Foto: Sam Stewart

„Erst wenn wir die Strukturen in Frage stellen, kommen mehr Frauen in Führungspositionen”

Der Wirtschaftsjournalismus hat immer noch ein enormes Diversitätsproblem – Astrid Maier und Susanne Amann wollen das ändern. Wie? Mit der Konferenz Dverse Media am 9. Dezember 2016 in Hamburg.

 

Mehr Vielfalt am Konferenztisch

Astrid Maier ist ihren Weg im Wirtschaftsjournalismus gegangen: Ausbildung bei der Financial Times Deutschland, Fellowship in Stanford, Ressortleiterin Innovationen und Digitales bei der Wirtschaftswoche und angesehene Tech-Expertin. Dennoch ist ihr bewusst, dass ihre Branche in Sachen Vielfalt hinterherhinkt und sie hat keine Lust mehr viel zu oft die einzige Frau am Tisch zu sein.

Um das zu ändern hat sie, gemeinsam mit Susanne Amann, Vize-Ressortleiterin Wirtschaft beim Spiegel, Dverse Media gegründet. Ein Verbund, der sich für mehr Vielfalt im Wirtschaftsjournalismus einsetzt. Den beiden und ihrem Team geht darum praktische Impulse zu setzen, damit ihre Branche sich endlich auch in den Chefetagen für mehr Diversität öffnet. Wie diese praktischen Impulse aussehen können? Darüber diskutieren sie am 9. Dezember bei Dverse Media Konferenz. Mit uns hat sie vorab darüber gesprochen, wie Vielfalt und Innovation zusammenhängen. 

Begonnen hast du deine Laufbahn 2004 als Volontärin bei der Financial Times Deutschland. Was hat dich damals am Wirtschaftsjournalismus gereizt?

„Für mich war es die spannendste Form, sich mit Wirtschaft auseinanderzusetzen. Und ich habe mich damals für die Financial Times Deutschland begeistert. Sie war noch relativ neu am Markt und begriff sich als ,Underdog‘, der das Establishment angreift. Die Mitarbeiter waren alle ,hungrig‘ und es fühlte sich ein bisschen so an, als arbeite man in einer Tech-Firma. Das fand ich ziemlich schnell ziemlich großartig.”

Und, wie bist du überhaupt zum Journalismus gekommen?

„Ich habe Regionalwissenschaften China, eine Art moderne Sinologie, in Köln studiert. Dabei lernt man viel über das politische, wirtschaftliche und juristische System Chinas. Während meines Studiums habe ich auch ein Jahr in Peking studiert und habe dort mit dem Journalismus angefangen als Praktikantin bei Reuters Television in Peking. Dann kam das Volontariat bei der Financial Times Deutschland.”

Wie männerdominiert ist der Wirtschaftjournalismus denn aus deiner Sicht? 

„Mittlerweile finden viele Frauen ihren Weg in den Wirtschaftsjournalismus, bei der Wirtschaftswoche liegt der Anteil von Frauen in der Redaktion zum Beispiel bei 40 Prozent, das ist ja gar nicht so schlecht. Aber von den vielen Frauen, die den Weg in den Wirtschaftsjournalismus – und in den Journalismus generell – gehen, schaffen es nur die wenigsten bis an die Spitze. Das ist ein Problem, finde ich. Denn wir verschwenden Talente und Geld, das wir als Branche in diese Frauen investiert haben.”

War die Financial Times Deutschland vielleicht eine sehr positive Blase, in der dein Geschlecht keine Rolle gespielt hat?

„Bei der Financial Times Deutschland herrschte definitiv dieser Aufbruchsgeist, dass jeder dort alles machen und erreichen konnte. Machen wir uns aber nichts vor: auch dort gab es, das ist ja kein Geheimnis, keine einzige Frau in der Chefredaktion und im Vergleich deutlich weniger Frauen in Führungspositionen, etwa als Ressortleiterinnen. Allgemein kann ich meine Erfahrungen in der Ausbildung aber nicht mit anderen Redaktionen vergleichen.”

Woran liegt es, dass die Chefetagen noch so männerdominiert sind? Gerade, wenn du beschreibst, dass es so viel weiblichen Nachwuchs gibt, ist das doch eigentlich verwunderlich.

„Die Medienbranche, vor allem die traditionellen Medienkonzerne, sind nicht gerade dadurch aufgefallen, dass sie besonders schnell und agil auf den Branchenwandel reagiert hätten. Und bis jetzt hat niemand eine Antwort darauf gefunden, wie wir grundsätzlich mit den Änderungen umgehen sollen, und dabei auch noch Geld verdienen können. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir festgefahrene Strukturen nicht gerne in Frage stellen. Das macht es auch schwierig, für Frauen vorwärts zu kommen, wenn die Strukturen und Netzwerke so gewachsen sind, dass vor allem Männer sich darin wohlfühlen und vorankommen.”

Was muss sich denn ändern, damit die Strukturen endlich aufgebrochen werden können?

„Es hat sich ja schon vieles geändert: Mit Miriam Meckel bei der Wirtschaftswoche gibt es ja schon eine weibliche Chefredakteurin. Das ist der erste Schritt. Je mehr Frauen wir an der Spitze haben, desto mehr Vorbilder haben wir und desto mehr Frauen ziehen dann hoffentlich auch wieder weibliche Talente nach sich. Ich glaube im Übrigen, es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Journalismus, sich nicht nur gegenüber Frauen zu öffnen, sondern generell ein diverseres Bild der Gesellschaft in Redaktionen und deren Spitzen wiederzugeben.

