Foto: Magdalena Rogl

Social-Media-Expertin Magdalena Rogl: Raus aus der eigenen Filter Bubble!

Magdalena Rogl ist Social-Media-Expertin und seit kurzem Chefin der digitalen Kanäle von Microsoft Deutschland. Wir haben mit ihr über Brüche im Berufsleben, die Herausforderungen von Social Media und die Bedeutung guter Kinderbetreuung gesprochen.

 

Früher Erzieherin, jetzt Social-Media-Expertin

Magdalena Rogl ist 31 Jahre alt und vor wenigen Wochen bei Microsoft Deutschland als Head of Digital Channels eingestiegen. Vorher leitete sie das Social-Media- und Online-Communications-Management bei der Tomorrow Focus AG. Und sie ist eine klassische Quereinsteigerin: Sie ist ausgebildete Erzieherin und arbeitete damals als alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern in einer Kinderkrippe, als sie das Angebot für einen Nebenjob im Community Management bei Focus Online bekam. Der Job begeisterte sie, und als es die Möglichkeit gab, dort voll einzusteigen, zögerte sie nicht lange. Wir haben mit ihr über alte und neue Leidenschaften im Job gesprochen.

Zum Einstieg gleich die Frage an dich als Expertin: Welche sind aus deiner
Sicht die wichtigsten Herausforderungen in Sachen Social Media? Wir machen hier
in der Redaktion beispielsweise auch gern mal Witze darüber, dass außer den
Praktikanten niemand Snapchat kapiert…

„(lacht) Wichtig ist aus meiner
Sicht vor allem immer, up to date zu bleiben. Das ist im Bereich Social Media
wirklich eine Herausforderung, weil es ständig irgendein neues Tool gibt, eine
neue App, eine neue Anwendung. Wenn man in diesem Bereich arbeitet, sollte man
sich natürlich immer auf dem Laufenden halten. Ich
glaube aber nicht, dass man auf jeden neuen Trend auch mit aufspringen muss,
das ist sehr unterschiedlich und kommt darauf an, für welches Unternehmen man
arbeitet oder wen man vertritt. 
Snapchat ist gerade ein ganz großes Thema, ich nutze Snapchat privat sehr
gerne, jeder muss aber prüfen, ob das auch zu seinem Unternehmen passen würde.“

Du bist seit Kurzem „Head of Digital Channels“ bei Microsoft Deutschland.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

„Im Moment habe ich natürlich noch
keinen richtigen Alltag, ich bin ja erst ein paar Wochen da – gerade bin ich
dabei, mir einen Überblick zu verschaffen und mich mit meinem Team zu finden:
Eine Kollegin in meinem Team kümmert sich schwerpunktmäßig um die
Social-Media-Kanäle und Yammer, unser Social Intranet, die andere Kollegin ist
für unseren Unternehmensblog zuständig. Und es wird noch eine zusätzliche Stelle in meinem Team geben, die in den
nächsten Wochen besetzt werden wird. 
Microsoft hat ja sehr viel eigenen Content, über das Unternehmen selbst,
über die Produkte, über unsere Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. 
In meinem Alltag wird es darum gehen, interessante Geschichten zu finden
und die richtigen Kanäle auszuwählen, um diese Geschichten zu erzählen.“

Und was ist genau dein Job?

„Als CvD werde ich für die
tägliche Contentplanung zuständig sein und die Redaktionskonferenz leiten. Die Kommunikationsabteilung bei Microsoft ist aufgestellt wie eine
Nachrichtenredaktion: Wir beobachten die aktuellen Trends, suchen nach Themen,
schreiben Artikel und erzählen Geschichten. 
Ein großer Focus liegt für mich auch auf dem Thema Relations. Ich denke, in
unserer digitalen Welt ist es wichtiger denn je, Beziehungen zu Multiplikatoren
und Meinungsmachern aufzubauen und zu pflegen. “

Welche sind für deinen neuen
Arbeitgeber die wichtigen Social-Media-Kanäle?

„Für uns ist Twitter extrem wichtig, weil wir dort sehr viel mit Journalisten
und Fachleuten kommunizieren und als Big Player ist Facebook natürlich aus der
Unternehmenskommunikation nicht mehr wegzudenken. Das sind für uns also die
zwei wichtigsten klassischen externen Social Networks. Wir wollen aber auch andere Social-Media-Kanäle nutzen: Zur re:publica zum
Beispiel werden wir erstmals einen Tumblr haben, der als Live-Blog
funktioniert
. Dort werden wir eigenen Content, aber auch Tweets und Posts von
den Besuchern einspielen. Das sind neue Dinge, die wir ausprobieren um zu
sehen, wie das für uns und unsere Zielgruppe funktioniert. 
Ich bin sowieso ein großer Fan davon, Neues zu testen und mutig zu sein.“

Du bist als Community-Managerin bei Focus Online eingestiegen. Das ist für
viele ein belastender Beruf, eine Kollegin, die selbst länger in dem Bereich
gearbeitet hat, sagt, sie habe am Ende an der Menschheit gezweifelt angesichts
der unzähligen, aggressiven Hass-Kommentare. Du wirkst wie ein sehr positiver
Mensch, wie bist du damit umgegangen?

