Ausgebrannte Manager, überreizte Handynutzer, ruhelose Vielflieger – alle suchen nach Entspannung im Schlaf. Wie man sie finden kann, hat das „Manager Magazin“ zusammengefasst.
Dem eigenen Rhythmus ins Gleichgewicht bringen
Schlafstörungen sind weit verbreitet, werden aber gerne auf die leichte Schulter genommen. Kristine Kirves von unserem Partner Manager Magazin Online stellt eine Lösung vor, wie man Entspannung im Schlaf zurückgewinnen kann.
Pünktlich um neun Uhr abends steht Dr. Christoph Puelacher mit seinem Köfferchen vor der Zimmertür. Wer im Lanserhof seine Ruhestunden analysieren lässt, muss sich nicht ins Bett eines kargen Klinikraums legen. In Tirols feinstem Medical-Wellness-Zentrum kommt das Labor direkt aufs Zimmer – wie in Grandhotels der Champagner.
Die Gäste, die hier einchecken, legen keinen Wert auf kulinarische Genüsse. Sie begnügen sich mit Haferbrei, gedünstetem Gemüse und Stoffwechseltee. Sie kommen, um ihr Leben umzukrempeln: ihre Ernährung zu verbessern, zu entspannen, endlich ihren Rhythmus von Wachsein und Schlafen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Viele sind nicht zum ersten Mal hier. Das Gros der Gäste kommt alle sechs bis zwölf Monate, manche bereits seit 20 Jahren – trotz Preisen von 5000 bis 10.000 Euro für 14 Tage Aufenthalt inklusive Behandlungen und Konsultationen. Zwei Drittel der Klienten litten unter Schlafproblemen, sagt Medizinmann Puelacher. Deutlich mehr als früher.
Ruhelosigkeit und durchwachte Nächte sind ein Phänomen, das weltweit zunimmt. Das US-Wissenschaftsmagazin „Sleep Health Journal“ veröffentlichte kürzlich eine Studie, in der 60 Prozent der Teilnehmer über schlechten Schlaf klagten. In Nordamerika hat sich die Anzahl der Schlafkliniken in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Auch hierzulande sind solche Einrichtungen gefragt: Die „Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin“ (DGSM) registriert bei den rund 280 eingetragenen Laboren steigende Wartezeiten.
Ausgerechnet die Geräte sollen es richten, die die Hektik verstärken
Müdigkeit ist zum Millionengeschäft geworden: Das Angebot reicht von Spezialkissen und Schlaftees über Beruhigungsbäder und Massageöle bis hin zum „Sleeptracker“, der Technikfreaks mittels Uhr und iPhone zu besserer Nachtruhe verhelfen will. Ausgerechnet jene Geräte sollen es richten, die die Hektik des Alltags verstärken. Kaum jemand schafft es heute noch, regelmäßige Ruhepausen in den Tagesablauf einzutakten. Stattdessen wird jede freie Minute genutzt, um auf dem Smartphone Mails zu checken oder den Facebook-Status zu aktualisieren. Der Jetlag, dem Vielreisende ausgesetzt sind, verschärft die Schlafprobleme noch.
Nach Lans kommen vor allem ausgebrannte Manager, die in ein oder zwei Wochen ihren Akku wieder aufzuladen versuchen. Nur, um danach weiterzubrennen. „Die Leute müssen runterkommen!“, sagt Puelacher. Bevor er sein Labor auspackt, fragt er die Patienten gründlich aus: Tagesablauf? Überstunden? Sport zum Ausgleich? Wann wird gegessen? Alkohol? Wie viel, wie oft? Liegt das Handy neben dem Bett?