Der Journalismus – nicht nur im Wirtschaftsbereich – hat nicht erst im Jahr 2016 ein enormes Diversitätsproblem, Dennoch findet die Dverse Media Konferenz, die du mit ins Leben gerufen hast, dieses Jahr zum ersten Mal statt. Warum erst jetzt?

„Ich finde deine Frage lustig. Andere Kolleginnen haben schon  gefragt, warum so eine Konferenz überhaupt noch nötig ist, du fragst jetzt, warum wir nicht schon früher gestartet sind. Vielleicht sollten wir Frauen auch mal lernen, uns erst einmal gegenseitig zu unterstützen, bevor wir uns daran machen, uns kritisch zu hinterfragen. Davon abgesehen, hast du sicher Recht: Die Konferenz hätte es schon 1996 geben können oder müssen. 

Für meine Mitgründerin Susanne Amann und mich war einfach bisher nie der richtige Zeitpunkt da. Beim Gründen eines Vereins oder eines Unternehmens ist es wie mit dem Kinderbekommen: den idealen Moment im Leben gibt es nicht. Nun hat es sich letztes Jahr aber ergeben, dass ich mit einem Stipendium in Stanford war und mich dort intensiv mit dem Thema Diversität und Innovationsmanagement auseinandersetzen konnte. Dann haben Susanne und ich uns zusammengetan. Wir sind beide voll berufstätig, haben beide Kinder – den Verein und die Konferenz treiben wir abends, nachts und am Wochenende voran. Um deine Frage jetzt also endlich zu beantworten: Deswegen gibt es Dverse erst 2016 – wir hoffen aber trotzdem, dass wir nicht zu spät sind. Die Resonanz auf die Konferenz, die wir schon jetzt erhalten haben, zeigt auf jeden Fall, dass das Thema vielen Menschen wichtig ist.”

Die Konferenz wirbt mit dem Slogan: „Für mehr Vielfalt in Wirtschaft und Journalismus”. Wie genau definiert ihr „Vielfältigkeit”, „Diversity”?

„Für uns umfasst das Thema ,Diversity‘ längst nicht nur Frauen, es geht auch um mehr Vielfältigkeit in Bezug auf Menschen anderer Hautfarbe, anderer Herkunft oder sozioökonomischem Hintergrund. Ich persönlich finde auch, dass in Redaktionen immer noch viel zu wenige Digital Natives in Führungsgremien vertreten sind. All das verstehen wir unter Diversity, Vielfalt. Und wir glauben vor allem, dass eine vielfältigere Belegschaft auch eine größere Vielfalt an Ideen produziert. Vielfalt wird der Innovationsfähigkeit der Medienkonzerne einen enormen Schub geben.”

An wen richtet sich die Konferenz?

„Wir wollen Journalistinnen und Journalisten erreichen, gerne auch in Führungspositionen, die sich auf der Konferenz inspirieren lassen wollen, welche neuen Methoden es gibt, mit denen man tatsächlich und praktisch, im Alltag, mehr Vielfalt in den Redaktionen erreichen kann. Wir richten uns aber auch an Wirtschaftsvertreter und generell an der Wirtschaft Interessierte, die ebenfalls auf der Suche nach Inspirationen sind. Und die Konferenz soll definitiv dazu dienen, sich über die Grenzen der eigenen Branche hinweg zu vernetzen, um voneinander zu lernen.”

Und was erwartet die Teilnehmer?

„Führungspersönlichkeiten wie Janina Kugel, Vorstandsmitglied bei der Siemens AG, oder Claudia Nemat, Innovationsvortstand  bei der Deutschen Telekom, werden aus ihrer persönlichen Praxis berichten, wie sie Vielfalt verstehen, umsetzen und welche konkreten Maßnahmen ihnen im Unternehmen dabei geholfen haben, die Vielfalt zu steigern. Darüber hinaus haben wir auch Workshops, bei denen die Teilnehmer selber mitmachen können und zum Beispiel lernen , was eigentlich „Bias”, also unbewusste Voreingenommenheit, ist. Trage ich diese vielleicht selber in mir, wie gehe ich damit um und wie beeinflusst es meine Berichterstattung oder den Umgang miteinander im eigenen Unternehmen? Und wir machen gemeinsam mit Google einen Workshop zum Thema Design Thinking, in dem wir uns dem Thema Vielfalt über diese Methode nähern. Außerdem sprechen einige Startup-Gründerinnen, wie zum Beispiel auch Nora, eure Gründerin und Chefredakteurin. Und darüber hinaus werden jede Menge Vordenker aus dem Journalismus wie Miriam Meckel, Steffen Klusmann, Chefredakteur des Manager Magazins oder Patricia Schlesinger, Intendantin des RBB mit uns diskutieren.

Wir sind Medienpartner der Dverse Media und verlosen zwei Tickets für die Konferenz am 9. Dezember in Hamburg. Dafür müsst ihr einfach bis zum 02. Dezember, um 16.00 Uhr einen Kommentar, warum ihr dabei sein solltet, unter dem Artikel hier oder auf unserer Facebook Seite hinterlassen.  

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