„Grundsätzlich finde ich
Community Management sehr wichtig, und ich denke, jeder gute
Social-Media-Manager sollte auch ein Community-Manager sein. Denn die
Community, mit der man eben auch via Social Media kommuniziert, ist die
Zielgruppe, das sind die Kunden. Natürlich hat man da auch manchmal Trolle
dabei. Man muss darauf achten, sich abzugrenzen und gewisse Dinge nicht zu nah an
sich ranzulassen. Ich hatte damals auch regelmäßig Leute, die direkt angerufen
haben und mit mir diskutieren wollten.

Aber ich muss sagen: Ich fand es immer extrem spannend, zu sehen, was
Leute, die vielleicht einen völlig anderen Blickwinkel haben als ich, für eine
Meinung zu gewissen Themen haben. Man selbst bewegt sich immer in seinem
Umfeld, hat zu den meisten Themen eine gefestigte Meinung, und da kann es sehr
spannend sein, von völlig anderen Menschen zu erfahren, wie sie zu bestimmten
Dingen stehen. Ich kann von mir sagen, dass das in vieler Hinsicht meinen Horizont
erweitert hat.“

Du meinst, dass man auch etwas mitbekommen hat von Milieus außerhalb der
eigenen Filter Bubble?

„Ganz genau, das ist ein ganz
wichtiger Punkt: Jeder bewegt sich in seiner Filter Bubble, hat seine Freunde,
seine Familie, hat zu vielen Dingen ein festes Meinungsbild, was ja gar nicht
falsch sein muss. Aber ich finde es nach wie vor extrem wichtig, dass man
versucht, offen zu bleiben und sich auch andere Meinungen anhört. Zum Beispiel wenn es um politische Themen geht und Leute aus der Community
berichten, die vor Ort sind und möglicherweise einen ganz anderen
Blick auf ein Thema haben­, dann ist das oft spannend.

Und gleichzeitig finde ich es sehr wichtig, für alle Medien und auch
Unternehmen sich mit ihrer eigenen Community zu befassen. Hier sind wir beim
Thema User Generated Content: Wenn man der Community zuhört und am besten in
einen Dialog tritt, darauf achtet, was sie gerade beschäftigt, dann stößt man
auf neue Themen, die man aufgreifen kann und trifft so genau die Bedürfnisse der
User.“

Du sagtest mal in einem Interview, du fändest es toll, dass News heute nicht
mehr nur einseitig rausgegeben werden. Meinst du damit, dass nicht nur
Journalisten Themen setzen und entscheiden sollen, worüber berichtet wird,
sondern dass die Themen auch aus der Community heraus gesetzt werden,
beziehungsweise die Community selbst darüber schreibt?

„Ganz genau, und das bezieht sich
nicht nur auf Newsseiten, sondern allgemein auf Unternehmen. Es ist so wertvoll, der Community wirklich gut zuzuhören, ein gutes
Social-Media-Monitoring und Community Management zu haben, um ein Gespür dafür
zu bekommen: Was beschäftigt die Leute? Man selbst hat so oft seine eigenen
Vorstellungen und dann kommen aus der Community Themen, die man überhaupt nicht
auf dem Schirm hatte.“

Hast du spontan ein Beispiel dafür, wie das bei Microsoft läuft?

„Ich glaube, dass das Horchen in
die Community gerade für ein Unternehmen wie Microsoft sehr spannend ist, weil
wir ein so breites Feld bearbeiten. 
Fast jeder arbeitet mit Microsoft-Produkten wie Outlook, Excel, Powerpoint
oder Skype, allein hier gibt es unzählige Geschichten aus der Community – und
das ist nur ein kleiner Teil der Microsoft-Angebote. 
Für uns ist es vor allem wichtig, ein Teil der digitalen Gesellschaft zu
sein.

Ein Beispiel, was wir für die re:publica planen: Wir haben uns den
Oberbegriff Schichtwechsel gesetzt. Gerade in der IT-Welt findet ein großer
Schichtwechsel statt, die neue industrielle Revolution ist die digitale
Revolution, sie wird unsere Art zu arbeiten, unsere Gesellschaft und unser
privates Leben verändern – das betrifft uns alle. Dazu schreiben wir im Vorfeld
und live Artikel, holen Gastautoren dazu, drehen auf der Konferenz Videos und
laden ein, dieses Thema mit uns zu diskutieren. Wir sind sehr gespannt, was die
Community der re:publica dazu zu erzählen hat.“

Ein Problem, mit dem sich viele Newsseiten und Redaktionen befassen müssen:
Bringe ich nur Themen, die den eigenen inhaltlichen Qualitätsansprüchen genügen
und verzichte dadurch auf Klicks, oder weiche ich die Themenmischung auf und
setze auch auf Themen, von denen ich weiß, dass sie gut geklickt werden? Wie
kann man hier eine gute Balance finden? Und verhindern, dass man der Versuchung
erliegt, die Community mit Inhalten zu füttern, die das eigentlich gewünschte
Profil der eigenen Seite aufweichen?

