Stellenanzeigen lesen sich manchmal wie eine Anleitung zur Weltrettung nach Superman-Manier. Manche schreien geradezu danach, dass man sich als Arbeitssuchender ohne Superkräfte erst gar nicht bewirbt. Ein Erlebnisbericht aus Kandidatensicht – mit einem Augenzwinkern.
Auf der Suche nach dem perfekten Bewerber
Die Suche nach einem neuen Job ist immer ein kleines Abenteuer – ebenso wie das Finden des passenden Mitarbeiters auf Arbeitgeberseite. Eine der praktischsten Maßnahmen, die dabei zum Einsatz kommen, ist dabei die gute alte Stellenanzeige. Genau um diese ranken sich jedoch viele Mythen. Und oft steht nach dem Lesen vor allem ein großes Fragezeichen.
Als Bewerberin, die seit ein paar Wochen jeden Tag Stellenanzeigen liest (und manche davon sogar recht ansprechend findet), wird mir manchmal richtig schwindlig. Vor allem dann, wenn ich die Aufgabenbereiche und Anforderungen, die den neuen Mitarbeiter betreffen, näher studiere. „Was, das soll eine einzelne Person machen?“, frage ich mich dann und verwerfe beizeiten die Idee, überhaupt ein Anschreiben zu verfassen.
Wanted: Superman and Wonderwoman
Ich weiß nicht, ob Stellenanzeigen in allen Branchen gleich utopisch gestaltet sind, oder ob dies nur das Medien- und Kreativuniversum betrifft. Jedenfalls kommt mir oft beim Lesen der Gedanke, dass diese Menge an Kriterien doch kein Mensch erfüllen kann. Zumindest nicht der durchschnittliche Bewerber oder Berufsanfänger mit einem oder zwei Studienabschlüssen, guter und schlechter Tagesform oder gar einem Privatleben mit Beziehungen und Kindern. „Fundierte Kenntnisse“ müssen vorhanden sein, gepaart mit „einem hohen Maß an Flexibilität und Mobilität“. „Belastbarkeit“ (hallo, Überstunden) und „unternehmerisches, internationales Denken“. Dabei je nach spezifischem Einsatzbereich Expertenkenntnisse in diversen Computerprogrammen (das spart die Grafikabteilung), ein exzellenter Schreibstil in mindestens zwei Sprachen und die gesamte Trickkiste der Suchmaschinenoptimierung. „Wow, ein Fall für Wonderwoman. Oder Superman“, denke ich dann und frage mich, ob man nebenbei noch à la James Bond weltweite Terrororganisationen zu Fall bringen soll. Im Alleingang natürlich.
Befristete Verträge bedeuten Unsicherheit
Für jeden Bewerber und jede Bewerberin gelten andere K.o-Kriterien. Mir begegnen leider oftmals die gleichen, die mir erst so richtig bewusst werden, seit ich Mutter bin. Manche Stellen sind einfach zu weit weg. Zu fern von der eigenen Familie, die sonst auch mal auf die Kleine aufpassen kann; zu fern von Freunden und möglichen Kindertagesstätten und Schulen, was eher Eltern größerer Kinder betrifft. Und dann ist da noch die Sache mit der Befristung. Oftmals finde ich auf meinen Streifzügen Jobs, die durchaus interessant sind und auf die mein Profil passt, im Ruhrgebiet, in Niedersachsen oder auch noch im Großraum Köln. Ich freue mich, bis ich irgendwo unten lesen muss: „Die Stelle ist zunächst befristet für eine Dauer von zwölf Monaten zu besetzen.“
Zwölf Monate – abzüglich einer langen Probezeit, die zusätzliches Wackeln des eigenen Bürostuhls bedeutet. Ich weiß nicht, ob es allen Personalverantwortlichen klar ist, was ein Umzug mit Kind, Katzen und Krimskrams für Arbeitssuchende wie mich, die ja recht verbreitet sind, bedeutet. Dass man sich irgendwo vielleicht fest niederlassen möchte, um auch im Angesicht langer Wartelisten einen Kindergartenplatz zu bekommen. Oder um ein Eigenheim zu kaufen oder zu bauen. Sich einen Freundeskreis vor Ort zu suchen. Einen Sportverein, eine Krabbelgruppe… Die Liste ließe sich beliebig erweitern.
Die Sache mit dem AGG
Beständigkeit und Stabilität scheinen „out“ zu sein, zumindest, wenn man rein nach den meisten Annoncen geht. Das allein – gepaart mit dem „Superheldenanspruch“ an den idealen Bewerber – wirkt oft schon abschreckend genug. Wer jetzt immer noch nicht den Kopf in den Sand steckt, fühlt vielleicht zumindest eine leichte Unsicherheit, wenn er oder sie die sehr allgemein gehaltenen Formulierungen liest. Wie genau definiert sich „teamfähig“ und was ist mit „breitem Allgemeinwissen“ oder „hoher Reisebereitschaft“ nun konkret gemeint? Was Anforderungen auf der „Bewerberwunschliste“ (so nannte es mal eine Personalerin am Telefon) betrifft, trifft man doch immer wieder auf „alte (Un-)Bekannte“. Die floskelhaft anmutende Formulierung mancher Anzeige lässt sich allerdings recht zufriedenstellend erklären. Wer nämlich explizit erklärt, dass er einen Mann, eine Frau oder einen Migranten sucht, verstößt gegen das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Das heißt: Manches ehrliche Wort kann diskriminierend wirken und den Arbeitgeber vor Gericht bringen. Dass eine Entscheidung nach Alter, Herkunft, Geschlecht oder anderen nicht qualifikationsbasierten Kriterien durch diese Gesetzgebung ausgeschlossen wird, steht in Frage. Gespräche darüber verlagern sich einfach hinter geschlossene Bürotüren.
Kein Grund zur Panik!
So viel Kritisches ich hier nun auch über Stellenausschreibungen geäußert haben mag, gibt es dennoch keinen Grund zur Panik. Solange man eben weiß, dass die gesuchten Profile immer einen „Idealtyp“ darstellen und auch immer nur ungefähr die Tätigkeitsfelder und Anforderungen des womöglich neuen Jobs beschrieben werden können. Dass es den „All-in-One“-Kandidaten nicht gibt, ist den meisten Personalern bei allen hochgestochenen Formulierungen und teilweise unverschämt hohen Wunschvorstellungen natürlich klar. De facto geht es sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Bewerber um eine gemeinsame Basis – nämlich darum, ein „passendes“ Gegenstück zu finden. Selbst dann, wenn vor allem für zurückhaltende Menschen wie mich manche Ausschreibung eher ruft: „Bitte bewerben Sie sich auf keinen Fall bei uns!“ Es wird eben selten etwas so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Dass ich übrigens in diesem Artikel stellenweise das generische Maskulinum verwendet habe, würde in jeder guten Jobanzeige als AGG-Verstoß gelten und könnte zur Anzeige gebracht werden. Aber machen Sie sich auch hier keine Sorgen, ich möchte niemanden diskriminieren. Nur einen Text veröffentlichen, der sich flüssig lesen lässt.
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