Was man ihm preisgibt, führt häufig direkt zur Ursache des Problems. „Die Nacht ist der Spiegel des Tages“, sagt Puelacher. Den Patienten, die sich den Kopf darüber zerbrechen, was schiefläuft, nachdem sie zum fünften Mal in zehn Minuten auf den Wecker geschaut haben, rät der Arzt, sich eine zentrale Frage zu stellen: „Wie gestalte ich meinen Tag?“ Vor allem in der leistungsbewussten oberen Mittelschicht werde ein Leben mit viel Arbeit, wenig Schlaf und noch weniger Freizeit idealisiert. „Was für ein Unsinn!“
Aus seinem Koffer holt Puelacher jede Menge Kabel und ein kleines Aufzeichnungsgerät. Vier Elektroden an die Stirn für die Hirnströme, drei an den Brustkorb für die Herzfrequenz, zwei für die Beine, um zu messen, wie unruhig diese im Schlaf sind. Ein Gurt um die Brust, mit dem die Atmung gemessen wird. Eine Klammer an den Zeigefinger, um die Sauerstoffsättigung zu dokumentieren.
Atempausen sorgen für nächtlichen Stress
Ein Sensor unter der Nase nimmt Atemströme und etwaige Schnarcher auf. Sie dienen als Hinweis auf eine Schlafapnoe. Entspannen die Muskeln der oberen Atemwege zu stark, entstehen kurze Atmungspausen, die zu Weckreaktionen des Körpers führen. Der Schläfer merkt das oft gar nicht, fühlt sich aber tagsüber erschöpft. Manche Menschen haben 300 Atempausen pro Nacht. Dieser Stress erhöht langfristig das Risiko, an Herzschwäche oder Diabetes zu erkranken.
Hat man sich zur Ruhe gelegt, ist das Labor am Körper schnell vergessen. Am nächsten Morgen pflückt man sich die Elektroden von der Haut, stopft die Kabel wieder in den Koffer und gibt ihn an der Rezeption ab. Die Auswertung und das Beratungsgespräch folgen am Nachmittag. Arzt- und Behandlungstermine strukturieren den Tag: kardiologische Untersuchungen, Ultraschall der Bauchorgane, Bluttests.
Dr. Georg Kettenhuber, stellvertretender ärztlicher Leiter, erarbeitet mit den Gästen das Entspannungsprogramm. Kein leichtes Unterfangen: „Einige kommen mit der Ansage: ,Der Putin braucht nur vier Stunden Schlaf, das will ich auch schaffen‘“, erzählt er. Mancher High-Performer präsentiert eine Liste mit Zielen für den Aufenthalt: besser schlafen, fitter sein, abnehmen, Ausstrahlung verbessern. Als ob sich dies bestellen ließe.
Schlaf ist das letzte unkalkulierbare Risiko der Selbstoptimierung
Schlaf ist in Zeiten der Selbstoptimierung zum letzten unkalkulierbaren Risiko geworden, weil er sich in die straff durchgeplanten Abläufe nicht einpassen lässt. Umso mehr investieren viele in Hilfsmittel für eine entspannte Nachtruhe. Gute Hotels wissen dies für sich zu nutzen und bieten Kissenmenüs (für Rücken- oder Bauchschläfer, Verspannte oder Kopfschmerzgeplagte) oder ergonomisch gestaltete Betten.
Eine Reihe von Häusern dringt tiefer zu den Ursachen unruhiger Nächte vor. Das Berliner Swissôtel am Kurfürstendamm etwa arbeitet mit einem Schlaflabor zusammen. Wer in der Hauptstadt nächtigt, kann sein Zimmer inklusive Schlafcheck buchen. Am Morgen folgt die ärztliche Beratung mit Therapievorschlägen. Wer mehr Entspannung sucht, bucht ein „DeepSleep“-Arrangement, das zusammen mit Schlafforscher Michael Feld entwickelt wurde: Aromatherapie und Lichtbehandlung, dazu ein Klangkissen mit leiser Musik oder Meeresrauschen.
Ähnliche Attraktionen haben das „Q! Resort Health & Spa“ in Kitzbühel und das Hotel „Post Bezau“ im Bregenzerwald in ihr Programm aufgenommen.
