Foto: Spirit of Football e.V.

Frau und Fußballfan – geht das? Ja, ihr rückständigen Idioten!

Nur weil ich eine Frau bin, kann ich trotzdem Fußball-Expertin sein. Wann erstaunt das Menschen endlich nicht mehr?

 

Frau und Fußballfan, geht das denn?

Das geht sehr wohl! Ich bin ein gutes Beispiel. Schon als kleines Mädchen wurde ich zu den Spielen vom FC Sachsen Leipzig mitgenommen – aber natürlich von meinem Papa. Die Stereotypen der 90er Jahre müssen ja aufrechterhalten werden. Sportschau wurde bei uns zuhause jeden Samstag und Sonntag geschaut und ab dem Teenageralter kam die Champions League und Bier obendrauf. Ja richtig, ich trinke Bier, denn Sekt, Prosecco und Wein vertrage ich – wenn auch wider meiner von der Gesellschaft auferlegten weiblichen Natur – nicht. Ganz abgesehen davon schmeckt Bier besser und gehört für mich zum Fußball dazu. 

Aber jetzt kommt der eigentlich schockierende Punkt, ich gucke Fußball, weil es mich interessiert und nicht weil Mats Hummels so sexy ist oder ich irgendwelchen Männern imponieren möchte. ÜBERRASCHUNG. Spätestens an diesem Punkt ist mein Gegenüber definitiv verwirrt. Ja, auch viele Frauen finden Fußball immer noch komisch, doch schauen sie mich meistens wenigstens nicht an, als hätte ich mit dieser Aussage das Gleichgewicht der Fußballwelt in gefährliches Wanken gebracht. Das übernehmen dann aber liebend gern meine männlichen​ Gesprächspartner.

Um die Stereotypen noch weiter durcheinander zu bringen: Ich habe sogar die App einer Fußballzeitschrift auf dem Handy, kaum zu glauben. Und auch die Abseitsregel ist nicht an mir vorbei gegangen. Ich glaube tatsächlich auch, dass es nur ein Gerücht ist, dass Frauen kleinere Gehirne haben, in denen ihnen die Windungen für das Verstehen sämtlicher Regeln rund ums Abseits fehlen. Umso schlimmer ist es, wie immer noch darauf reagiert wird, wenn ich (besonders einer männlichen Person) die Abseitsregel erkläre.

Ja, mich interessiert das Spiel wirklich 

Ich habe es so satt, wie eine exotische Tierart behandelt zu werden, nur weil es die Männer immer noch ins Schwitzen bringt, mit einer Frau über Fußball zu reden. Wäre es vielleicht nicht sogar schön, sich gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin nicht nur über das Wetter unterhalten zu können?

Ich bin mir natürlich dessen bewusst, dass es auch Männer gibt, die sich nicht für Fußball interessieren – genauso soll es ja tatsächlich Frauen geben, die nicht kochen können, mag man sich ja gar nicht vorstellen.

Wir wollen euch ja auch überhaupt nicht den Platz an der Bar oder auf dem Feld streitig machen, wir wollen euch nur vermitteln, dass auch wir eine gewisse Expertise in diesem Sport aufweisen können, die mehr enthält als Sprüche, wie „das Runde muss in das Eckige”. Schlimm genug, dass ich mich in meiner Stammfußballkneipe immer noch hämischen Blicken der Männer aussetzten muss, falls ich überhaupt wahrgenommen werde und sich nicht jemand vor mich setzt oder stellt. Denn gucken will ich das Spiel doch nicht wirklich, oder? Wir werden weiterhin nur als schmückendes Beiwerk unserer männlichen Begleitung angesehen.

Frauenfußball ist mindestens genauso spannend!

Ach ja, noch was: Die fußballspielenden Frauen haben in den letzten Jahren auch oft genug bewiesen, dass sie sogar Fußball spielen und mit den Männern allemal mithalten können. Millionen schwer sind sie dennoch nicht, aber Frauenfußball ist natürlich auch einfach „langweilig“ und nicht das gleiche.  

Wieso? Weil die Frauen nicht ununterbrochen auf den Rasen rotzen müssen?Oder weil es einfach nicht „natürlich” ist, dass Frauen Fußball spielen? So ein Bullshit! Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft sind auch die sexistischen Kommentare einiger Mitgucker, wenn eine Frau den Ball mit der Brust annimmt. Leute, werdet erwachsen! Der einzige Unterschied zwischen mir und der männerdominierenden Fußball-Fanszene ist, dass ich nicht die ganze Zeit vulgär rumfluchen muss und auch nur bis circa fünf Minuten nach Spielende traurig bin, wenn „meine” Mannschaft verliert. Doch ob das tatsächlich auf ein typisches Geschlechterverhalten zurückzuführen ist, wage ich zu bezweifeln. An alle die jetzt überrascht sind, dass Fußball interessierte Frauen keine Seltenheit zu sein scheinen, fragt die Frauen in eurem Umfeld, geht mit denen, die Lust haben in die nächste Fußballkneipe und schaut einfach mal ein Spiel. Es könnte sich lohnen!

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