Nach ihrer Elternzeit steht Claudias erster Arbeitstag im Büro an – und ihr zittern ganz schön die Knie.
Reinstürzen ins kalte Wasser
Claudia Weingärtner schreibt ihren Zwillingen jeden Donnerstag auf ihrem Blog „Zwillimuddi“ einen Brief. Wir freuen uns, dass sie diesen auch bei uns veröffentlicht:
Liebe Elli, lieber Theo,
Himmel, was war ich aufgeregt!!! Um ehrlich zu sein: der letzte Brief an Euch spiegelte nicht im Ansatz meinen Gemütszustand der vergangenen Woche wider. Ich war WIRKLICH hibbelig, und in der Nacht vor meinem ersten Arbeitstag habe ich weniger geschlafen als in so manch zahnungsintensiver Nacht mit Euch.
Aber meist verfliegt Aufregung dieser Art ja in dem Moment, in dem man sich reinstürzt ins kalte Wasser. Mein kaltes Wasser war an diesem (ausgerechnet) 1. April der Aufzug des Axel-Springer-Hochhauses. Ich betrat ihn mit zittrigen Beinen. Doch als in der elften Etage mit einem „Pling“ die Türen aufsprangen, war das Wasser bereits lauwarm.
Da war er wieder, dieser typische Redaktionsgeruch (Papier, Kaffee, Klimaanlage, Stress). Olfaktorischer Déjà-vu-Tornado, schon im Flur.
Im Büro dann, mein Schreibtisch: jungfräulich wie nie zuvor. Nur der Rechner, die Maus. Und Blumen, seufz. Die tollen Kollegen!
Umarmungen. Kurz-Referate über die vergangenen 20 Monate. Freude!
Dabei (Vorsicht, Kitsch-Alarm!) das Gefühl, heimzukehren. Und irgendwie gar nicht so lange weg gewesen zu sein. Wie nach einem Urlaub, maximal.
In den kommenden Tagen folgten viele kleine Highlights: die Planung der ersten Geschichten und Reisen. Merken, dass ich diesen Job, den ich vor Eurer Geburt so liebte, noch immer so liebe. Zwischendurch Wiedersehen, Telefonate, Treffen mit lieben Menschen. Die morgendlichen Fahrradfahrten durch das erwachende Berlin. Der Feierabendlauf am Sonntag, in die untergehende Sonne. Diese neue, alte Freiheit: großartig!
zwei Tage lang mein Elternzeit-Leben
Wenn ich aber nach einem Resümee meiner ersten Woche als Working Mum gefragt werde, dann erzähle ich noch etwas ganz anderes. Und das hat mit Eurem Papa zu tun.
Der nämlich hatte sich an meinen ersten beiden Arbeitstagen Urlaub genommen, weil die Kita noch Osterferien hatte. Verbrachte mit Euch den Tag, und lebte zwei Mal zehn Stunden das Leben, das ich in den vergangenen Monaten mit Euch lebte, wenn ER arbeiten war.
Drei Szenen:
Freitagabend, Feierabend nach Tag eins. Ich komme nach Hause, Ihr: noch fit. Euer Papa: völlig fertig. „Kannst DU die Kinder ins Bett bringen?“, fragt er. „Ich kann nicht mehr…“
Sonntagmittag, mein zweiter Arbeitstag. Euer Dad schickt mir ein Video. „Theo schläft“, sagt er, schwenkt auf Dich, Elli. Du bist hellwach – Euer Papa verzweifelt: „Ich wollte mich doch auch mal kurz entspannen…“
Ein paar Stunden später, wieder eine SMS. „Ich war nur mal kurz duschen“, schreibt Euer Papa, drei Schock-Smileys ergänzen seine Worte. Dann kommt dieses Bild:
Innerhalb von fünf Minuten hattet Ihr den (einst fein säuberlich sortierten) Kleiderschrank auseinandergenommen.
Sonntagabend saßen wir kurz vor dem Tatort beim Essen zusammen. Das sei das anstrengendste Wochenende aller Zeiten gewesen, erklärte Euer Papa, und erzählte noch vom Spielplatz: Einmal, da sei ihm das halbe Herz in die Hose gerutscht, weil er mal eine Sekunde nicht hinsah. Du, Theo, seist einfach durch das Spielplatztor Richtung Straße gelaufen. Da habe er aber schnell sein müssen!! Und überhaupt: Zwischen Rutsche und Wippe habe er unsere Bekannte Trixie getroffen – aber unterhalten, das gehe ja irgendwie so gar nicht, wenn Du, Elli, in die eine, und Du, Theo in die andere Richtung läufst.
Ich sagte es nur leise, dachte es aber umso lauter: Willkommen in meiner Welt.
Zu seiner Ehrenrettung ist zu sagen: Natürlich macht er das mit Euch alles toll. Natürlich ist es eine Herausforderung, nach einer 50-Stunden-Arbeitswoche noch der perfekte Daddy mit Hausmannqualitäten zu sein. Natürlich hat er die Routine nicht, die wir drei inzwischen haben. Und dass Euer Papi Samstagnacht noch seinem jugendlichen Hobby nachging und bis vier Uhr Platten auf einer Party auflege, machte sein sonntägliches Nervenkostüm sicher auch nicht dicker.
Trotzdem: Dass er den Alltag mit Euch in diesen zwei Tagen endlich mal alleine und in vollen Zügen kennenlernte: DAS ist neben den oben aufgezählten Dingen und der Tatsache, dass ich ein weiteres Stück meines alten Lebens zurückhabe, das Allerbeste am Wieder-arbeiten-gehen!
Genugtuende Grüße von Eurer gut gelaunten Zwillimuddi
P.S.: Eine Sache muss ich noch lernen: mich nicht ständig für die Teilzeit zu entschuldigen. Nach meinen zwei ersten vollen Tagen am Freitag und am Sonntag (um wieder reinzukommen) hatte ich Montag, Dienstag, Mittwoch Halbtags-Premiere. Nachdem ich gestern etwas beschämt um 13.30 Uhr den Rechner runterfuhr, versuchte einer meiner Vorgesetzten, mich mit einem schönen Satz zu beruhigen: „Es ist alles gut: Niemand stresst sich so sehr wie du dich selbst.“ Vermutlich hat er Recht. Es ist zwar tatsächlich etwas befremdlich, dieses Feierabendmachen, wenn andere gerade aus der Mittagspause kommen – aber bei herrlichstem Frühlingswetter auch ziemlich beflügelnd. Sollte ich genießen, so lange es so ist! Das Bild oben entstand bei unserem Spielplatzdate am Dienstag, wir trafen Eure Kumpels Leo, Hugo und Ferdi, und hatten einen wunderbar sonnigen, matsch- und eisverschmierten Nachmittag. Ziemlich gute Work-Life-Balance, wie ich finde!
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