Die Resorts von „Six Senses“ bieten ihren Gästen zum Beispiel in Thailand, Vietnam, Oman und Jordanien ein ausgefeiltes Schlaf-Yoga-Programm mit Übungen, die Stress abbauen und die Schlafqualität verbessern sollen. Das „Six Senses Laamu“ auf den Malediven hält sogar einen „Schlaf-Butler“ bereit. Der stellt für jeden Gast einen individuellen Zeit- und Ernährungsplan zusammen, achtet auf das optimale Licht und die passende Temperatur zur Nachtruhe.
Ruhepausen statt Leistungsmodus
Die Auswertung der meisten Schlafprotokolle bestätigt, was die gestresste Leistungselite am häufigsten plagt: Der Körper braucht am Anfang einer Nacht zu lange, um zur Ruhe zu kommen. Und aus den kurzen Aufwachmomenten zwischen den Schlafphasen werden schlaflose Stunden. „Guter Schlaf hat etwas mit Selbstwertgefühl zu tun“, sagt Lanser-Experte Puelacher und kritisiert: „Die Leute achten nicht genug auf die Bedürfnisse ihres Körpers.“
So wie der Manager, der sich unlängst von ihm behandeln ließ. Der Mann litt unter chronischem Schlafdefizit und kämpfte seit Jahren mit Jetlag. Statt sich nach seiner Ankunft mal fallen zu lassen, stieg er aufs Mountainbike und raste zwei Stunden umher. Viele merken gar nicht, dass sie ihren Körper quälen, obwohl der eine Auszeit bräuchte. Sie leben dauernd im Leistungsmodus. Bei solchen Patienten hilft nur Klartext.
Puelacher empfiehlt seinen Kunden zum Schlafenlernen „das Dreieck“, wie er es nennt: Bewegung, aber ohne Druck, zum Beispiel eine Kombination aus Training auf dem Ergometer und anschließendem Yoga. Dazu leichte Kost und Entspannung. Das bedeutet: Nichtstun, in den Wald hinterm Haus gehen, eine Massage genießen, lesen. Viele Schlafgestörte haben das verlernt. Was ebenfalls hilft: Rituale, etwa vor dem Einschlafen eine Wärmflasche oder ein Beruhigungstee.
Packt das Handy weg!
Aus dem Korsett der westlichen Arbeitsethik auszubrechen ist ein harter Kampf, für den man sich von Vorurteilen lösen muss. Wer sich tagsüber Zeit für ein Nickerchen nimmt, gilt als Faulpelz und Weichei. In Japans Unternehmen hingegen sind Power Naps erwünscht – weil sie Geist und Körper guttun. Lediglich auf Reisen gestatten sich gestresste Manager hin und wieder, ihrem Ruhebedürfnis nachzugeben. Auf den Flughäfen von Amsterdam, London, München, Dubai, Abu Dhabi, Hanoi und Neu-Delhi stehen „Nap Cabs“ bereit, die bei der Regeneration helfen sollen. Die Kuben sind mit Tisch und Bett ausgestattet – ausreichend, um sich für ein paar Stunden aufs Ohr zu legen.
Das Empire State Building in Manhattan verfügt seit zehn Jahren über ein Stockwerk mit Schlafsesseln, halbrund geformten „Pod Chairs“, die müde Großstädter und Touristen zum Power Nap ermutigen sollen. Ebenfalls in New York hat „YeloSpa“ den Schlaf zum Geschäft gemacht: In einer Kabine mit tiefblauem Licht und einer bequemen Liege dämmert man genüsslich dahin.
Das wachsende Angebot an Gadgets, mit denen Vielarbeiter versuchen, ihre Körperfunktionen zu optimieren, sehen Mediziner indes kritisch. Die Dauerüberwachung birgt Gefahren: Man setzt sich noch mehr Ziele und verlernt vollends zu entspannen. Wer Puelachers Schlaflabor durchlaufen hat, weiß: Das Schlafzimmer ist handyfreie Zone. Und wer das nicht wahrhaben will, den schickt er in den Wald.
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