass diese Form der Selbstfürsorge notwendig ist. Schließlich profitieren auch sie davon, wenn du ausgeglichen und gut erholt bist.
3. Übernimm Aufgaben, die dir guttun
Auf den ersten Blick scheint es widersprüchlich, sich inmitten des Familienchaos Aufgaben zu suchen. Aber es gibt Tätigkeiten, die dich beruhigen können. Muss noch etwas für das Essen besorgt werden? Kannst du Holz hacken oder dich allein in die Küche zurückziehen, um abzuwaschen? Solche Aufgaben bieten dir die Möglichkeit, dich nützlich zu machen und gleichzeitig etwas Abstand zu gewinnen.
4. Plane bewusste Auszeiten ein
Es ist weder nötig noch sinnvoll, rund um die Uhr mit der Familie zusammenzusitzen. Nimm dir Zeit für dich – ob beim Lesen eines Buchs, bei einem Spaziergang oder anderen Aktivitäten, die dir guttun. Diese Zeit ist ein Geschenk, das du dir selbst machen kannst, und sollte auch an Feiertagen nicht zu kurz kommen.
5. Vermeide lange Autofahrten in Gruppen
Zu viele Menschen auf engem Raum, wie etwa in einem Auto, können für Neurodivergente schnell zur Belastung werden. Sollten in die Feiertage längere Reisen im Auto fallen, ist es völlig in Ordnung, eine Teilnahme abzulehnen oder auf alternative Verkehrsmittel auszuweichen. Bei Bahnreisen bietet es sich zudem an, außerhalb der Stoßzeiten zu fahren, um überfüllte Züge zu vermeiden. Ziehe hier eine Grenze für dich: „Nein, danke, ich nehme den Zug. Das ist für mich einfach besser.“
6. Wähle deine*n Sitznachbar*in weise
Du kennst deine Familie und Freund*innen gut – und du weißt wahrscheinlich sehr genau, wer dich mit ununterbrochenem Reden stresst oder wer dir guttut. Überlege dir schon vorher, neben wem du gerne sitzen würdest, und gib dem*r Gastgeber*in einen Hinweis. Solltest du während des Essens merken, dass dich dein*e Sitznachbar*in überfordert, scheue dich nicht, deinen Platz zu wechseln.
7. Gehe achtsam mit Alkohol um
Neurodivergente Menschen reagieren oft intensiver auf Alkohol. Ein Glas Wein zum Essen kann genügen, um dich reizbarer zu machen oder deinen Schlaf zu beeinträchtigen. Hör auf deinen Körper und lehne Getränke ab, wenn du merkst, dass sie dir nicht guttun.
8. Nutze Pausen an der frischen Luft
Es gibt keine Regel, die besagt, dass du die Feiertage ausschließlich drinnen verbringen musst. Kleine Pausen an der frischen Luft – sei es auf dem Balkon, vor der Tür oder bei einem kurzen Spaziergang um den Block – können Wunder wirken, um wieder in Balance zu kommen. Packe daher warme Kleidung ein, damit ausgedehnte Winterspaziergänge ebenfalls eine Option sind.
Wir wünschen dir eine gute Zeit.