„Das ist tatsächlich immer ein
Spagat, ich persönlich bin überhaupt keine Freundin von Clickbaiting, wobei
hier der Übergang auch schwimmend ist. Ich glaube, wenn man die Leute
anspricht, egal ob auf Social Media oder über anderen Kanäle, ist das
Wichtigste, dass sich die Leute ernst genommen fühlen und hinter der
Überschrift auch das finden, was sie erwarten oder was sie interessiert.
Natürlich ist es wichtig, spannende Überschriften zu finden, die Lust aufs
Lesen machen – wenn man den User aber mit einer Überschrift in die Irre führt,
wird er unzufrieden sein, nicht wiederkommen und die Glaubwürdigkeit der Marke
leidet.

Artikel zu schreiben, die für die Community interessant sind und gleichzeitig
zur Brand passen, ist die alltägliche Herausforderung jedes Redakteurs, ganz
gleich ob bei Nachrichtenseiten oder Unternehmen. Ich denke, das Geheimnis liegt in der Pflege der Community. Wer ein gutes
Community Management betreibt, schafft es, sich mit der Zeit die Community
aufzubauen, die zu seiner Marke passt.“

Du hast einen ungewöhnlichen Werdegang: Du hast eine Ausbildung zu
Erzieherin gemacht, in einer Kinderkrippe gearbeitet und bist über einen
Nebenjob als Community Managerin bei Focus Online in einen ganz anderen Bereich
gerutscht.

„Ja, das war mein ganz
persönlicher Schichtwechsel: Ich liebe Kinder, und es war immer mein
Kleinmädchentraum, Kindergärtnerin zu werden. 
Als ich dann selbst Mama geworden bin, wurde mir das aber zu viel: 24/7
Kinder um mich herum. Und irgendwas hat mir gefehlt. 
Durch Zufall bin ich damals an einen Nebenjob bei Focus Online gekommen,
mit dem ich mir als Alleinerziehende etwas dazuverdient habe. Mit der Zeit habe
ich gemerkt, dass das für mich viel mehr als nur ein Nebenjob ist. Ich fand
diesen Bereich extrem spannend und habe deshalb ein Onlinestudium in Social
Media und Community Management gemacht. Als ich dann das Angebot bekam, voll bei
Focus Online einzusteigen und die Leitung des Community Managements zu
übernehmen, war mein Schichtwechsel perfekt.“

Wie beurteilst du die Debatte um Gleichstellung von Männern und Frauen,
beziehungsweise die Tatsache, dass mit der Geburt von Kindern bei deutschen
Paaren eine deutliche Retraditionalisierung einsetzt, also eine überwältigende
Mehrheit der Mütter in Deutschland Teilzeit arbeitet, während der Mann der
Hauptverdiener ist?

„In meinen Augen sind die
fehlenden Betreuungsmöglichkeiten das größte Problem. Wenn man keinen
Krippenplatz bekommt, muss ein Elternteil zu Hause bleiben, um das Kind zu
betreuen. Und da Männer durchschnittlich leider immer noch deutlich mehr
verdienen als Frauen, liegt die Entscheidung, wer zu Hause bleibt, meist auf
der Hand. Außerdem wird man hierzulande oft noch immer schräg beäugt, wenn man
seine Kinder früh in die Krippe gibt. Frankreich und die nordischen Länder sind
in dem Bereich einfach so viel weiter, daran sollten wir uns ein Beispiel
nehmen. Ich hatte das Glück, für meine Kinder einen Krippenplatz zu bekommen, ich
habe selbst in einer gearbeitet, ich weiß, wie viel sie dort lernen und wieviel
Spaß sie haben.“

Selbst wenn man zu zweit ist: Gerade wegen der von dir angesprochenen
Betreuungssituation in vielen Teilen Deutschlands scheint es vielen Eltern
schier unmöglich, dass beide Vollzeit arbeiten. Wie funktioniert das für dich?

„Meine Kinder sind es von klein an
gewöhnt, dass ich arbeite. Früher waren sie währenddessen in der Krippe, später
im Kindergarten und jetzt in der Schule. Wenn ich arbeite, lernen sie also und
verbringen Zeit mit ihren Freunden. Mir ist das auch wichtig, als Vorbildfunktion – schließlich sind meine
Kinder die Eltern von morgen und ich will, dass es für sie selbstverständlich
ist, dass Mamas arbeiten. 
Neben ausgezeichneten Betreuungsmöglichkeiten braucht es dazu aber auch ein
gewisses Maß an Flexibilität. Ich hatte bisher das Glück, in Unternehmen zu
arbeiten, die mir flexible Arbeitszeiten möglich gemacht haben. So konnte ich
mir immer Zeit für Termine mit den Kindern nehmen.

Jetzt bei Microsoft gibt es überhaupt keine festen Arbeits- und Bürozeiten
mehr: Das Wichtigste ist, dass die Arbeit erledigt wird, und zwar egal wann und
wo. Das nennt sich Vertrauensarbeitszeit. Die
Zeit ist reif dafür, dass sich endlich alle Unternehmen für solche Modelle
öffnen.“
 


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